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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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jetzt noch sehr beliebt. Die am häufigsten gebauten Fruchtbäume waren Oel-
baum, Wein, Feigen, Birnen, Aepfel. Kirschen, Mandeln, Pflaumen, Pfirsich
Granatäpfel und Mispeln. Der Cedrat kam erst im dritten Jahrhundert nach
Europa, Citronen und Pomeranzen noch später, wahrscheinlich durch die Araber,
am spätesten die Apfelsinen aus China durch die Portugiesen.

Wenn Pompeji vor seiner Verschüttung in der alten Literatur selten er¬
wähnt wird (die Erwähnungen findet man in dem Buch von Overbeck), so
wird seiner nach der Verschüttung noch seltner gedacht. Drei Schriftsteller be¬
richten das Ereigniß. Sueton erzählt es kurz unter den Unglücksfällen, die
unter der Regierung des Titus vorfielen. Der jüngere Plinius beschreibt es
in dem bekannten Brief als Augenzeuge; es- ist einer der besten, die er geschrie¬
ben hat, und die ErinnerrWg an den überwältigenden Borgang hat ihn seine
sonstige'Affectation vergessen lassen. Cassius Dio, der 120 Jahre später schrieb,
weiß bereits von Riesengestalten zu erzählen, die bei Tag und Nacht erschienen
seien, und von Posaunenschall, den man vernommen. Außerdem wird dieses
ungeheure Ereigniß nur ganz selten und obenhin erwähnt, namentlich von
Martial und Statius, obwol der letztere zur Scene seiner Gedichte mit so viel
Vorliebe die Küste des Golfs von Neapel gewählt hat. Sonst gedenkt (so viel
wir uns erinnern) nur noch der Kaiser Marc Aurel in einer seiner schwermüti¬
gen Betrachtungen über irdische Vergänglichkeit unter andern verschwundenen
Städten auch Pompejis und Herculanums. Diese seltenen Erwähnungen haben
zu der Aufstellung deS Paradoxons (namentlich von Jgnarra und du Theil)
beigetragen, Pompeji habe noch unter den Ankommen bestanden, und sei erst
später zerstört worden; wobei man sich auch aus angeblich in Herculanum ge¬
fundene Manuskripte des Gellius berief, die aber nie eristirt haben. Im Ge¬
gentheil hätte man den Schluß ziehen sollen, daß an jener so überschweng¬
lich gesegneten Küste der Verlust und die Zerstörung bald vergessen wa< da die
Natur unendlich schnell das Verlorene wieder ersetzte.

Die Aufgrabungen begannen bekanntlich nicht in Pompeji, das bereits
völlig verschollen war, sondern in Herculanum, auf dessen Entdeckung ein Zufall
führte. Der lothringische Prinz d'Elboeuf, der sich am Golf bei Neapel ange¬
kauft hatte, ließ aus seinem Gut 1711 einen Brunnen graben oder aufgraben,
wobei man auf antike Reste und bei weiteren Nachsuchungen auf die drei weib¬
lichen Statuen stieß, die unter den Namen der Herculanerinnen bekannt, eine
Hauptzierde des dresdner Museums bilden. Sie kamen damals ohne Vor¬
wissen der neapolitanischen Negierung außer Landes; entweder der Prinz selbst,
wie Jorio, oder der österreichische Vicekönig, wie Winkelmann erzählt, schenkte
sie an Eugen von Savoyen.

Sobald das Gerücht von diesen Entdeckungen an den Hos gelangte, machte
der Fiscus auf,sie Anspruch; der Prinz dagegen behauptete, er sei nur'zur


jetzt noch sehr beliebt. Die am häufigsten gebauten Fruchtbäume waren Oel-
baum, Wein, Feigen, Birnen, Aepfel. Kirschen, Mandeln, Pflaumen, Pfirsich
Granatäpfel und Mispeln. Der Cedrat kam erst im dritten Jahrhundert nach
Europa, Citronen und Pomeranzen noch später, wahrscheinlich durch die Araber,
am spätesten die Apfelsinen aus China durch die Portugiesen.

Wenn Pompeji vor seiner Verschüttung in der alten Literatur selten er¬
wähnt wird (die Erwähnungen findet man in dem Buch von Overbeck), so
wird seiner nach der Verschüttung noch seltner gedacht. Drei Schriftsteller be¬
richten das Ereigniß. Sueton erzählt es kurz unter den Unglücksfällen, die
unter der Regierung des Titus vorfielen. Der jüngere Plinius beschreibt es
in dem bekannten Brief als Augenzeuge; es- ist einer der besten, die er geschrie¬
ben hat, und die ErinnerrWg an den überwältigenden Borgang hat ihn seine
sonstige'Affectation vergessen lassen. Cassius Dio, der 120 Jahre später schrieb,
weiß bereits von Riesengestalten zu erzählen, die bei Tag und Nacht erschienen
seien, und von Posaunenschall, den man vernommen. Außerdem wird dieses
ungeheure Ereigniß nur ganz selten und obenhin erwähnt, namentlich von
Martial und Statius, obwol der letztere zur Scene seiner Gedichte mit so viel
Vorliebe die Küste des Golfs von Neapel gewählt hat. Sonst gedenkt (so viel
wir uns erinnern) nur noch der Kaiser Marc Aurel in einer seiner schwermüti¬
gen Betrachtungen über irdische Vergänglichkeit unter andern verschwundenen
Städten auch Pompejis und Herculanums. Diese seltenen Erwähnungen haben
zu der Aufstellung deS Paradoxons (namentlich von Jgnarra und du Theil)
beigetragen, Pompeji habe noch unter den Ankommen bestanden, und sei erst
später zerstört worden; wobei man sich auch aus angeblich in Herculanum ge¬
fundene Manuskripte des Gellius berief, die aber nie eristirt haben. Im Ge¬
gentheil hätte man den Schluß ziehen sollen, daß an jener so überschweng¬
lich gesegneten Küste der Verlust und die Zerstörung bald vergessen wa< da die
Natur unendlich schnell das Verlorene wieder ersetzte.

Die Aufgrabungen begannen bekanntlich nicht in Pompeji, das bereits
völlig verschollen war, sondern in Herculanum, auf dessen Entdeckung ein Zufall
führte. Der lothringische Prinz d'Elboeuf, der sich am Golf bei Neapel ange¬
kauft hatte, ließ aus seinem Gut 1711 einen Brunnen graben oder aufgraben,
wobei man auf antike Reste und bei weiteren Nachsuchungen auf die drei weib¬
lichen Statuen stieß, die unter den Namen der Herculanerinnen bekannt, eine
Hauptzierde des dresdner Museums bilden. Sie kamen damals ohne Vor¬
wissen der neapolitanischen Negierung außer Landes; entweder der Prinz selbst,
wie Jorio, oder der österreichische Vicekönig, wie Winkelmann erzählt, schenkte
sie an Eugen von Savoyen.

Sobald das Gerücht von diesen Entdeckungen an den Hos gelangte, machte
der Fiscus auf,sie Anspruch; der Prinz dagegen behauptete, er sei nur'zur


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[0453] jetzt noch sehr beliebt. Die am häufigsten gebauten Fruchtbäume waren Oel- baum, Wein, Feigen, Birnen, Aepfel. Kirschen, Mandeln, Pflaumen, Pfirsich Granatäpfel und Mispeln. Der Cedrat kam erst im dritten Jahrhundert nach Europa, Citronen und Pomeranzen noch später, wahrscheinlich durch die Araber, am spätesten die Apfelsinen aus China durch die Portugiesen. Wenn Pompeji vor seiner Verschüttung in der alten Literatur selten er¬ wähnt wird (die Erwähnungen findet man in dem Buch von Overbeck), so wird seiner nach der Verschüttung noch seltner gedacht. Drei Schriftsteller be¬ richten das Ereigniß. Sueton erzählt es kurz unter den Unglücksfällen, die unter der Regierung des Titus vorfielen. Der jüngere Plinius beschreibt es in dem bekannten Brief als Augenzeuge; es- ist einer der besten, die er geschrie¬ ben hat, und die ErinnerrWg an den überwältigenden Borgang hat ihn seine sonstige'Affectation vergessen lassen. Cassius Dio, der 120 Jahre später schrieb, weiß bereits von Riesengestalten zu erzählen, die bei Tag und Nacht erschienen seien, und von Posaunenschall, den man vernommen. Außerdem wird dieses ungeheure Ereigniß nur ganz selten und obenhin erwähnt, namentlich von Martial und Statius, obwol der letztere zur Scene seiner Gedichte mit so viel Vorliebe die Küste des Golfs von Neapel gewählt hat. Sonst gedenkt (so viel wir uns erinnern) nur noch der Kaiser Marc Aurel in einer seiner schwermüti¬ gen Betrachtungen über irdische Vergänglichkeit unter andern verschwundenen Städten auch Pompejis und Herculanums. Diese seltenen Erwähnungen haben zu der Aufstellung deS Paradoxons (namentlich von Jgnarra und du Theil) beigetragen, Pompeji habe noch unter den Ankommen bestanden, und sei erst später zerstört worden; wobei man sich auch aus angeblich in Herculanum ge¬ fundene Manuskripte des Gellius berief, die aber nie eristirt haben. Im Ge¬ gentheil hätte man den Schluß ziehen sollen, daß an jener so überschweng¬ lich gesegneten Küste der Verlust und die Zerstörung bald vergessen wa< da die Natur unendlich schnell das Verlorene wieder ersetzte. Die Aufgrabungen begannen bekanntlich nicht in Pompeji, das bereits völlig verschollen war, sondern in Herculanum, auf dessen Entdeckung ein Zufall führte. Der lothringische Prinz d'Elboeuf, der sich am Golf bei Neapel ange¬ kauft hatte, ließ aus seinem Gut 1711 einen Brunnen graben oder aufgraben, wobei man auf antike Reste und bei weiteren Nachsuchungen auf die drei weib¬ lichen Statuen stieß, die unter den Namen der Herculanerinnen bekannt, eine Hauptzierde des dresdner Museums bilden. Sie kamen damals ohne Vor¬ wissen der neapolitanischen Negierung außer Landes; entweder der Prinz selbst, wie Jorio, oder der österreichische Vicekönig, wie Winkelmann erzählt, schenkte sie an Eugen von Savoyen. Sobald das Gerücht von diesen Entdeckungen an den Hos gelangte, machte der Fiscus auf,sie Anspruch; der Prinz dagegen behauptete, er sei nur'zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/453>, abgerufen am 23.07.2024.