Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.-- Das Eine ist, inmitten der Ungewißheit, die Es ist eine Thatsache, daß die Begriffe, welche wir mit dem verbinden, was Si*
— Das Eine ist, inmitten der Ungewißheit, die Es ist eine Thatsache, daß die Begriffe, welche wir mit dem verbinden, was Si*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101428"/> </div> <div n="1"> <head> </head><lb/> <p xml:id="ID_1297"> — Das Eine ist, inmitten der Ungewißheit, die<lb/> über der nächsten Zukunft schwebt, schon jetzt klar, daß, wie die Dinge<lb/> nun einmal durch die Fassung der Propositionen festgelegt sind, alle Hoffnung auf<lb/> die Aufrechterhaltung der Machtzustande im Orient weit weniger auf das gestellt<lb/> werden dürfe, was durch den Frieden als künftig geltend ausgemittelt werden<lb/> mag, als vielmehr auf die Folgen und den letztlichen Ausgang des großen Ent-<lb/> wicklungsprocesses, der sich in der Türkei anbahnt. Dieser Proceß kann als ein<lb/> Versuch bezeichnet werden, das osmanische Reich, welches durch eiuen von drei Gro߬<lb/> mächten garantirten Frieden in die Reihe der europäischen Mächte politisch eingeführt<lb/> zu werden im Begriff steht, nun auch factisch durch seine Culturstellung und<lb/> seiue Kraftgröße in demselben festen Fuß fassen zu lassen. Wenn das große Ex¬<lb/> periment einerseits durch die Verbündete» der Pforte angeregt worden ist, so wird<lb/> seine Durchführung in demselben Maße von der hiesigen Regierung, wie von den<lb/> inneren, allmälig zu einer gewissen Selbstbestimmung kommenden Elementen, ge¬<lb/> tragen werden. Niemals vielleicht lag bei einer ähnlichen Entwicklung eine größere<lb/> Gefahr im Verzüge, wie bei dieser; deun die Schnelligkeit, mit der sie vor sich geht,<lb/> wird dem Maße des Widerstandes entsprechen, dem man türkischerseits aus eigner<lb/> Macht einem erneuten russischen Versuch zur Bezwingung entgegenstellen kann und<lb/> es ist gewiß, daß dieser Versuch gemacht werden wird — um so gewisser darf man<lb/> hinzusetzen, als es nicht ganz unmöglich ist, daß Neu-Byzanz sich in jener kommen¬<lb/> den Stunde auf sich selbst oder auf einen Verbündeten, dessen Kraft sich nur auf<lb/> der See i» großen Proportionen entfalten kaun, beschränkt sehen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1298" next="#ID_1299"> Es ist eine Thatsache, daß die Begriffe, welche wir mit dem verbinden, was<lb/> Staaten wie England, Rußland, Frankreich, die nordamerikanische Union n. s. w.<lb/> innerhalb der Machtscala der politischen Statistik bedeuten, insofern unterschiedlicher<lb/> Art sind, als sie, analysirt, nicht auf dieselben Bestandtheile zurückgeführt erscheinen.<lb/> Ans andern Elementen formirt sich das Product, mit welchem das britische Reich<lb/> als Schwergewicht in die Wagschale der Welt einfällt, im Vergleich mit demjenigen,<lb/> was Oestreich zu Gunsten seiner Stellung in Mitteleuropa einzusetzen hat. Man<lb/> wird nicht fehl greifen, wenn man diese Verschiedenheit als von der gegensätzlichen<lb/> Entwicklung abhängig annimmt, welche die betreffenden Staaten genommen. Oestreich,<lb/> Preußen und Frankreich sind in dieser Hinsicht einander ähnlicher, weil auf dem<lb/> Gang, den sie durch die rückgclegenen Zeiten nahmen, gleiche Einflüsse stetiger auf<lb/> sie einwirkten- Als Contuicutalrciche waren sie ans die Entwicklung von<lb/> Kräfte» hingewiesen, deren Nothwendigkeit für England erst in zweiter Linie in<lb/> Betracht kam. wie für die vereinigten Staate» im transatlantischen Westen, weil sie<lb/> »och weit mehr oder ganz dem Berufe eines Einwirkens auf das europäische Festland<lb/> entrückt sind und ebenso die Gefahr, von hier aus angetastet zu werden, kaum in Frage<lb/> gestellt werden konnte. Jene bedurften eines großen, schlagbereiten Kriegsheeres,<lb/> bannt eine jede Macht im nahen Auseinanderdräugen der andern beiden, an die sich<lb/> später Rußland noch anschloß, ihre Unabhängigkeit bewahren könne und man be¬<lb/> hauptet nicht zu viel, wenn man sagt, die Freiheit Europas, seine Bewahrung vor</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Si*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
— Das Eine ist, inmitten der Ungewißheit, die
über der nächsten Zukunft schwebt, schon jetzt klar, daß, wie die Dinge
nun einmal durch die Fassung der Propositionen festgelegt sind, alle Hoffnung auf
die Aufrechterhaltung der Machtzustande im Orient weit weniger auf das gestellt
werden dürfe, was durch den Frieden als künftig geltend ausgemittelt werden
mag, als vielmehr auf die Folgen und den letztlichen Ausgang des großen Ent-
wicklungsprocesses, der sich in der Türkei anbahnt. Dieser Proceß kann als ein
Versuch bezeichnet werden, das osmanische Reich, welches durch eiuen von drei Gro߬
mächten garantirten Frieden in die Reihe der europäischen Mächte politisch eingeführt
zu werden im Begriff steht, nun auch factisch durch seine Culturstellung und
seiue Kraftgröße in demselben festen Fuß fassen zu lassen. Wenn das große Ex¬
periment einerseits durch die Verbündete» der Pforte angeregt worden ist, so wird
seine Durchführung in demselben Maße von der hiesigen Regierung, wie von den
inneren, allmälig zu einer gewissen Selbstbestimmung kommenden Elementen, ge¬
tragen werden. Niemals vielleicht lag bei einer ähnlichen Entwicklung eine größere
Gefahr im Verzüge, wie bei dieser; deun die Schnelligkeit, mit der sie vor sich geht,
wird dem Maße des Widerstandes entsprechen, dem man türkischerseits aus eigner
Macht einem erneuten russischen Versuch zur Bezwingung entgegenstellen kann und
es ist gewiß, daß dieser Versuch gemacht werden wird — um so gewisser darf man
hinzusetzen, als es nicht ganz unmöglich ist, daß Neu-Byzanz sich in jener kommen¬
den Stunde auf sich selbst oder auf einen Verbündeten, dessen Kraft sich nur auf
der See i» großen Proportionen entfalten kaun, beschränkt sehen wird.
Es ist eine Thatsache, daß die Begriffe, welche wir mit dem verbinden, was
Staaten wie England, Rußland, Frankreich, die nordamerikanische Union n. s. w.
innerhalb der Machtscala der politischen Statistik bedeuten, insofern unterschiedlicher
Art sind, als sie, analysirt, nicht auf dieselben Bestandtheile zurückgeführt erscheinen.
Ans andern Elementen formirt sich das Product, mit welchem das britische Reich
als Schwergewicht in die Wagschale der Welt einfällt, im Vergleich mit demjenigen,
was Oestreich zu Gunsten seiner Stellung in Mitteleuropa einzusetzen hat. Man
wird nicht fehl greifen, wenn man diese Verschiedenheit als von der gegensätzlichen
Entwicklung abhängig annimmt, welche die betreffenden Staaten genommen. Oestreich,
Preußen und Frankreich sind in dieser Hinsicht einander ähnlicher, weil auf dem
Gang, den sie durch die rückgclegenen Zeiten nahmen, gleiche Einflüsse stetiger auf
sie einwirkten- Als Contuicutalrciche waren sie ans die Entwicklung von
Kräfte» hingewiesen, deren Nothwendigkeit für England erst in zweiter Linie in
Betracht kam. wie für die vereinigten Staate» im transatlantischen Westen, weil sie
»och weit mehr oder ganz dem Berufe eines Einwirkens auf das europäische Festland
entrückt sind und ebenso die Gefahr, von hier aus angetastet zu werden, kaum in Frage
gestellt werden konnte. Jene bedurften eines großen, schlagbereiten Kriegsheeres,
bannt eine jede Macht im nahen Auseinanderdräugen der andern beiden, an die sich
später Rußland noch anschloß, ihre Unabhängigkeit bewahren könne und man be¬
hauptet nicht zu viel, wenn man sagt, die Freiheit Europas, seine Bewahrung vor
Si*
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