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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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anders haben will, zehn und zwanzig Thaler über den wirklichen Werth zahlt.
Roth aber müssen in Angeln alle Rinder sein und nur große Oekonomen
gestatten sich mitunter das Vergehen gegen die Geschmacksrichtung des Volks,
auf ihren Koppeln eine weiße oder schwarze Kuh sehen zu lassen.

Ich darf ein angelsches Haus nicht verlassen, ohne einer kleinen Per¬
sönlichkeit gedacht zu haben, die früher in jeder wohl bestellten Haushaltung
als nothwendig vorausgesetzt wurde und unter Angeln von altem Schrot
und Korn noch jetzt ihre Freunde hat. Ich meine den kleinen Riß Puck,
jenen bald tückischen, bald neckischen, bald segenbringenden Hauskobold, über
den mir ein werther Freund, dem ich hiermit nochmals danke, eine Anzahl
schätzbarer Notizen mittheilte.

Riß Puck ist nach der Meinung jenes Freundes ein angler Landeskind
und aller Wahrscheinlichkeit nach ein Vetter des berühmten Puck aus Shake¬
speares Sommernachtstraum, der den Angeln von Hengist bei der Eroberung Bri¬
tanniens geholfen haben wird, während der andere als Stammhalter und Erbe
auf der väterlichen Hufe zurückblieb. Sein Name Riß ist Diminutivum, ent¬
standen aus Johannes und größerer Deutlichkeit halber mit einem Spitznamen
verbunden, der entweder Frosch oder Buckel bedeutet, so daß Riß Puck etwa
als Hänschen mit dem Buckel oder Hänschen Froschwanst zu verdeutschen
wäre. Riß hört übrigens diesen Namen keineswegs gern und pflegt ihn bei
Gelegenheit durch einen empfindlichen Schabernack zu rächen.

Vor vielen Jahren, als die verstorbene Großmutter des erwähnten Freundes
noch jung war, erzählte man, daß der Hausgeist Riß bei deren Großeltern auf
dem Hofe L. von Urzeiten her sein Quartier gehabt habe. Ertrug dazumal kurze
Kniehöschcn von Zwillich , lange Strümpfe, mit Schafpelz gefütterte Pantof¬
feln oder Schlurren, wollene Hemdärmel ohne Jacke und eine Zipfelmütze mit
einer rothen Quaste. Seine Wohnung hatte er in einem Winkel des Stalles,
wo zugleich die Hauptbühne seiner Thaten war, die in Abwartung des Rind¬
viehs, Striegeln der Pferde, Beaufsichtigung des Gesindes und andern häus¬
lichen Geschäften bestanden und für die man ihm jeden Abend einen Teller
mit Grütze geben mußte. Bei Tage war er in der Regel nicht sichtbar, son¬
dern schlief in einer abgelegenen Ecke des Heubodens. Bald nach Sonnen¬
untergang aber war er auf dem Platze, um an die Inspection der Wirthschaft
zu gehen und sich gelegentlich durch Nachholung versäumter Arbeiten nützlich
zu machen, wobei er manchmal in früher Morgenstunde von Knechten oder
Mägden überrascht wurde. Gingen diese an die Arbeit, so zog er sich zurück;
indeß geschah es bisweilen auch, daß er noch ein Weilchen, Allen sichtbar,
auf der obersten Sprosse der Bodenleiter sitzend, der Beschickung des Viehs
zuschaute und wenn man es zu seiner Zufriedenheit machte, wohlgefällig mit
den Beinen hin und her baumelte.


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anders haben will, zehn und zwanzig Thaler über den wirklichen Werth zahlt.
Roth aber müssen in Angeln alle Rinder sein und nur große Oekonomen
gestatten sich mitunter das Vergehen gegen die Geschmacksrichtung des Volks,
auf ihren Koppeln eine weiße oder schwarze Kuh sehen zu lassen.

Ich darf ein angelsches Haus nicht verlassen, ohne einer kleinen Per¬
sönlichkeit gedacht zu haben, die früher in jeder wohl bestellten Haushaltung
als nothwendig vorausgesetzt wurde und unter Angeln von altem Schrot
und Korn noch jetzt ihre Freunde hat. Ich meine den kleinen Riß Puck,
jenen bald tückischen, bald neckischen, bald segenbringenden Hauskobold, über
den mir ein werther Freund, dem ich hiermit nochmals danke, eine Anzahl
schätzbarer Notizen mittheilte.

Riß Puck ist nach der Meinung jenes Freundes ein angler Landeskind
und aller Wahrscheinlichkeit nach ein Vetter des berühmten Puck aus Shake¬
speares Sommernachtstraum, der den Angeln von Hengist bei der Eroberung Bri¬
tanniens geholfen haben wird, während der andere als Stammhalter und Erbe
auf der väterlichen Hufe zurückblieb. Sein Name Riß ist Diminutivum, ent¬
standen aus Johannes und größerer Deutlichkeit halber mit einem Spitznamen
verbunden, der entweder Frosch oder Buckel bedeutet, so daß Riß Puck etwa
als Hänschen mit dem Buckel oder Hänschen Froschwanst zu verdeutschen
wäre. Riß hört übrigens diesen Namen keineswegs gern und pflegt ihn bei
Gelegenheit durch einen empfindlichen Schabernack zu rächen.

Vor vielen Jahren, als die verstorbene Großmutter des erwähnten Freundes
noch jung war, erzählte man, daß der Hausgeist Riß bei deren Großeltern auf
dem Hofe L. von Urzeiten her sein Quartier gehabt habe. Ertrug dazumal kurze
Kniehöschcn von Zwillich , lange Strümpfe, mit Schafpelz gefütterte Pantof¬
feln oder Schlurren, wollene Hemdärmel ohne Jacke und eine Zipfelmütze mit
einer rothen Quaste. Seine Wohnung hatte er in einem Winkel des Stalles,
wo zugleich die Hauptbühne seiner Thaten war, die in Abwartung des Rind¬
viehs, Striegeln der Pferde, Beaufsichtigung des Gesindes und andern häus¬
lichen Geschäften bestanden und für die man ihm jeden Abend einen Teller
mit Grütze geben mußte. Bei Tage war er in der Regel nicht sichtbar, son¬
dern schlief in einer abgelegenen Ecke des Heubodens. Bald nach Sonnen¬
untergang aber war er auf dem Platze, um an die Inspection der Wirthschaft
zu gehen und sich gelegentlich durch Nachholung versäumter Arbeiten nützlich
zu machen, wobei er manchmal in früher Morgenstunde von Knechten oder
Mägden überrascht wurde. Gingen diese an die Arbeit, so zog er sich zurück;
indeß geschah es bisweilen auch, daß er noch ein Weilchen, Allen sichtbar,
auf der obersten Sprosse der Bodenleiter sitzend, der Beschickung des Viehs
zuschaute und wenn man es zu seiner Zufriedenheit machte, wohlgefällig mit
den Beinen hin und her baumelte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/43>, abgerufen am 23.07.2024.