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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Väter an erblichen Feinden in einem benachbarten Thale eine Rache geübt
hätten, wie sie alte Soldaten des dreißigjährigen Krieges schaudern gemacht
haben würde. Er würde gefunden haben,' daß Rauben für einen nicht blos
unschuldigen, sondern selbst ehrenvollen Beruf gehalten ward. Er würde über¬
all, wohin er sich wendete, jene Abneigung gegen stetigen Betriebsfleiß und
jene Neigung gesehen haben, den schwersten Theil der Handarbeit aus das
schwächere Geschlecht zu werfen, welche Charakterzüge der Wilden sind. Er
würde von dem Anblicke athletischer Männer betroffen worden sein, die sich in
der Sonne wärmten, nach Lachs angelten, oder nach Waldhühnern schössen,
während ihre bejahrten Mütter, ihre schwangeren Weiber, ihre zarten Töchter
die dürftige Haferernte einbrachten. Auch beklagten die Weiber ihr hartes
Loos nicht. Nach ihrer Ansicht war eS ganz angemessen, daß ein Mann, be¬
sonders wenn er den aristokratischen Titel Duinhe Waffel führte und seine
Mütze mit einer Adlerseder verzierte, seine Ruhe genoß, außer wenn er focht,
jagte oder raubte. Den Namen eines solchen Mannes in Verbindung mit
Handel oder mit irgend einer mechanischen Kunst zu erwähnen, war eine Be¬
leidigung. Ackerbau war zwar weniger verachtet, indeß war ein hochgebor-
ner Krieger doch viel anständiger beschäftigt, wenn er anderer Land plünderte,
als wenn er sein eignes bestellte. Die Religion des größeren Theiles der
Hochlande war ein rohes Gemisch von Papstthum und Heidenthum. DaS
Symbol der Erlösung wurde mit heidnischen Opfern und Beschwörungen ver¬
einigt. Getaufte Menschen brachten dem einen Dämon Libationen von Ale,
und stellten Trankopfer von Milch für einen andern hin. Seher hüllten sich
in Ochsenhäute und erwarteten in dieser Bekleidung die Eingebung, welche vie
Zukunft enthüllen sollte. Selbst unter jenen Minstrels und Genealogen, de¬
ren erblicher Beruf es war, daS Gedächtniß vergangener Ereignisse zu bewah¬
ren, würde ein Forscher sehr wenige gefunden haben, die lesen konnten. In
Wahrheit er hätte wol von Meer zu Meer reisen können, ohne eine Seite
gälisches Gedrucktes öder Geschriebenes zu finden. Der Preis, den er für
seine Kenntniß des Landes zu zahlen gehabt haben würde, würde schwer ge¬
wesen sein. Er würde so große Beschwerden zu erdulden gehabt haben, als
wenn er sich bei den Eskimos oder den Samojeden befunden hätte. Hier und
da allerdings, in dem Schlosse irgend eines großen Lords, der einen Sitz im
Parlamente und Geheimen Rathe hatte, und der gewohnt war, einen großen
Theil seines Lebens in den Städten des Südens zuzubringen, hätte er Pe¬
rücken und gestickte Röcke, Silbergeschirr und feines Linnen, Spitzen und Ju¬
welen, französische Gerichte und französische Weine finden können. In der
Regel aber würde der Reisende genöthigt gewesen sein, sich mit ganz anderen
Quartieren zu begnügen. In vielen Wohnungen würden die Geräthschaften,
die Kost, die Kleidung, ja selbst daS Haar und die Haut seiner Wirthe seine


Väter an erblichen Feinden in einem benachbarten Thale eine Rache geübt
hätten, wie sie alte Soldaten des dreißigjährigen Krieges schaudern gemacht
haben würde. Er würde gefunden haben,' daß Rauben für einen nicht blos
unschuldigen, sondern selbst ehrenvollen Beruf gehalten ward. Er würde über¬
all, wohin er sich wendete, jene Abneigung gegen stetigen Betriebsfleiß und
jene Neigung gesehen haben, den schwersten Theil der Handarbeit aus das
schwächere Geschlecht zu werfen, welche Charakterzüge der Wilden sind. Er
würde von dem Anblicke athletischer Männer betroffen worden sein, die sich in
der Sonne wärmten, nach Lachs angelten, oder nach Waldhühnern schössen,
während ihre bejahrten Mütter, ihre schwangeren Weiber, ihre zarten Töchter
die dürftige Haferernte einbrachten. Auch beklagten die Weiber ihr hartes
Loos nicht. Nach ihrer Ansicht war eS ganz angemessen, daß ein Mann, be¬
sonders wenn er den aristokratischen Titel Duinhe Waffel führte und seine
Mütze mit einer Adlerseder verzierte, seine Ruhe genoß, außer wenn er focht,
jagte oder raubte. Den Namen eines solchen Mannes in Verbindung mit
Handel oder mit irgend einer mechanischen Kunst zu erwähnen, war eine Be¬
leidigung. Ackerbau war zwar weniger verachtet, indeß war ein hochgebor-
ner Krieger doch viel anständiger beschäftigt, wenn er anderer Land plünderte,
als wenn er sein eignes bestellte. Die Religion des größeren Theiles der
Hochlande war ein rohes Gemisch von Papstthum und Heidenthum. DaS
Symbol der Erlösung wurde mit heidnischen Opfern und Beschwörungen ver¬
einigt. Getaufte Menschen brachten dem einen Dämon Libationen von Ale,
und stellten Trankopfer von Milch für einen andern hin. Seher hüllten sich
in Ochsenhäute und erwarteten in dieser Bekleidung die Eingebung, welche vie
Zukunft enthüllen sollte. Selbst unter jenen Minstrels und Genealogen, de¬
ren erblicher Beruf es war, daS Gedächtniß vergangener Ereignisse zu bewah¬
ren, würde ein Forscher sehr wenige gefunden haben, die lesen konnten. In
Wahrheit er hätte wol von Meer zu Meer reisen können, ohne eine Seite
gälisches Gedrucktes öder Geschriebenes zu finden. Der Preis, den er für
seine Kenntniß des Landes zu zahlen gehabt haben würde, würde schwer ge¬
wesen sein. Er würde so große Beschwerden zu erdulden gehabt haben, als
wenn er sich bei den Eskimos oder den Samojeden befunden hätte. Hier und
da allerdings, in dem Schlosse irgend eines großen Lords, der einen Sitz im
Parlamente und Geheimen Rathe hatte, und der gewohnt war, einen großen
Theil seines Lebens in den Städten des Südens zuzubringen, hätte er Pe¬
rücken und gestickte Röcke, Silbergeschirr und feines Linnen, Spitzen und Ju¬
welen, französische Gerichte und französische Weine finden können. In der
Regel aber würde der Reisende genöthigt gewesen sein, sich mit ganz anderen
Quartieren zu begnügen. In vielen Wohnungen würden die Geräthschaften,
die Kost, die Kleidung, ja selbst daS Haar und die Haut seiner Wirthe seine


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[0394] Väter an erblichen Feinden in einem benachbarten Thale eine Rache geübt hätten, wie sie alte Soldaten des dreißigjährigen Krieges schaudern gemacht haben würde. Er würde gefunden haben,' daß Rauben für einen nicht blos unschuldigen, sondern selbst ehrenvollen Beruf gehalten ward. Er würde über¬ all, wohin er sich wendete, jene Abneigung gegen stetigen Betriebsfleiß und jene Neigung gesehen haben, den schwersten Theil der Handarbeit aus das schwächere Geschlecht zu werfen, welche Charakterzüge der Wilden sind. Er würde von dem Anblicke athletischer Männer betroffen worden sein, die sich in der Sonne wärmten, nach Lachs angelten, oder nach Waldhühnern schössen, während ihre bejahrten Mütter, ihre schwangeren Weiber, ihre zarten Töchter die dürftige Haferernte einbrachten. Auch beklagten die Weiber ihr hartes Loos nicht. Nach ihrer Ansicht war eS ganz angemessen, daß ein Mann, be¬ sonders wenn er den aristokratischen Titel Duinhe Waffel führte und seine Mütze mit einer Adlerseder verzierte, seine Ruhe genoß, außer wenn er focht, jagte oder raubte. Den Namen eines solchen Mannes in Verbindung mit Handel oder mit irgend einer mechanischen Kunst zu erwähnen, war eine Be¬ leidigung. Ackerbau war zwar weniger verachtet, indeß war ein hochgebor- ner Krieger doch viel anständiger beschäftigt, wenn er anderer Land plünderte, als wenn er sein eignes bestellte. Die Religion des größeren Theiles der Hochlande war ein rohes Gemisch von Papstthum und Heidenthum. DaS Symbol der Erlösung wurde mit heidnischen Opfern und Beschwörungen ver¬ einigt. Getaufte Menschen brachten dem einen Dämon Libationen von Ale, und stellten Trankopfer von Milch für einen andern hin. Seher hüllten sich in Ochsenhäute und erwarteten in dieser Bekleidung die Eingebung, welche vie Zukunft enthüllen sollte. Selbst unter jenen Minstrels und Genealogen, de¬ ren erblicher Beruf es war, daS Gedächtniß vergangener Ereignisse zu bewah¬ ren, würde ein Forscher sehr wenige gefunden haben, die lesen konnten. In Wahrheit er hätte wol von Meer zu Meer reisen können, ohne eine Seite gälisches Gedrucktes öder Geschriebenes zu finden. Der Preis, den er für seine Kenntniß des Landes zu zahlen gehabt haben würde, würde schwer ge¬ wesen sein. Er würde so große Beschwerden zu erdulden gehabt haben, als wenn er sich bei den Eskimos oder den Samojeden befunden hätte. Hier und da allerdings, in dem Schlosse irgend eines großen Lords, der einen Sitz im Parlamente und Geheimen Rathe hatte, und der gewohnt war, einen großen Theil seines Lebens in den Städten des Südens zuzubringen, hätte er Pe¬ rücken und gestickte Röcke, Silbergeschirr und feines Linnen, Spitzen und Ju¬ welen, französische Gerichte und französische Weine finden können. In der Regel aber würde der Reisende genöthigt gewesen sein, sich mit ganz anderen Quartieren zu begnügen. In vielen Wohnungen würden die Geräthschaften, die Kost, die Kleidung, ja selbst daS Haar und die Haut seiner Wirthe seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/394>, abgerufen am 23.07.2024.