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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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-Peru zurück, gegen den er eine besondere Abneigung zu haben scheint, und
überhäuft ihn mit neuen Vorwürfen. Hier war nun die beste Gelegenheit, den
frühern Irrthum zurückzunehmen. Aber Macaulay sagt kein Wort. Wenn er
durch die Beweise seiner Gegner nicht überzeugt war, so mußte er sie wider¬
legen, denn eS handelte sich hier nicht um sophistische Deduction.en, sondern
um Actenstücke, die, wenn sie echt sind, die Sache entscheiden. Solchen Be¬
legen gegenüber ist ein vornehmes Stillschweigen unziemlich. -- Wenn man
Macaulay zuweilen vorgeworfen hat, daß er um einer glänzenden rhetorischen
Wendung willen nicht verschmäht, den Thatsachen Gewalt anzuthun, so ist
dieser Vorwurf durchaus zurückzuweisen. Dagegen ist der in den Hauptsachen
so umsichtige und liberale Mann von einem gewissen Eigensinn in den Neben¬
sachen nicht" ganz freizusprechen. -- Die Hauptsache bei all diesen Vorwürfen
bleibt doch der Parteistandpunkt. Man verfolgt in dem Geschichtschreiber den
Whig, den man zuerst über dem künstlerischen Eindruck vergessen hatte, weil
man nun dahintergekommen ist, daß die besonnene Darstellung einer politischen
Idee gefährlicher ist, als eine leidenschaftliche Parteinahme.

Die neuen Bände stehen dem Stoff nach gegen die frühern dadurch im
Nachtheil, daß sie nicht eine so dramatische Abrundung zulassen. Bis zum
Jahr -1689 gruppirt sich alles in Anlage, Spannung und Katastrophe, die
Entwicklung geht in gerader Linie vorwärts. Seit der Zeit fällt alles mehr
auseinander, und das unmittelbare Interesse am Stoff muß also schwächer
werden. Aber im Grunde ist der Inhalt dieser neuen Bände noch ungleich
wichtiger. So pflegte man früher in Romanen mit der Hochzeit zu schließen,
um den Stoff künstlerisch abzurunden, da doch die weitere Entwicklung deS
Ehestandes viel wichtiger ist, als die Vorbereitungen zu demselben. Dem Ge¬
schichtschreiber ist et nicht erlaubt, willkürlich den Faden abzuschneiden, und der
wahre Künstler wird auch in den Stoff, der auseinanderzufalten droht, Ordnung
und Folge zu bringen wissen.

Dem Anschein nach war mit der Thronbesteigung Wilhelms von Oranien
der große Kampf beendigt, aber auch nur dem Anschein nach. Es waren
nicht nur die wirklichen Feinde der neuen Herrschaft, die sie gefährdeten, es
'.waren ihre eignen Freunde und Werkzeuge. Die Tones hatten nur mit
Widerstreben sich an dem Sturz ihres alten Königsgeschlechts betheiligt; so¬
bald die unmittelbare Gefahr, welche' ihre Kirche bedrohte, abgewandt war,
mußten sich die alten Sympathien bei ihnen regen, und so entwickelte sich
denn eine Reihe von Verschwörungen, diem einem viel schlimmern Ausgang
geführt haben würden, wenn nicht der Chef deß Hauses Stuart eine so ganz
klägliche Persönlichkeit gewesen wäre. Nicht ohne Bedenken war die Stellung
der Whigs zu der neuen Regierung. Durch die Revolution war ihr Princip
durchgesetzt worden und sie betrachteten das.neue. Staatsoberhaupt als einen


-Peru zurück, gegen den er eine besondere Abneigung zu haben scheint, und
überhäuft ihn mit neuen Vorwürfen. Hier war nun die beste Gelegenheit, den
frühern Irrthum zurückzunehmen. Aber Macaulay sagt kein Wort. Wenn er
durch die Beweise seiner Gegner nicht überzeugt war, so mußte er sie wider¬
legen, denn eS handelte sich hier nicht um sophistische Deduction.en, sondern
um Actenstücke, die, wenn sie echt sind, die Sache entscheiden. Solchen Be¬
legen gegenüber ist ein vornehmes Stillschweigen unziemlich. — Wenn man
Macaulay zuweilen vorgeworfen hat, daß er um einer glänzenden rhetorischen
Wendung willen nicht verschmäht, den Thatsachen Gewalt anzuthun, so ist
dieser Vorwurf durchaus zurückzuweisen. Dagegen ist der in den Hauptsachen
so umsichtige und liberale Mann von einem gewissen Eigensinn in den Neben¬
sachen nicht" ganz freizusprechen. — Die Hauptsache bei all diesen Vorwürfen
bleibt doch der Parteistandpunkt. Man verfolgt in dem Geschichtschreiber den
Whig, den man zuerst über dem künstlerischen Eindruck vergessen hatte, weil
man nun dahintergekommen ist, daß die besonnene Darstellung einer politischen
Idee gefährlicher ist, als eine leidenschaftliche Parteinahme.

Die neuen Bände stehen dem Stoff nach gegen die frühern dadurch im
Nachtheil, daß sie nicht eine so dramatische Abrundung zulassen. Bis zum
Jahr -1689 gruppirt sich alles in Anlage, Spannung und Katastrophe, die
Entwicklung geht in gerader Linie vorwärts. Seit der Zeit fällt alles mehr
auseinander, und das unmittelbare Interesse am Stoff muß also schwächer
werden. Aber im Grunde ist der Inhalt dieser neuen Bände noch ungleich
wichtiger. So pflegte man früher in Romanen mit der Hochzeit zu schließen,
um den Stoff künstlerisch abzurunden, da doch die weitere Entwicklung deS
Ehestandes viel wichtiger ist, als die Vorbereitungen zu demselben. Dem Ge¬
schichtschreiber ist et nicht erlaubt, willkürlich den Faden abzuschneiden, und der
wahre Künstler wird auch in den Stoff, der auseinanderzufalten droht, Ordnung
und Folge zu bringen wissen.

Dem Anschein nach war mit der Thronbesteigung Wilhelms von Oranien
der große Kampf beendigt, aber auch nur dem Anschein nach. Es waren
nicht nur die wirklichen Feinde der neuen Herrschaft, die sie gefährdeten, es
'.waren ihre eignen Freunde und Werkzeuge. Die Tones hatten nur mit
Widerstreben sich an dem Sturz ihres alten Königsgeschlechts betheiligt; so¬
bald die unmittelbare Gefahr, welche' ihre Kirche bedrohte, abgewandt war,
mußten sich die alten Sympathien bei ihnen regen, und so entwickelte sich
denn eine Reihe von Verschwörungen, diem einem viel schlimmern Ausgang
geführt haben würden, wenn nicht der Chef deß Hauses Stuart eine so ganz
klägliche Persönlichkeit gewesen wäre. Nicht ohne Bedenken war die Stellung
der Whigs zu der neuen Regierung. Durch die Revolution war ihr Princip
durchgesetzt worden und sie betrachteten das.neue. Staatsoberhaupt als einen


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[0388] -Peru zurück, gegen den er eine besondere Abneigung zu haben scheint, und überhäuft ihn mit neuen Vorwürfen. Hier war nun die beste Gelegenheit, den frühern Irrthum zurückzunehmen. Aber Macaulay sagt kein Wort. Wenn er durch die Beweise seiner Gegner nicht überzeugt war, so mußte er sie wider¬ legen, denn eS handelte sich hier nicht um sophistische Deduction.en, sondern um Actenstücke, die, wenn sie echt sind, die Sache entscheiden. Solchen Be¬ legen gegenüber ist ein vornehmes Stillschweigen unziemlich. — Wenn man Macaulay zuweilen vorgeworfen hat, daß er um einer glänzenden rhetorischen Wendung willen nicht verschmäht, den Thatsachen Gewalt anzuthun, so ist dieser Vorwurf durchaus zurückzuweisen. Dagegen ist der in den Hauptsachen so umsichtige und liberale Mann von einem gewissen Eigensinn in den Neben¬ sachen nicht" ganz freizusprechen. — Die Hauptsache bei all diesen Vorwürfen bleibt doch der Parteistandpunkt. Man verfolgt in dem Geschichtschreiber den Whig, den man zuerst über dem künstlerischen Eindruck vergessen hatte, weil man nun dahintergekommen ist, daß die besonnene Darstellung einer politischen Idee gefährlicher ist, als eine leidenschaftliche Parteinahme. Die neuen Bände stehen dem Stoff nach gegen die frühern dadurch im Nachtheil, daß sie nicht eine so dramatische Abrundung zulassen. Bis zum Jahr -1689 gruppirt sich alles in Anlage, Spannung und Katastrophe, die Entwicklung geht in gerader Linie vorwärts. Seit der Zeit fällt alles mehr auseinander, und das unmittelbare Interesse am Stoff muß also schwächer werden. Aber im Grunde ist der Inhalt dieser neuen Bände noch ungleich wichtiger. So pflegte man früher in Romanen mit der Hochzeit zu schließen, um den Stoff künstlerisch abzurunden, da doch die weitere Entwicklung deS Ehestandes viel wichtiger ist, als die Vorbereitungen zu demselben. Dem Ge¬ schichtschreiber ist et nicht erlaubt, willkürlich den Faden abzuschneiden, und der wahre Künstler wird auch in den Stoff, der auseinanderzufalten droht, Ordnung und Folge zu bringen wissen. Dem Anschein nach war mit der Thronbesteigung Wilhelms von Oranien der große Kampf beendigt, aber auch nur dem Anschein nach. Es waren nicht nur die wirklichen Feinde der neuen Herrschaft, die sie gefährdeten, es '.waren ihre eignen Freunde und Werkzeuge. Die Tones hatten nur mit Widerstreben sich an dem Sturz ihres alten Königsgeschlechts betheiligt; so¬ bald die unmittelbare Gefahr, welche' ihre Kirche bedrohte, abgewandt war, mußten sich die alten Sympathien bei ihnen regen, und so entwickelte sich denn eine Reihe von Verschwörungen, diem einem viel schlimmern Ausgang geführt haben würden, wenn nicht der Chef deß Hauses Stuart eine so ganz klägliche Persönlichkeit gewesen wäre. Nicht ohne Bedenken war die Stellung der Whigs zu der neuen Regierung. Durch die Revolution war ihr Princip durchgesetzt worden und sie betrachteten das.neue. Staatsoberhaupt als einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/388>, abgerufen am 23.07.2024.