Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.dadurch, daß er die Armeen BarclayS und Bagrations noch mehr voneinan¬ Toll war bis zur Ankunft in Drissa Abtheilungsdirector in der Kanzlei dadurch, daß er die Armeen BarclayS und Bagrations noch mehr voneinan¬ Toll war bis zur Ankunft in Drissa Abtheilungsdirector in der Kanzlei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101342"/> <p xml:id="ID_1055" prev="#ID_1054"> dadurch, daß er die Armeen BarclayS und Bagrations noch mehr voneinan¬<lb/> der trennte, dazu nöthigte, einen Vereinigungspunkt tiefer im Innern des Reiches<lb/> zu suchen; denn die Unmöglichkeit, sich in Drissa zu behaupten, wurde sofort<lb/> erkannt, als man an Ort und Stelle war. Hiermit war Phulls Plan und<lb/> sein Ansehen vollkommen beseitigt. Der Kaiser sprach mehre Tage nicht mit<lb/> ihm, die Offiziere fingen an ihn zu meiden; auf Clausewitz Rath entschloß<lb/> sich Phull nach schwerem Kampf, dem Bruche zuvorzukommen und dem Kaiser<lb/> selbst zu rathen, daß er den Oberbefehl ganz in BarclayS Hände legen möge.<lb/> Seitdem wohnte Phull dem Kriegsrath nicht mehr bei; statt seines Planes,<lb/> daß die beiden Armeen getrennt operiren sollten, wurde jetzt der leitende Ge¬<lb/> sichtspunkt, ihre Vereinigung zu bewerkstelligen. Dies führte zu dem weitern<lb/> Rückzüge, der wiederum nicht in der Absicht unternommen wurde, Raum zu ge¬<lb/> winnen, in dem das feindliche Heer sich verlieren sollte, sondern lediglich in der<lb/> Meinung, daß man nach der Vereinigung mit Bagration stark genug sein werde,<lb/> eine entscheidende Schlacht zu liefern. Das letztere blieb BarclayS und des<lb/> Kaisers Wunsch; nur der Umstand, daß Barclay vor dem entscheidenden<lb/> Augenblick stets die Unzulänglichkeit seiner Mittel fühlte, seine Hoffnung auf<lb/> die Reserven, die sein Heer verstärken sollten und auf die furchtbaren Verluste,<lb/> die der Feind schon bei seinem bisherigen Vordringen erlitten, — mir dieser<lb/> Umstand bewahrte Nußland davor, die Entscheidung des Feldzugs einer<lb/> Schlacht anzuvertrauen, in der Barclay den Kürzern gezogen haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1056"> Toll war bis zur Ankunft in Drissa Abtheilungsdirector in der Kanzlei<lb/> deö Generalquartiermeisters der Armee BarclayS; in Drissa wurde er selbst<lb/> zum Gcneralquartiermeister ernannt, und seitdem kann er als die vorzüglichste<lb/> Quelle für die Kenntniß der Motive betrachtet werden, welche den russischen<lb/> Rückzug veranlaßten. Aus den zahlreichen interessanten Details, die Herr von<lb/> Bernhard! mittheilt, können wir schließen, daß auch die Reichhaltigkeit der ei¬<lb/> genhändigen Aufzeichnungen, die er hinterlassen, in demselben Maße wächst,<lb/> je einflußreicher die Stellungen sind, in die er hinaufrückt, und es unterliegt<lb/> keinen Zweifel, daß Herrn von Bernhardts Werk als die sicherste und beste<lb/> Quelle für die Geschichte jenes Feldzuges betrachtet werden wird, sobald es<lb/> dem Verfasser gefallen sollte, für das bisher Gegebene eine nachträgliche Ueber¬<lb/> sicht der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel zu liefern und in den folgenden<lb/> Bänden die Quelle seiner Kenntniß bei den einzelnen wichtigen Punkten spe¬<lb/> cieller zu bezeichnen. Wir glauben um so mehr auf die Beachtung dieses<lb/> Winkes rechnen zu dürfen, als wir mit Bestimmtheit annehmen, daß der Ver¬<lb/> fasser schon jetzt mehrmals in der Lage gewesen sein wird, solchen Personen,<lb/> auf deren Urtheil er Werth legt, derartige Aufklärungen zu geben und sich so<lb/> durch eigne Erfahrung zu überzeugen, daß sie für eine richtige Würdigung<lb/> seiner Arbeit wirklich unerläßlich sind.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0349]
dadurch, daß er die Armeen BarclayS und Bagrations noch mehr voneinan¬
der trennte, dazu nöthigte, einen Vereinigungspunkt tiefer im Innern des Reiches
zu suchen; denn die Unmöglichkeit, sich in Drissa zu behaupten, wurde sofort
erkannt, als man an Ort und Stelle war. Hiermit war Phulls Plan und
sein Ansehen vollkommen beseitigt. Der Kaiser sprach mehre Tage nicht mit
ihm, die Offiziere fingen an ihn zu meiden; auf Clausewitz Rath entschloß
sich Phull nach schwerem Kampf, dem Bruche zuvorzukommen und dem Kaiser
selbst zu rathen, daß er den Oberbefehl ganz in BarclayS Hände legen möge.
Seitdem wohnte Phull dem Kriegsrath nicht mehr bei; statt seines Planes,
daß die beiden Armeen getrennt operiren sollten, wurde jetzt der leitende Ge¬
sichtspunkt, ihre Vereinigung zu bewerkstelligen. Dies führte zu dem weitern
Rückzüge, der wiederum nicht in der Absicht unternommen wurde, Raum zu ge¬
winnen, in dem das feindliche Heer sich verlieren sollte, sondern lediglich in der
Meinung, daß man nach der Vereinigung mit Bagration stark genug sein werde,
eine entscheidende Schlacht zu liefern. Das letztere blieb BarclayS und des
Kaisers Wunsch; nur der Umstand, daß Barclay vor dem entscheidenden
Augenblick stets die Unzulänglichkeit seiner Mittel fühlte, seine Hoffnung auf
die Reserven, die sein Heer verstärken sollten und auf die furchtbaren Verluste,
die der Feind schon bei seinem bisherigen Vordringen erlitten, — mir dieser
Umstand bewahrte Nußland davor, die Entscheidung des Feldzugs einer
Schlacht anzuvertrauen, in der Barclay den Kürzern gezogen haben würde.
Toll war bis zur Ankunft in Drissa Abtheilungsdirector in der Kanzlei
deö Generalquartiermeisters der Armee BarclayS; in Drissa wurde er selbst
zum Gcneralquartiermeister ernannt, und seitdem kann er als die vorzüglichste
Quelle für die Kenntniß der Motive betrachtet werden, welche den russischen
Rückzug veranlaßten. Aus den zahlreichen interessanten Details, die Herr von
Bernhard! mittheilt, können wir schließen, daß auch die Reichhaltigkeit der ei¬
genhändigen Aufzeichnungen, die er hinterlassen, in demselben Maße wächst,
je einflußreicher die Stellungen sind, in die er hinaufrückt, und es unterliegt
keinen Zweifel, daß Herrn von Bernhardts Werk als die sicherste und beste
Quelle für die Geschichte jenes Feldzuges betrachtet werden wird, sobald es
dem Verfasser gefallen sollte, für das bisher Gegebene eine nachträgliche Ueber¬
sicht der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel zu liefern und in den folgenden
Bänden die Quelle seiner Kenntniß bei den einzelnen wichtigen Punkten spe¬
cieller zu bezeichnen. Wir glauben um so mehr auf die Beachtung dieses
Winkes rechnen zu dürfen, als wir mit Bestimmtheit annehmen, daß der Ver¬
fasser schon jetzt mehrmals in der Lage gewesen sein wird, solchen Personen,
auf deren Urtheil er Werth legt, derartige Aufklärungen zu geben und sich so
durch eigne Erfahrung zu überzeugen, daß sie für eine richtige Würdigung
seiner Arbeit wirklich unerläßlich sind.
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