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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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nöthig. ES ergibt sich aus dem Buche selbst; hoffentlich gewährt dies dem
Leser die Ueberzeugung, daß der Verfasser über manches gut unterrichtet ist,
und einfach und redlich sagt, was er weiß." Aus dem Buche selbst ergibt sich
nun, daß der Verfasser mit dem Grafen Toll in persönlichem Verkehr gestanden
hat und daß ihm auch Papiere desselben vorlagen; aber in den allermeisten
Fällen bleiben wir über die Quellen seines Berichtes ganz im Dunkeln und
lediglich auf seine "Redlichkeit" verwiesen. Der Verfasser hat offenbar in dem
Bewußtsein seiner lautern Absicht, der Geschichte einen Dienst zu erweisen,
die gerechtfertigten Ansprüche der Historiker nicht ausreichend gewürdigt; da er
bei den von ihm dargestellten Ereignissen nicht selbst betheiligt war, die meisten
derselben vielmehr einer vergangenen Generation angehören und da über seine
persönlichen Lebensverhältnisse dem größern Publicum nichts bekannt ist, so ist
es vollkommen gerechtfertigt, wenn der Historiker verlangt, daß ihm bei allen
wichtigen Punkten durch eine specielle Angabe, ob sie sich auf die hinterlasse¬
nen Papiere oder aus mündliche Aeußerungen des Grafen Toll stützen oder ob
der Versasser nur angibt, was er von dritten Personen erkundet hat, ein Ma߬
stab für die Kritik und überhaupt die Möglichkeit eines Urtheils dargeboten
wird. Auch bei vielen Räsonnements ist es wünschenswert!) zu wissen, in
wie weit sie den Anschauungen des Grafen Toll entsprechen oder ob sie indivi¬
duelles Eigenthum des Herausgebers sind; denn selbst Irrthümer Tolls können
für die Geschichte ein höheres Interesse besitzen, als die treffendsten Urtheile
unbetheiligter Personen.

Wir wünschen demnach lebhaft, daß der geehrte Verfasser diesem erheblichen
Mangel seiner Arbeit bei den folgenden Bänden abhelfen und ihr den Werth
einer authentischen Darstellung verleihen möge, auf den sie, wie wir glauben,
gerechten Anspruch erheben kann. Wir müssen uns hier, um jede unerwünschte
Indiscretion zu vermeiden, auf die Anmerkung beschränken, daß Herr von Bern¬
hard! in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Grafen Toll steht,
indem wir voraussetzen, daß er selbst über seine persönlichen Verhältnisse dem
Publicum nachträglich so viel mittheilen wird, als zur Würdigung seines Werks
nothwendig ist. Was wir darüber erfragen konnten, hat dazu beigetragen,
den Eindruck der Glaubwürdigkeit, den die Arbeit hinterläßt, zu befestigen und
wir nehmen deshalb schon jetzt keinen Anstand, unsre Leser auf diese wichtige
und interessante Bereicherung unsrer historischen Literatur angelegentlichst auf¬
merksam zu machen.

Setzen wir voraus, daß Herrn von Bernhardts Bericht sich im Wesent¬
lichen auf Tolls schriftliche oder mündliche Mittheilungen stützt, so gewinnen
wir für die Bedeutung der einzelnen Theile desselben einen Maßstab in den
Stellungen, welche Toll zur Zeit der Begebenheiten einnahm. Carl Friedrich
von Toll stammte aus einem verarmten Zweige eines alten, ursprünglich nieder-


nöthig. ES ergibt sich aus dem Buche selbst; hoffentlich gewährt dies dem
Leser die Ueberzeugung, daß der Verfasser über manches gut unterrichtet ist,
und einfach und redlich sagt, was er weiß." Aus dem Buche selbst ergibt sich
nun, daß der Verfasser mit dem Grafen Toll in persönlichem Verkehr gestanden
hat und daß ihm auch Papiere desselben vorlagen; aber in den allermeisten
Fällen bleiben wir über die Quellen seines Berichtes ganz im Dunkeln und
lediglich auf seine „Redlichkeit" verwiesen. Der Verfasser hat offenbar in dem
Bewußtsein seiner lautern Absicht, der Geschichte einen Dienst zu erweisen,
die gerechtfertigten Ansprüche der Historiker nicht ausreichend gewürdigt; da er
bei den von ihm dargestellten Ereignissen nicht selbst betheiligt war, die meisten
derselben vielmehr einer vergangenen Generation angehören und da über seine
persönlichen Lebensverhältnisse dem größern Publicum nichts bekannt ist, so ist
es vollkommen gerechtfertigt, wenn der Historiker verlangt, daß ihm bei allen
wichtigen Punkten durch eine specielle Angabe, ob sie sich auf die hinterlasse¬
nen Papiere oder aus mündliche Aeußerungen des Grafen Toll stützen oder ob
der Versasser nur angibt, was er von dritten Personen erkundet hat, ein Ma߬
stab für die Kritik und überhaupt die Möglichkeit eines Urtheils dargeboten
wird. Auch bei vielen Räsonnements ist es wünschenswert!) zu wissen, in
wie weit sie den Anschauungen des Grafen Toll entsprechen oder ob sie indivi¬
duelles Eigenthum des Herausgebers sind; denn selbst Irrthümer Tolls können
für die Geschichte ein höheres Interesse besitzen, als die treffendsten Urtheile
unbetheiligter Personen.

Wir wünschen demnach lebhaft, daß der geehrte Verfasser diesem erheblichen
Mangel seiner Arbeit bei den folgenden Bänden abhelfen und ihr den Werth
einer authentischen Darstellung verleihen möge, auf den sie, wie wir glauben,
gerechten Anspruch erheben kann. Wir müssen uns hier, um jede unerwünschte
Indiscretion zu vermeiden, auf die Anmerkung beschränken, daß Herr von Bern¬
hard! in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Grafen Toll steht,
indem wir voraussetzen, daß er selbst über seine persönlichen Verhältnisse dem
Publicum nachträglich so viel mittheilen wird, als zur Würdigung seines Werks
nothwendig ist. Was wir darüber erfragen konnten, hat dazu beigetragen,
den Eindruck der Glaubwürdigkeit, den die Arbeit hinterläßt, zu befestigen und
wir nehmen deshalb schon jetzt keinen Anstand, unsre Leser auf diese wichtige
und interessante Bereicherung unsrer historischen Literatur angelegentlichst auf¬
merksam zu machen.

Setzen wir voraus, daß Herrn von Bernhardts Bericht sich im Wesent¬
lichen auf Tolls schriftliche oder mündliche Mittheilungen stützt, so gewinnen
wir für die Bedeutung der einzelnen Theile desselben einen Maßstab in den
Stellungen, welche Toll zur Zeit der Begebenheiten einnahm. Carl Friedrich
von Toll stammte aus einem verarmten Zweige eines alten, ursprünglich nieder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/341>, abgerufen am 23.07.2024.