Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Seid Ihr alle marschirt? -- Ja, daist niemand mehr drinnen als die Kranken
und was sie gefangen genommen. --0 IVIoncliLuI sagte er, wir müssen wieder
hinein, und sollten wir alle davor sitzen bleiben, wo sind Eure Herrn Majors?
Im schwallunger Wirthshaus. -- Darauf rief er: Allons Kinder! zumarschirt,
und jagte was er konnte nach dem Wirthshause zu, wo er sie wol bei einer
guten Bouteille Wein angetroffen haben mochte, den guten Abend aber und
das Compliment, so er ihnen geboten haben mag, habe ich nicht gehört- --

So weit der wackere Rauch. -- In seinem weitern Verlaufe erzählt das
Tagebuch, wie die gothaischen Truppen sich ernannten, wieder nach Wasungen
zurückzogen, dort die Meininger, welche ebenfalls eifrig waren, wegzulaufen,
herausschlugen und sich von neuem festsetzten.

Unterdeß war in Meiningen selbst die größte Bestürzung, und in dieser
Gemüthsstimmung setzte man Frau von Gleichen mit ihrem Manne in einen
Wagen und schickte sie den gothaischen Truppen zu. Dort war man aber gar nicht
erfreut, die Veranlassung der Händel beseitigt zu sehen, und die armen Hof¬
chargen fanden einen sehr kalten Empfang. Beider Gesundheit war durch
Aerger, Gram und die lange' Kerkerhaft gebrochen, schon im Jahre
starb Herr von Gleichen und bald darauf seine Frau. Unterdeß schwirrten
die Flugschriften und die Promemorias, Mandate des Neichskammergerichts
und ministerielle Sendschreiben über diese Affaire in Deutschland hin und her,
die gothaischen Truppen hielten Wasungen besetzt, Anton Ulrich weigerte
sich hartnäckig, die Entschädigungsansprüche Gothas anzuerkennen, und zahl¬
reiche fürstliche Stimmen wurden laut, welche den Spruch des Neichskammer¬
gerichts und die Erecution der Gothaer als eine Verletzung der Souveränitäts¬
rechte eines deutschen Regenten verurtheilten. Das that auch Friedrich der
Große.

Da, als der Herzog von'Gotha grade in zweifelhafter Situation war,
bot sich für ihn eine neue Aussicht und ein neues Streitobjeet. Der Herzog
von Weimar war gestorben und hatte verfügt, daß sein Vetter in Gotha wäh¬
rend der Minderjährigkeit seines einzigen Sohnes die Vormundschaft führen
sollte. Schnell setzte sich der Herzog von Gotha in den Besitz der Vormund¬
schaft, ließ sich huldigen, und wieder entbrannte ein heftiger Zank mit Anton
Ulrich und dem Herzog von Kobmg, welche das' Recht der Gothaer auf die
Vormundschaft bestritten. Da stellte Friedrich it. von Preußen dem bedräng¬
ten Herzog von Gotha seine guten Dienste in Aussicht, wenn dieser ihm die
auserwählte Gardemannschaft von Weimar, 200 Mann, als ein kleines
Geschenk offeriren und ihn dadurch obligiren wollte. Dies geschal). Mit
200 Mann weimarischer Garde erkaufte sich der Herzog von Gotha seine Be¬
stätigung als Administrator dieses Landes und die Beendigung des wasunger
Streites. Zweihundert Landeskinder von Weimar, welche der Streit gar nichts


Seid Ihr alle marschirt? — Ja, daist niemand mehr drinnen als die Kranken
und was sie gefangen genommen. —0 IVIoncliLuI sagte er, wir müssen wieder
hinein, und sollten wir alle davor sitzen bleiben, wo sind Eure Herrn Majors?
Im schwallunger Wirthshaus. — Darauf rief er: Allons Kinder! zumarschirt,
und jagte was er konnte nach dem Wirthshause zu, wo er sie wol bei einer
guten Bouteille Wein angetroffen haben mochte, den guten Abend aber und
das Compliment, so er ihnen geboten haben mag, habe ich nicht gehört- —

So weit der wackere Rauch. — In seinem weitern Verlaufe erzählt das
Tagebuch, wie die gothaischen Truppen sich ernannten, wieder nach Wasungen
zurückzogen, dort die Meininger, welche ebenfalls eifrig waren, wegzulaufen,
herausschlugen und sich von neuem festsetzten.

Unterdeß war in Meiningen selbst die größte Bestürzung, und in dieser
Gemüthsstimmung setzte man Frau von Gleichen mit ihrem Manne in einen
Wagen und schickte sie den gothaischen Truppen zu. Dort war man aber gar nicht
erfreut, die Veranlassung der Händel beseitigt zu sehen, und die armen Hof¬
chargen fanden einen sehr kalten Empfang. Beider Gesundheit war durch
Aerger, Gram und die lange' Kerkerhaft gebrochen, schon im Jahre
starb Herr von Gleichen und bald darauf seine Frau. Unterdeß schwirrten
die Flugschriften und die Promemorias, Mandate des Neichskammergerichts
und ministerielle Sendschreiben über diese Affaire in Deutschland hin und her,
die gothaischen Truppen hielten Wasungen besetzt, Anton Ulrich weigerte
sich hartnäckig, die Entschädigungsansprüche Gothas anzuerkennen, und zahl¬
reiche fürstliche Stimmen wurden laut, welche den Spruch des Neichskammer¬
gerichts und die Erecution der Gothaer als eine Verletzung der Souveränitäts¬
rechte eines deutschen Regenten verurtheilten. Das that auch Friedrich der
Große.

Da, als der Herzog von'Gotha grade in zweifelhafter Situation war,
bot sich für ihn eine neue Aussicht und ein neues Streitobjeet. Der Herzog
von Weimar war gestorben und hatte verfügt, daß sein Vetter in Gotha wäh¬
rend der Minderjährigkeit seines einzigen Sohnes die Vormundschaft führen
sollte. Schnell setzte sich der Herzog von Gotha in den Besitz der Vormund¬
schaft, ließ sich huldigen, und wieder entbrannte ein heftiger Zank mit Anton
Ulrich und dem Herzog von Kobmg, welche das' Recht der Gothaer auf die
Vormundschaft bestritten. Da stellte Friedrich it. von Preußen dem bedräng¬
ten Herzog von Gotha seine guten Dienste in Aussicht, wenn dieser ihm die
auserwählte Gardemannschaft von Weimar, 200 Mann, als ein kleines
Geschenk offeriren und ihn dadurch obligiren wollte. Dies geschal). Mit
200 Mann weimarischer Garde erkaufte sich der Herzog von Gotha seine Be¬
stätigung als Administrator dieses Landes und die Beendigung des wasunger
Streites. Zweihundert Landeskinder von Weimar, welche der Streit gar nichts


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101027"/>
            <p xml:id="ID_81" prev="#ID_80"> Seid Ihr alle marschirt? &#x2014; Ja, daist niemand mehr drinnen als die Kranken<lb/>
und was sie gefangen genommen. &#x2014;0 IVIoncliLuI sagte er, wir müssen wieder<lb/>
hinein, und sollten wir alle davor sitzen bleiben, wo sind Eure Herrn Majors?<lb/>
Im schwallunger Wirthshaus. &#x2014; Darauf rief er: Allons Kinder! zumarschirt,<lb/>
und jagte was er konnte nach dem Wirthshause zu, wo er sie wol bei einer<lb/>
guten Bouteille Wein angetroffen haben mochte, den guten Abend aber und<lb/>
das Compliment, so er ihnen geboten haben mag, habe ich nicht gehört- &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_82"> So weit der wackere Rauch. &#x2014; In seinem weitern Verlaufe erzählt das<lb/>
Tagebuch, wie die gothaischen Truppen sich ernannten, wieder nach Wasungen<lb/>
zurückzogen, dort die Meininger, welche ebenfalls eifrig waren, wegzulaufen,<lb/>
herausschlugen und sich von neuem festsetzten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_83"> Unterdeß war in Meiningen selbst die größte Bestürzung, und in dieser<lb/>
Gemüthsstimmung setzte man Frau von Gleichen mit ihrem Manne in einen<lb/>
Wagen und schickte sie den gothaischen Truppen zu. Dort war man aber gar nicht<lb/>
erfreut, die Veranlassung der Händel beseitigt zu sehen, und die armen Hof¬<lb/>
chargen fanden einen sehr kalten Empfang. Beider Gesundheit war durch<lb/>
Aerger, Gram und die lange' Kerkerhaft gebrochen, schon im Jahre<lb/>
starb Herr von Gleichen und bald darauf seine Frau. Unterdeß schwirrten<lb/>
die Flugschriften und die Promemorias, Mandate des Neichskammergerichts<lb/>
und ministerielle Sendschreiben über diese Affaire in Deutschland hin und her,<lb/>
die gothaischen Truppen hielten Wasungen besetzt, Anton Ulrich weigerte<lb/>
sich hartnäckig, die Entschädigungsansprüche Gothas anzuerkennen, und zahl¬<lb/>
reiche fürstliche Stimmen wurden laut, welche den Spruch des Neichskammer¬<lb/>
gerichts und die Erecution der Gothaer als eine Verletzung der Souveränitäts¬<lb/>
rechte eines deutschen Regenten verurtheilten. Das that auch Friedrich der<lb/>
Große.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_84" next="#ID_85"> Da, als der Herzog von'Gotha grade in zweifelhafter Situation war,<lb/>
bot sich für ihn eine neue Aussicht und ein neues Streitobjeet. Der Herzog<lb/>
von Weimar war gestorben und hatte verfügt, daß sein Vetter in Gotha wäh¬<lb/>
rend der Minderjährigkeit seines einzigen Sohnes die Vormundschaft führen<lb/>
sollte. Schnell setzte sich der Herzog von Gotha in den Besitz der Vormund¬<lb/>
schaft, ließ sich huldigen, und wieder entbrannte ein heftiger Zank mit Anton<lb/>
Ulrich und dem Herzog von Kobmg, welche das' Recht der Gothaer auf die<lb/>
Vormundschaft bestritten. Da stellte Friedrich it. von Preußen dem bedräng¬<lb/>
ten Herzog von Gotha seine guten Dienste in Aussicht, wenn dieser ihm die<lb/>
auserwählte Gardemannschaft von Weimar, 200 Mann, als ein kleines<lb/>
Geschenk offeriren und ihn dadurch obligiren wollte. Dies geschal). Mit<lb/>
200 Mann weimarischer Garde erkaufte sich der Herzog von Gotha seine Be¬<lb/>
stätigung als Administrator dieses Landes und die Beendigung des wasunger<lb/>
Streites.  Zweihundert Landeskinder von Weimar, welche der Streit gar nichts</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0034] Seid Ihr alle marschirt? — Ja, daist niemand mehr drinnen als die Kranken und was sie gefangen genommen. —0 IVIoncliLuI sagte er, wir müssen wieder hinein, und sollten wir alle davor sitzen bleiben, wo sind Eure Herrn Majors? Im schwallunger Wirthshaus. — Darauf rief er: Allons Kinder! zumarschirt, und jagte was er konnte nach dem Wirthshause zu, wo er sie wol bei einer guten Bouteille Wein angetroffen haben mochte, den guten Abend aber und das Compliment, so er ihnen geboten haben mag, habe ich nicht gehört- — So weit der wackere Rauch. — In seinem weitern Verlaufe erzählt das Tagebuch, wie die gothaischen Truppen sich ernannten, wieder nach Wasungen zurückzogen, dort die Meininger, welche ebenfalls eifrig waren, wegzulaufen, herausschlugen und sich von neuem festsetzten. Unterdeß war in Meiningen selbst die größte Bestürzung, und in dieser Gemüthsstimmung setzte man Frau von Gleichen mit ihrem Manne in einen Wagen und schickte sie den gothaischen Truppen zu. Dort war man aber gar nicht erfreut, die Veranlassung der Händel beseitigt zu sehen, und die armen Hof¬ chargen fanden einen sehr kalten Empfang. Beider Gesundheit war durch Aerger, Gram und die lange' Kerkerhaft gebrochen, schon im Jahre starb Herr von Gleichen und bald darauf seine Frau. Unterdeß schwirrten die Flugschriften und die Promemorias, Mandate des Neichskammergerichts und ministerielle Sendschreiben über diese Affaire in Deutschland hin und her, die gothaischen Truppen hielten Wasungen besetzt, Anton Ulrich weigerte sich hartnäckig, die Entschädigungsansprüche Gothas anzuerkennen, und zahl¬ reiche fürstliche Stimmen wurden laut, welche den Spruch des Neichskammer¬ gerichts und die Erecution der Gothaer als eine Verletzung der Souveränitäts¬ rechte eines deutschen Regenten verurtheilten. Das that auch Friedrich der Große. Da, als der Herzog von'Gotha grade in zweifelhafter Situation war, bot sich für ihn eine neue Aussicht und ein neues Streitobjeet. Der Herzog von Weimar war gestorben und hatte verfügt, daß sein Vetter in Gotha wäh¬ rend der Minderjährigkeit seines einzigen Sohnes die Vormundschaft führen sollte. Schnell setzte sich der Herzog von Gotha in den Besitz der Vormund¬ schaft, ließ sich huldigen, und wieder entbrannte ein heftiger Zank mit Anton Ulrich und dem Herzog von Kobmg, welche das' Recht der Gothaer auf die Vormundschaft bestritten. Da stellte Friedrich it. von Preußen dem bedräng¬ ten Herzog von Gotha seine guten Dienste in Aussicht, wenn dieser ihm die auserwählte Gardemannschaft von Weimar, 200 Mann, als ein kleines Geschenk offeriren und ihn dadurch obligiren wollte. Dies geschal). Mit 200 Mann weimarischer Garde erkaufte sich der Herzog von Gotha seine Be¬ stätigung als Administrator dieses Landes und die Beendigung des wasunger Streites. Zweihundert Landeskinder von Weimar, welche der Streit gar nichts

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/34
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/34>, abgerufen am 25.08.2024.