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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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zum Gewinn listig, auch gewaltthätig, oder benutzten die Gewaltthätigkeit andrer
zu eignem Vortheil. Sie brachten den griechischen Häuptlingen köstliche, bunte
Prachtgewänder, Schmuck und künstliche Gefäße von Gold und Silber, die
man in Griechenland noch nicht zu arbeiten verstand, und daß in den Königs¬
häusern Zinn, Elfenbein und Elektrum prangte, war eine Frucht des phöni-
zischen Handels mit dem fernsten Osten, so wie mit dem fernsten Westen. Was
übrigens das Elektrum war, das geht aus Homer nicht hervor. An vielen
Stellen kann man es allerdings sür Bernstein halten, an andern durchaus
nicht, und vielleicht bedeutet der Name nichts Anderes, als: glänzendes Edel-
gestein.

Geprägtes Geld kannten die Griechen nicht, die Werthe wurden nach
Rindern abgeschätzt; eine kostbare Rüstung galt hundert, eine gewöhnliche neun
Rinder. Waffen und Geräthe wurden in der Regel aus Kupfer verfertigt,
Prunkgeräthe aus Gold; zwar wurde auch Eisen zu Waffen, und Silber zu
Kostbarkeiten verarbeitet, aber jene beiden andern Metalle ragen ganz unver-
hältnißmäßig vor; für Goldschmied und Kupferschmied finden sich Namen bei
Homer, für Eisen" und Silberarbeiter keine. Schömann, der dies bestritten
hat, hätte aus der von Grote nachgewiesenen Analogie des alten Griechen¬
lands mit andern halbcivilisirten Ländern sich eines Bessern belehren können.
Wol überall in Europa ist auf die älteste Periode, in der alle Waffen und
Geräthschaften aus Stein oder Knochen gemacht wurden, und deren Fabrikate
aus den Südseeinseln genau so aussehn wie in Skandinavien, zunächst ein
Zeitalter gefolgt, wo Kupfer und Gold allgemein im Gebrauch waren, und
zuletzt erst die Eisen- und Silberperiode. In der letzten Zeit der Bronzeperiode
fing man schon an diese beiden Metalle zu bearbeiten, aber sie waren noch
selten, und in diese fallen grade die von Homer geschilderten Zustände. Wenn
z. B. hin und wieder eiserne Geräthe erwähnt werden, eiserne Pfeilspitzen und
Schlachtmesser, so findet auch diese Erscheinung ihre vollständige Analogie in
der Uebergangsperiode zwischen dem zweiten und dritten Zeitalter in den skan¬
dinavischen Ländern. Das Museum sür nordische Alterthümer in Kopenhagen,
das überhaupt für die Zustände dieser drei Perioden die umfangreichste und
bestgeordnete Anschauung bietet, enthält kupferne Aerte mit eiserner Schneide,
offenbar in einer Zeit verfertigt, wo das letztere Metall seltener und theurer
war als das erstere. 'Es ist merkwürdig, daß die homerische Zeit mit der
skandinavischen Bronzeperiode noch in andern Eigenthümlichkeiten zusammentrifft.
Beide Zeitalter kannten keine Schreibkunst und kein geprägtes Geld, und in
beiden wurden die Todten nicht begraben, sondern verbrannt.

Die Kriegführung der homerischen Griechen war durchaus der der spätern
entgegengesetzt. Auch hier wie überall waren es wenige hervorragende Per¬
sönlichkeiten, die den Kampf führten und entschieden, später wohlgeordnete, ge-


Grenzboten. I. 18L6. 42

zum Gewinn listig, auch gewaltthätig, oder benutzten die Gewaltthätigkeit andrer
zu eignem Vortheil. Sie brachten den griechischen Häuptlingen köstliche, bunte
Prachtgewänder, Schmuck und künstliche Gefäße von Gold und Silber, die
man in Griechenland noch nicht zu arbeiten verstand, und daß in den Königs¬
häusern Zinn, Elfenbein und Elektrum prangte, war eine Frucht des phöni-
zischen Handels mit dem fernsten Osten, so wie mit dem fernsten Westen. Was
übrigens das Elektrum war, das geht aus Homer nicht hervor. An vielen
Stellen kann man es allerdings sür Bernstein halten, an andern durchaus
nicht, und vielleicht bedeutet der Name nichts Anderes, als: glänzendes Edel-
gestein.

Geprägtes Geld kannten die Griechen nicht, die Werthe wurden nach
Rindern abgeschätzt; eine kostbare Rüstung galt hundert, eine gewöhnliche neun
Rinder. Waffen und Geräthe wurden in der Regel aus Kupfer verfertigt,
Prunkgeräthe aus Gold; zwar wurde auch Eisen zu Waffen, und Silber zu
Kostbarkeiten verarbeitet, aber jene beiden andern Metalle ragen ganz unver-
hältnißmäßig vor; für Goldschmied und Kupferschmied finden sich Namen bei
Homer, für Eisen» und Silberarbeiter keine. Schömann, der dies bestritten
hat, hätte aus der von Grote nachgewiesenen Analogie des alten Griechen¬
lands mit andern halbcivilisirten Ländern sich eines Bessern belehren können.
Wol überall in Europa ist auf die älteste Periode, in der alle Waffen und
Geräthschaften aus Stein oder Knochen gemacht wurden, und deren Fabrikate
aus den Südseeinseln genau so aussehn wie in Skandinavien, zunächst ein
Zeitalter gefolgt, wo Kupfer und Gold allgemein im Gebrauch waren, und
zuletzt erst die Eisen- und Silberperiode. In der letzten Zeit der Bronzeperiode
fing man schon an diese beiden Metalle zu bearbeiten, aber sie waren noch
selten, und in diese fallen grade die von Homer geschilderten Zustände. Wenn
z. B. hin und wieder eiserne Geräthe erwähnt werden, eiserne Pfeilspitzen und
Schlachtmesser, so findet auch diese Erscheinung ihre vollständige Analogie in
der Uebergangsperiode zwischen dem zweiten und dritten Zeitalter in den skan¬
dinavischen Ländern. Das Museum sür nordische Alterthümer in Kopenhagen,
das überhaupt für die Zustände dieser drei Perioden die umfangreichste und
bestgeordnete Anschauung bietet, enthält kupferne Aerte mit eiserner Schneide,
offenbar in einer Zeit verfertigt, wo das letztere Metall seltener und theurer
war als das erstere. 'Es ist merkwürdig, daß die homerische Zeit mit der
skandinavischen Bronzeperiode noch in andern Eigenthümlichkeiten zusammentrifft.
Beide Zeitalter kannten keine Schreibkunst und kein geprägtes Geld, und in
beiden wurden die Todten nicht begraben, sondern verbrannt.

Die Kriegführung der homerischen Griechen war durchaus der der spätern
entgegengesetzt. Auch hier wie überall waren es wenige hervorragende Per¬
sönlichkeiten, die den Kampf führten und entschieden, später wohlgeordnete, ge-


Grenzboten. I. 18L6. 42
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[0337] zum Gewinn listig, auch gewaltthätig, oder benutzten die Gewaltthätigkeit andrer zu eignem Vortheil. Sie brachten den griechischen Häuptlingen köstliche, bunte Prachtgewänder, Schmuck und künstliche Gefäße von Gold und Silber, die man in Griechenland noch nicht zu arbeiten verstand, und daß in den Königs¬ häusern Zinn, Elfenbein und Elektrum prangte, war eine Frucht des phöni- zischen Handels mit dem fernsten Osten, so wie mit dem fernsten Westen. Was übrigens das Elektrum war, das geht aus Homer nicht hervor. An vielen Stellen kann man es allerdings sür Bernstein halten, an andern durchaus nicht, und vielleicht bedeutet der Name nichts Anderes, als: glänzendes Edel- gestein. Geprägtes Geld kannten die Griechen nicht, die Werthe wurden nach Rindern abgeschätzt; eine kostbare Rüstung galt hundert, eine gewöhnliche neun Rinder. Waffen und Geräthe wurden in der Regel aus Kupfer verfertigt, Prunkgeräthe aus Gold; zwar wurde auch Eisen zu Waffen, und Silber zu Kostbarkeiten verarbeitet, aber jene beiden andern Metalle ragen ganz unver- hältnißmäßig vor; für Goldschmied und Kupferschmied finden sich Namen bei Homer, für Eisen» und Silberarbeiter keine. Schömann, der dies bestritten hat, hätte aus der von Grote nachgewiesenen Analogie des alten Griechen¬ lands mit andern halbcivilisirten Ländern sich eines Bessern belehren können. Wol überall in Europa ist auf die älteste Periode, in der alle Waffen und Geräthschaften aus Stein oder Knochen gemacht wurden, und deren Fabrikate aus den Südseeinseln genau so aussehn wie in Skandinavien, zunächst ein Zeitalter gefolgt, wo Kupfer und Gold allgemein im Gebrauch waren, und zuletzt erst die Eisen- und Silberperiode. In der letzten Zeit der Bronzeperiode fing man schon an diese beiden Metalle zu bearbeiten, aber sie waren noch selten, und in diese fallen grade die von Homer geschilderten Zustände. Wenn z. B. hin und wieder eiserne Geräthe erwähnt werden, eiserne Pfeilspitzen und Schlachtmesser, so findet auch diese Erscheinung ihre vollständige Analogie in der Uebergangsperiode zwischen dem zweiten und dritten Zeitalter in den skan¬ dinavischen Ländern. Das Museum sür nordische Alterthümer in Kopenhagen, das überhaupt für die Zustände dieser drei Perioden die umfangreichste und bestgeordnete Anschauung bietet, enthält kupferne Aerte mit eiserner Schneide, offenbar in einer Zeit verfertigt, wo das letztere Metall seltener und theurer war als das erstere. 'Es ist merkwürdig, daß die homerische Zeit mit der skandinavischen Bronzeperiode noch in andern Eigenthümlichkeiten zusammentrifft. Beide Zeitalter kannten keine Schreibkunst und kein geprägtes Geld, und in beiden wurden die Todten nicht begraben, sondern verbrannt. Die Kriegführung der homerischen Griechen war durchaus der der spätern entgegengesetzt. Auch hier wie überall waren es wenige hervorragende Per¬ sönlichkeiten, die den Kampf führten und entschieden, später wohlgeordnete, ge- Grenzboten. I. 18L6. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/337>, abgerufen am 23.07.2024.