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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Der Unzufriedenheit mit dieser Lage kam Sachsen entgegen und veranlaßte
Preußen, sich mit ihm über den Entwurf eines Bundesbeschlusses zu vereinigen,
der nach Abstreifung des diplomatischen Beiwerks allerdings die Aufrechthaltung
der fünf Punkte, aber nur unter einer Bedingung zusagt, der Bedingung, daß
der Bund als Gesammtmacht zu den Friedensconferenzen zugelassen werde.

Wenn Preußen nicht als europäische Großmacht zugelassen wird, darf
mau darauf rechnen, daß es als Vertreter einer Macht zugelassen werden sollte,
die, wenn man ihr überhaupt den Charakter einer nicht blos fingirten Einheit
zugestehen will, doch nur eine Macht zweiten Ranges ist? Dazu kommt noch,
daß unzweifelhaft die Mittelstaaten viel lieber durch einen eignen Gesandten
aus ihrer Mitte als durch einen preußischen und etwa östreichischen vertreten
sein wollen. Und endlich, während Preußen als Großmacht mit vollstem Recht
Theilnahme an den Conferenzen fordern kann, kann auch der Bund als solcher
diese Theilnahme fordern? Diese Frage ist mit voller Entschiedenheit zu ver¬
neinen. D^r Bund,^ ganz abgesehen von seiner nur fingirten Einheit, hat
nicht besseren Anspruch, als Belgien, Holland, Parma, Neapel an der Regu-
lirung der orientalischen Frage Theil zu nehmen und waS würde man davon
sagen, wenn es einem dieser Staaten einfiele, zu fordern,.an den pariser
Friedensconferenzen Theil zu nehmen? Allerdings nimmt Sardinien daran Theil,
aber Sardinien ist kriegführende Macht.

Und sollte es politische Gründe geben, welche die Verbündeten bestimmen
könnten, den Wunsch des Bundes zu erfüllen? Etwa das vieldeutige Ver¬
sprechen, die Präliminarien aufrecht zu erhalten, geleistet von Staaten, deren
Mehrzahl notorisch jedem Kriege gegen Rußland abgeneigt ist?

Kurz, der von Preußen eingeschlagene Weg kann nicht zu", Ziele führen,
er kann bei den Westmächten nur den Glauben erwecken, daß Preußen Oest¬
reich d. h. ihnen selbst die Unterstützung des Bundes entziehen, und Rußland
einen neuen Dienst leisten will.

Oestreich hat noch in den ersten Tagen dieses Monats Preußen Vor¬
schläge zur Ausgleichung gemacht. Oestreich erklärte sich bereit, aus die An¬
eignung der Präliminarien Seitens des Bundes zu verzichten, der Bund möge
dann nur das Vertrauen aussprechen, daß Oestreich und Preußen seine In,
teressen bei den Conferenzen wahrnehmen würden.

Preußen hat, da es sich nicht mit einer Phrase begnügen will, diese Vor¬
schläge abgelehnt, und bei vollkommner Uneinigkeit kann die Bundesversamm¬
lung fürs erste zu keinem Beschluß kommen.

Wie dieser Beschluß aber auch ausfallen wird, er wird Preußen die Thüren
des pariser ConferenzsaaleS nicht öffnen und wird zu den vielen vergeblichen
Unternehmungen nur eine neue fügen.

Nachdem man in Berlin gesehen, daß Preußen als Großmacht zu den


Der Unzufriedenheit mit dieser Lage kam Sachsen entgegen und veranlaßte
Preußen, sich mit ihm über den Entwurf eines Bundesbeschlusses zu vereinigen,
der nach Abstreifung des diplomatischen Beiwerks allerdings die Aufrechthaltung
der fünf Punkte, aber nur unter einer Bedingung zusagt, der Bedingung, daß
der Bund als Gesammtmacht zu den Friedensconferenzen zugelassen werde.

Wenn Preußen nicht als europäische Großmacht zugelassen wird, darf
mau darauf rechnen, daß es als Vertreter einer Macht zugelassen werden sollte,
die, wenn man ihr überhaupt den Charakter einer nicht blos fingirten Einheit
zugestehen will, doch nur eine Macht zweiten Ranges ist? Dazu kommt noch,
daß unzweifelhaft die Mittelstaaten viel lieber durch einen eignen Gesandten
aus ihrer Mitte als durch einen preußischen und etwa östreichischen vertreten
sein wollen. Und endlich, während Preußen als Großmacht mit vollstem Recht
Theilnahme an den Conferenzen fordern kann, kann auch der Bund als solcher
diese Theilnahme fordern? Diese Frage ist mit voller Entschiedenheit zu ver¬
neinen. D^r Bund,^ ganz abgesehen von seiner nur fingirten Einheit, hat
nicht besseren Anspruch, als Belgien, Holland, Parma, Neapel an der Regu-
lirung der orientalischen Frage Theil zu nehmen und waS würde man davon
sagen, wenn es einem dieser Staaten einfiele, zu fordern,.an den pariser
Friedensconferenzen Theil zu nehmen? Allerdings nimmt Sardinien daran Theil,
aber Sardinien ist kriegführende Macht.

Und sollte es politische Gründe geben, welche die Verbündeten bestimmen
könnten, den Wunsch des Bundes zu erfüllen? Etwa das vieldeutige Ver¬
sprechen, die Präliminarien aufrecht zu erhalten, geleistet von Staaten, deren
Mehrzahl notorisch jedem Kriege gegen Rußland abgeneigt ist?

Kurz, der von Preußen eingeschlagene Weg kann nicht zu», Ziele führen,
er kann bei den Westmächten nur den Glauben erwecken, daß Preußen Oest¬
reich d. h. ihnen selbst die Unterstützung des Bundes entziehen, und Rußland
einen neuen Dienst leisten will.

Oestreich hat noch in den ersten Tagen dieses Monats Preußen Vor¬
schläge zur Ausgleichung gemacht. Oestreich erklärte sich bereit, aus die An¬
eignung der Präliminarien Seitens des Bundes zu verzichten, der Bund möge
dann nur das Vertrauen aussprechen, daß Oestreich und Preußen seine In,
teressen bei den Conferenzen wahrnehmen würden.

Preußen hat, da es sich nicht mit einer Phrase begnügen will, diese Vor¬
schläge abgelehnt, und bei vollkommner Uneinigkeit kann die Bundesversamm¬
lung fürs erste zu keinem Beschluß kommen.

Wie dieser Beschluß aber auch ausfallen wird, er wird Preußen die Thüren
des pariser ConferenzsaaleS nicht öffnen und wird zu den vielen vergeblichen
Unternehmungen nur eine neue fügen.

Nachdem man in Berlin gesehen, daß Preußen als Großmacht zu den


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[0326] Der Unzufriedenheit mit dieser Lage kam Sachsen entgegen und veranlaßte Preußen, sich mit ihm über den Entwurf eines Bundesbeschlusses zu vereinigen, der nach Abstreifung des diplomatischen Beiwerks allerdings die Aufrechthaltung der fünf Punkte, aber nur unter einer Bedingung zusagt, der Bedingung, daß der Bund als Gesammtmacht zu den Friedensconferenzen zugelassen werde. Wenn Preußen nicht als europäische Großmacht zugelassen wird, darf mau darauf rechnen, daß es als Vertreter einer Macht zugelassen werden sollte, die, wenn man ihr überhaupt den Charakter einer nicht blos fingirten Einheit zugestehen will, doch nur eine Macht zweiten Ranges ist? Dazu kommt noch, daß unzweifelhaft die Mittelstaaten viel lieber durch einen eignen Gesandten aus ihrer Mitte als durch einen preußischen und etwa östreichischen vertreten sein wollen. Und endlich, während Preußen als Großmacht mit vollstem Recht Theilnahme an den Conferenzen fordern kann, kann auch der Bund als solcher diese Theilnahme fordern? Diese Frage ist mit voller Entschiedenheit zu ver¬ neinen. D^r Bund,^ ganz abgesehen von seiner nur fingirten Einheit, hat nicht besseren Anspruch, als Belgien, Holland, Parma, Neapel an der Regu- lirung der orientalischen Frage Theil zu nehmen und waS würde man davon sagen, wenn es einem dieser Staaten einfiele, zu fordern,.an den pariser Friedensconferenzen Theil zu nehmen? Allerdings nimmt Sardinien daran Theil, aber Sardinien ist kriegführende Macht. Und sollte es politische Gründe geben, welche die Verbündeten bestimmen könnten, den Wunsch des Bundes zu erfüllen? Etwa das vieldeutige Ver¬ sprechen, die Präliminarien aufrecht zu erhalten, geleistet von Staaten, deren Mehrzahl notorisch jedem Kriege gegen Rußland abgeneigt ist? Kurz, der von Preußen eingeschlagene Weg kann nicht zu», Ziele führen, er kann bei den Westmächten nur den Glauben erwecken, daß Preußen Oest¬ reich d. h. ihnen selbst die Unterstützung des Bundes entziehen, und Rußland einen neuen Dienst leisten will. Oestreich hat noch in den ersten Tagen dieses Monats Preußen Vor¬ schläge zur Ausgleichung gemacht. Oestreich erklärte sich bereit, aus die An¬ eignung der Präliminarien Seitens des Bundes zu verzichten, der Bund möge dann nur das Vertrauen aussprechen, daß Oestreich und Preußen seine In, teressen bei den Conferenzen wahrnehmen würden. Preußen hat, da es sich nicht mit einer Phrase begnügen will, diese Vor¬ schläge abgelehnt, und bei vollkommner Uneinigkeit kann die Bundesversamm¬ lung fürs erste zu keinem Beschluß kommen. Wie dieser Beschluß aber auch ausfallen wird, er wird Preußen die Thüren des pariser ConferenzsaaleS nicht öffnen und wird zu den vielen vergeblichen Unternehmungen nur eine neue fügen. Nachdem man in Berlin gesehen, daß Preußen als Großmacht zu den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/326>, abgerufen am 23.07.2024.