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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Einfluß auf die bisherige Art, über den Himmel und die Unsterblichkeit zu
denken und zu dichten; denn erst nach dem Erscheinen des Buches begegnet
man in Gedichten, Abhandlungen und Predigten jener Phrase von "bessern
Sternen" häufiger, obwol bereits Giordano Bruno, Keppler und Tycho de
Brahe ähnliche Ansichten ausgesprochen hatten.

Einige Jahre nach Fontenelle erschien der " Cosa oth e oroS" des be¬
kannten Entdeckers des Saturnrings Christian Huygens, in welchem derselbe
durch Analogien eine Menge wichtiger Aufschlüsse über die Thiere und Pflan¬
zen, so wie über die Menschen auf den Planeten gewonnen zu haben glaubte.
Später lieferte die eigentliche Wissenschaft nichts de,- Art, doch bekannten sich
Laplace, William und John Herschel, Chalmcrs und im gewissen Sinne auch
Arago zu dem Glauben an eine Mehrheit bewohnter Welten, und das Publi-
cum verwandelte in bekannter flinker Weise das, was diese Gelehrten für mög¬
lich oder wahrscheinlich hielten, in ausgemachte, unwidersprechliche und unbe¬
schränkte Gewißheit.

Da erschien im vorigen.Jahre wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine
kleine Schrift des bekannten Astronomen Whewell, in welcher dieser berühmte
Gelehrte nachzuweisen versuchte, daß keiner der bisherigen Gründe für die Be¬
wohnbarkeit andrer Himmelskörper stichhaltig sei. Man staunte in England über
die Kühnheit, man war förmlich verblüfft über das Wagniß. Man erholte sich
endlich und eine Flut von Recensionen und Gegenschriften suchte den Eindruck
zu verwischen, den jene Broschüre auf die Gläubigen gemacht hatte. Mehre
dieser Streitschriften waren mit Geschick und Kenntniß versaßt. Die geschickteste
ist die binnen kurzem in achttausend Exemplaren verbreitete Sir David Brew-
sters, welche unter dem Titel "IVIore wvrläs du-in on<z" erschien, und von deren
Inhalt wir im Folgenden einen Auszug geben.

Der Verfasser, schlägt den Weg ein, daß er zunächst seine Ansicht von der
Sache mittheilt und sodann erst die des Gegners anführt und widerlegt. Er
zeigt -- wie das in englischen Schriften gewöhnlich -- zuerst die Ueberein¬
stimmung seiner Theorie mit der Bibel, waS ihm indeß selbstverständlich nur
durch sehr gezwungene Deutungen einigermaßen gelingt, beschreibt dann das
Sonnensystem in anschaulicher Weise, gibt hieraus einen Ueberblick über das,
was die Geologie von der Structur des Erdballs und seiner Atmosphäre weiß
und beginnt dann einen Vergleich zwischen diesem bewohnten Planeten und
den übrigen, woraus ihm die höchste Wahrscheinlichkeit erwächst, daß auch
letztere Bewohner haben.

Der erste Puukt, welcher unsre Aufmerksamkeit beansprucht -- sagt Brew-
ster, den wir nunmehr sprechen lassen -- ist die Stellung der Erde im Sonnen¬
system. Die Stellung der Planeten betreffend kann Jupiter als der mittelste
betrachtet werden. Unsre Erde ist deshalb weder der mittelste, noch der von


Grenzbvte". I. I8litt. 39

Einfluß auf die bisherige Art, über den Himmel und die Unsterblichkeit zu
denken und zu dichten; denn erst nach dem Erscheinen des Buches begegnet
man in Gedichten, Abhandlungen und Predigten jener Phrase von „bessern
Sternen" häufiger, obwol bereits Giordano Bruno, Keppler und Tycho de
Brahe ähnliche Ansichten ausgesprochen hatten.

Einige Jahre nach Fontenelle erschien der „ Cosa oth e oroS" des be¬
kannten Entdeckers des Saturnrings Christian Huygens, in welchem derselbe
durch Analogien eine Menge wichtiger Aufschlüsse über die Thiere und Pflan¬
zen, so wie über die Menschen auf den Planeten gewonnen zu haben glaubte.
Später lieferte die eigentliche Wissenschaft nichts de,- Art, doch bekannten sich
Laplace, William und John Herschel, Chalmcrs und im gewissen Sinne auch
Arago zu dem Glauben an eine Mehrheit bewohnter Welten, und das Publi-
cum verwandelte in bekannter flinker Weise das, was diese Gelehrten für mög¬
lich oder wahrscheinlich hielten, in ausgemachte, unwidersprechliche und unbe¬
schränkte Gewißheit.

Da erschien im vorigen.Jahre wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine
kleine Schrift des bekannten Astronomen Whewell, in welcher dieser berühmte
Gelehrte nachzuweisen versuchte, daß keiner der bisherigen Gründe für die Be¬
wohnbarkeit andrer Himmelskörper stichhaltig sei. Man staunte in England über
die Kühnheit, man war förmlich verblüfft über das Wagniß. Man erholte sich
endlich und eine Flut von Recensionen und Gegenschriften suchte den Eindruck
zu verwischen, den jene Broschüre auf die Gläubigen gemacht hatte. Mehre
dieser Streitschriften waren mit Geschick und Kenntniß versaßt. Die geschickteste
ist die binnen kurzem in achttausend Exemplaren verbreitete Sir David Brew-
sters, welche unter dem Titel „IVIore wvrläs du-in on<z" erschien, und von deren
Inhalt wir im Folgenden einen Auszug geben.

Der Verfasser, schlägt den Weg ein, daß er zunächst seine Ansicht von der
Sache mittheilt und sodann erst die des Gegners anführt und widerlegt. Er
zeigt — wie das in englischen Schriften gewöhnlich — zuerst die Ueberein¬
stimmung seiner Theorie mit der Bibel, waS ihm indeß selbstverständlich nur
durch sehr gezwungene Deutungen einigermaßen gelingt, beschreibt dann das
Sonnensystem in anschaulicher Weise, gibt hieraus einen Ueberblick über das,
was die Geologie von der Structur des Erdballs und seiner Atmosphäre weiß
und beginnt dann einen Vergleich zwischen diesem bewohnten Planeten und
den übrigen, woraus ihm die höchste Wahrscheinlichkeit erwächst, daß auch
letztere Bewohner haben.

Der erste Puukt, welcher unsre Aufmerksamkeit beansprucht — sagt Brew-
ster, den wir nunmehr sprechen lassen — ist die Stellung der Erde im Sonnen¬
system. Die Stellung der Planeten betreffend kann Jupiter als der mittelste
betrachtet werden. Unsre Erde ist deshalb weder der mittelste, noch der von


Grenzbvte». I. I8litt. 39
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[0313] Einfluß auf die bisherige Art, über den Himmel und die Unsterblichkeit zu denken und zu dichten; denn erst nach dem Erscheinen des Buches begegnet man in Gedichten, Abhandlungen und Predigten jener Phrase von „bessern Sternen" häufiger, obwol bereits Giordano Bruno, Keppler und Tycho de Brahe ähnliche Ansichten ausgesprochen hatten. Einige Jahre nach Fontenelle erschien der „ Cosa oth e oroS" des be¬ kannten Entdeckers des Saturnrings Christian Huygens, in welchem derselbe durch Analogien eine Menge wichtiger Aufschlüsse über die Thiere und Pflan¬ zen, so wie über die Menschen auf den Planeten gewonnen zu haben glaubte. Später lieferte die eigentliche Wissenschaft nichts de,- Art, doch bekannten sich Laplace, William und John Herschel, Chalmcrs und im gewissen Sinne auch Arago zu dem Glauben an eine Mehrheit bewohnter Welten, und das Publi- cum verwandelte in bekannter flinker Weise das, was diese Gelehrten für mög¬ lich oder wahrscheinlich hielten, in ausgemachte, unwidersprechliche und unbe¬ schränkte Gewißheit. Da erschien im vorigen.Jahre wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine kleine Schrift des bekannten Astronomen Whewell, in welcher dieser berühmte Gelehrte nachzuweisen versuchte, daß keiner der bisherigen Gründe für die Be¬ wohnbarkeit andrer Himmelskörper stichhaltig sei. Man staunte in England über die Kühnheit, man war förmlich verblüfft über das Wagniß. Man erholte sich endlich und eine Flut von Recensionen und Gegenschriften suchte den Eindruck zu verwischen, den jene Broschüre auf die Gläubigen gemacht hatte. Mehre dieser Streitschriften waren mit Geschick und Kenntniß versaßt. Die geschickteste ist die binnen kurzem in achttausend Exemplaren verbreitete Sir David Brew- sters, welche unter dem Titel „IVIore wvrläs du-in on<z" erschien, und von deren Inhalt wir im Folgenden einen Auszug geben. Der Verfasser, schlägt den Weg ein, daß er zunächst seine Ansicht von der Sache mittheilt und sodann erst die des Gegners anführt und widerlegt. Er zeigt — wie das in englischen Schriften gewöhnlich — zuerst die Ueberein¬ stimmung seiner Theorie mit der Bibel, waS ihm indeß selbstverständlich nur durch sehr gezwungene Deutungen einigermaßen gelingt, beschreibt dann das Sonnensystem in anschaulicher Weise, gibt hieraus einen Ueberblick über das, was die Geologie von der Structur des Erdballs und seiner Atmosphäre weiß und beginnt dann einen Vergleich zwischen diesem bewohnten Planeten und den übrigen, woraus ihm die höchste Wahrscheinlichkeit erwächst, daß auch letztere Bewohner haben. Der erste Puukt, welcher unsre Aufmerksamkeit beansprucht — sagt Brew- ster, den wir nunmehr sprechen lassen — ist die Stellung der Erde im Sonnen¬ system. Die Stellung der Planeten betreffend kann Jupiter als der mittelste betrachtet werden. Unsre Erde ist deshalb weder der mittelste, noch der von Grenzbvte». I. I8litt. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/313>, abgerufen am 23.07.2024.