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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Ueberlegenheit zeigen -- die Verbrecher ausrotten, mit Feuer und Eisen in die
Eiterbeulen der Gesellschaft fahren -- das Ansehn des päpstlichen Stuhles
herstellen -- einen Schatz sammeln -- großartige Bauten unternehmen
eine Flotte, ein Heer schaffen und -- das Königreich Neapel, das Lehen der
Kirche, Spanien entreißen, und unter die unmittelbare Herrschaft Roms
bringen! --

Dem Ceremonie! gemäß nahte sich jetzt ein Ceremonienmeister und fragte
kniend den neuen Papst, ob er entschlossen sei, die Wahl anzunehmen. Mit
wahrhaft majestätischem Anstand" und laut, daß er von allen Cardinälen ge¬
hört werden konnte, antwortete Montalto: "Wir können nicht sagen, daß
Wir sie annehmen wollen, da Wir selbst das Tedeum angestimmt haben; wol
aber thun Wir Euch zu wissen, daß Wir noch eine zweite annehmen würden,
wenn es eine gäbe, weil wir uns bewußt sind, Kraft, Muth und Talent genug
zu besitzen, um mit Gottes Beistand nicht nur eine Kirche, sondern zwei
.Welten zu regieren." Auf die folgende Frage, welchen Namen er als Papst zu
führen gedenke, antwortete er: Sirius der fünfte. Zwei Ceremonienmeister führ¬
ten ihn nun hinter den Altar, entledigten ihn der Cardinalskleider und legten
ihm den päpstlichen Ornat an: das carmvisinfarbenc Unterkleid, den Chorrock,
die seidene Mozzetta, das Barett von Atlas und die Schuhe mit dem gold¬
gestickten Kreuze darauf. Auch bei dieser Handlung setzte die Lebhaftigkeit
seiner Körperbewegungen und die Behendigkeit, mit welcher er die Kleider an¬
legte, die Umstehenden in Verwunderung, so daß Rusticucci sich nicht enthalten
konnte, zu sagen: "Heiliger Vater, das Pontificat scheint eine gute Medicin
zu sein, da es aus Greisen Jünglinge macht und aus Kranken Gesunde." ""Ihr
habt nicht nöthig, Uns das zu sagen,"" antwortete Sirius stolz, ""da Wir es
aus eigner Erfahrung wissen. Als Wir Cardinal waren, gingen Wir gebeug¬
ten Hauptes, weil es Unsre Absicht war, die Schlüssel des Himmels aus Erden
zu suchen; jetzt, wo Wir sie gesunden haben, blicken Wir zum Himmel, da
Wir auf Erden niemandes mehr bedürfen.""

Eine Anzahl Maurer hatten während dessen die Zugänge zum Conclave
und das große Fenster zu dem Balkon entmauert, v.n welchem herab die Be-
nediction erfolgt; der Cardinaldecan mit dem aufgerichteten Kreuze, gefolgt von
sämmtlichen Cardinälen und unter Begleitung des Sängerchores, der die Anti-
Phonie: lZces siieorclos maFnu8 sang, begab sich aus den Balkon und kündigte
dem unten versammelten Volke die erfolgte Wahl mit den Worten an-
^ununtic" vobis girnäurm murmln; I^demus papam iUustrlssimnm et"-
mirum earciinalöm ?si'seduire Uoutaltum, cM nmnLn sibi iwposuit 8ix-
ws t)innen8. Der Aufforderung antwortete das tausendstimmige Evviva!
des Volkes, die Kanonenschüsse von der Engelsburg herab und das Ge¬
läute aller Glocken der Kirchen Roms. -- In dieser Zwischenzeit wurden


Ueberlegenheit zeigen — die Verbrecher ausrotten, mit Feuer und Eisen in die
Eiterbeulen der Gesellschaft fahren — das Ansehn des päpstlichen Stuhles
herstellen — einen Schatz sammeln — großartige Bauten unternehmen
eine Flotte, ein Heer schaffen und — das Königreich Neapel, das Lehen der
Kirche, Spanien entreißen, und unter die unmittelbare Herrschaft Roms
bringen! —

Dem Ceremonie! gemäß nahte sich jetzt ein Ceremonienmeister und fragte
kniend den neuen Papst, ob er entschlossen sei, die Wahl anzunehmen. Mit
wahrhaft majestätischem Anstand« und laut, daß er von allen Cardinälen ge¬
hört werden konnte, antwortete Montalto: „Wir können nicht sagen, daß
Wir sie annehmen wollen, da Wir selbst das Tedeum angestimmt haben; wol
aber thun Wir Euch zu wissen, daß Wir noch eine zweite annehmen würden,
wenn es eine gäbe, weil wir uns bewußt sind, Kraft, Muth und Talent genug
zu besitzen, um mit Gottes Beistand nicht nur eine Kirche, sondern zwei
.Welten zu regieren." Auf die folgende Frage, welchen Namen er als Papst zu
führen gedenke, antwortete er: Sirius der fünfte. Zwei Ceremonienmeister führ¬
ten ihn nun hinter den Altar, entledigten ihn der Cardinalskleider und legten
ihm den päpstlichen Ornat an: das carmvisinfarbenc Unterkleid, den Chorrock,
die seidene Mozzetta, das Barett von Atlas und die Schuhe mit dem gold¬
gestickten Kreuze darauf. Auch bei dieser Handlung setzte die Lebhaftigkeit
seiner Körperbewegungen und die Behendigkeit, mit welcher er die Kleider an¬
legte, die Umstehenden in Verwunderung, so daß Rusticucci sich nicht enthalten
konnte, zu sagen: „Heiliger Vater, das Pontificat scheint eine gute Medicin
zu sein, da es aus Greisen Jünglinge macht und aus Kranken Gesunde." „„Ihr
habt nicht nöthig, Uns das zu sagen,"" antwortete Sirius stolz, „„da Wir es
aus eigner Erfahrung wissen. Als Wir Cardinal waren, gingen Wir gebeug¬
ten Hauptes, weil es Unsre Absicht war, die Schlüssel des Himmels aus Erden
zu suchen; jetzt, wo Wir sie gesunden haben, blicken Wir zum Himmel, da
Wir auf Erden niemandes mehr bedürfen.""

Eine Anzahl Maurer hatten während dessen die Zugänge zum Conclave
und das große Fenster zu dem Balkon entmauert, v.n welchem herab die Be-
nediction erfolgt; der Cardinaldecan mit dem aufgerichteten Kreuze, gefolgt von
sämmtlichen Cardinälen und unter Begleitung des Sängerchores, der die Anti-
Phonie: lZces siieorclos maFnu8 sang, begab sich aus den Balkon und kündigte
dem unten versammelten Volke die erfolgte Wahl mit den Worten an-
^ununtic» vobis girnäurm murmln; I^demus papam iUustrlssimnm et»-
mirum earciinalöm ?si'seduire Uoutaltum, cM nmnLn sibi iwposuit 8ix-
ws t)innen8. Der Aufforderung antwortete das tausendstimmige Evviva!
des Volkes, die Kanonenschüsse von der Engelsburg herab und das Ge¬
läute aller Glocken der Kirchen Roms. — In dieser Zwischenzeit wurden


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[0309] Ueberlegenheit zeigen — die Verbrecher ausrotten, mit Feuer und Eisen in die Eiterbeulen der Gesellschaft fahren — das Ansehn des päpstlichen Stuhles herstellen — einen Schatz sammeln — großartige Bauten unternehmen eine Flotte, ein Heer schaffen und — das Königreich Neapel, das Lehen der Kirche, Spanien entreißen, und unter die unmittelbare Herrschaft Roms bringen! — Dem Ceremonie! gemäß nahte sich jetzt ein Ceremonienmeister und fragte kniend den neuen Papst, ob er entschlossen sei, die Wahl anzunehmen. Mit wahrhaft majestätischem Anstand« und laut, daß er von allen Cardinälen ge¬ hört werden konnte, antwortete Montalto: „Wir können nicht sagen, daß Wir sie annehmen wollen, da Wir selbst das Tedeum angestimmt haben; wol aber thun Wir Euch zu wissen, daß Wir noch eine zweite annehmen würden, wenn es eine gäbe, weil wir uns bewußt sind, Kraft, Muth und Talent genug zu besitzen, um mit Gottes Beistand nicht nur eine Kirche, sondern zwei .Welten zu regieren." Auf die folgende Frage, welchen Namen er als Papst zu führen gedenke, antwortete er: Sirius der fünfte. Zwei Ceremonienmeister führ¬ ten ihn nun hinter den Altar, entledigten ihn der Cardinalskleider und legten ihm den päpstlichen Ornat an: das carmvisinfarbenc Unterkleid, den Chorrock, die seidene Mozzetta, das Barett von Atlas und die Schuhe mit dem gold¬ gestickten Kreuze darauf. Auch bei dieser Handlung setzte die Lebhaftigkeit seiner Körperbewegungen und die Behendigkeit, mit welcher er die Kleider an¬ legte, die Umstehenden in Verwunderung, so daß Rusticucci sich nicht enthalten konnte, zu sagen: „Heiliger Vater, das Pontificat scheint eine gute Medicin zu sein, da es aus Greisen Jünglinge macht und aus Kranken Gesunde." „„Ihr habt nicht nöthig, Uns das zu sagen,"" antwortete Sirius stolz, „„da Wir es aus eigner Erfahrung wissen. Als Wir Cardinal waren, gingen Wir gebeug¬ ten Hauptes, weil es Unsre Absicht war, die Schlüssel des Himmels aus Erden zu suchen; jetzt, wo Wir sie gesunden haben, blicken Wir zum Himmel, da Wir auf Erden niemandes mehr bedürfen."" Eine Anzahl Maurer hatten während dessen die Zugänge zum Conclave und das große Fenster zu dem Balkon entmauert, v.n welchem herab die Be- nediction erfolgt; der Cardinaldecan mit dem aufgerichteten Kreuze, gefolgt von sämmtlichen Cardinälen und unter Begleitung des Sängerchores, der die Anti- Phonie: lZces siieorclos maFnu8 sang, begab sich aus den Balkon und kündigte dem unten versammelten Volke die erfolgte Wahl mit den Worten an- ^ununtic» vobis girnäurm murmln; I^demus papam iUustrlssimnm et»- mirum earciinalöm ?si'seduire Uoutaltum, cM nmnLn sibi iwposuit 8ix- ws t)innen8. Der Aufforderung antwortete das tausendstimmige Evviva! des Volkes, die Kanonenschüsse von der Engelsburg herab und das Ge¬ läute aller Glocken der Kirchen Roms. — In dieser Zwischenzeit wurden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/309>, abgerufen am 23.07.2024.