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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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drei stimmten darin überein, daß ohne Medicis Hilfe zunächst wenig für ihre
Absicht zu hoffen sei, daß aber mit dem Beitritts desselben die größre Hälfte
des Werkes gethan sein würde. Als der Geeignetste für die neue Botschaft
erschien Alessandrino, der mit Rusticucci befreundet war; doch da letzterer sah,
daß Alessandrino Schwierigkeiten machte, erbot er, ungeduldig, sich in Rom
herrschen zu sehen, sich selbst zur Uebernahme des Geschäfts. Mit großer Be-
redtsamkeit stellte er dem Medici die Gefahr vor, die dem heiligen Collegium
von der Uebermacht des Farnese drohe, wenn zu den vier Conclaven, die er
schon nach seinem Willen geleitet halte, noch ein fünftes käme, und wenn diese
Leitung zuletzt sich in ein Erbrecht der Familie Farnese umwandelte; serner,
wie schimpflich für die Kronen von Spanien und Frankreich eS sei, ihre Car¬
dinäle in so vielen Conclaven ohne Einfluß bleiben zu sehen. Er erinnerte
ihn an die Verbindlichkeiten, die Montaltv der spanischen Krone aus früherer
Zeit her, und der Familie Medici schulde, und gab ihm zu bedenken, zu welchem
Grade von Dankbarkeit dieselben den neuen Papst bestimmen müßten. Medici
war alles daran gelegen, Farneses Absichten zu vereiteln. Er ging mit großer
Bereitwilligkeit aus Rusticuccis Ansichten ein, und erbat sich nur eine Stunde
Zeit, um seinen Anhängern Mittheilung von der Sache machen und ihre Mei¬
nung darüber anhören zu können. Er fand bei allen dieselbe Ansicht. Noch in
derselben Nacht begab sich Medici mit seinen Anhängern, die alle der Ansicht
ihres Führers beigestimmt hatten, in Estes Zelle, wo dieser mit Rusticucci und
Alessandrino des Erfolges ihres Schrittes harrten. Ihre Freude war groß bei
Medicis Ankunft, denn außer auf dessen zahlreiche unmittelbaren Anhänger
konnten sie noch auf eine Anzahl von spanischen Cardinälen rechnen, die un¬
entschieden bei andern Factionen standen, oder dem Einflüsse des spanischen Ge¬
sandten gehorchten, dessen Interessen im Conclave Medici vertrat.

Es wird jetzt an der Zeit sein, uns mit der Persönlichkeit des Candidaten
näher bekannt zu machen, an welchen vorher unter allen übrigen am wenigsten
gedacht worden war, und der plötzlich so eifrige und einflußreiche Begünstiger
gefunden hatte.

Felice Perctti war der Sohn eines sehr armen Arbeitsmanneö in oder
bei Montalto, einem unbedeutenden Flecken in der Mark Ancona und hütete
alö Knabe eine Herde Schweine. Ein vorüberreisender Franziskanermönch
fragte den Kleinen nach dem Wege, ließ sich dabei in ein Gespräch mit ihm
ein, und geriet!) in Erstaunen über die klugen Reden und den aufgeweckten
Geist desselben. So viel Geistesbegabung in Schmuz und Niedrigkeit verkom¬
men zu lassen, schien dem mitleidigen Franziskaner Sünde zu sein. Im Ein-
verständniß mit dem Vater nahm er den Knaben mit sich in sein Kloster, um
ihn durch Unterricht in den Elementen der Wissenschaften zum Eintritt in den
Orden vorzubereiten. Doch lange vor dem Alter, das Felice die Ablegung


drei stimmten darin überein, daß ohne Medicis Hilfe zunächst wenig für ihre
Absicht zu hoffen sei, daß aber mit dem Beitritts desselben die größre Hälfte
des Werkes gethan sein würde. Als der Geeignetste für die neue Botschaft
erschien Alessandrino, der mit Rusticucci befreundet war; doch da letzterer sah,
daß Alessandrino Schwierigkeiten machte, erbot er, ungeduldig, sich in Rom
herrschen zu sehen, sich selbst zur Uebernahme des Geschäfts. Mit großer Be-
redtsamkeit stellte er dem Medici die Gefahr vor, die dem heiligen Collegium
von der Uebermacht des Farnese drohe, wenn zu den vier Conclaven, die er
schon nach seinem Willen geleitet halte, noch ein fünftes käme, und wenn diese
Leitung zuletzt sich in ein Erbrecht der Familie Farnese umwandelte; serner,
wie schimpflich für die Kronen von Spanien und Frankreich eS sei, ihre Car¬
dinäle in so vielen Conclaven ohne Einfluß bleiben zu sehen. Er erinnerte
ihn an die Verbindlichkeiten, die Montaltv der spanischen Krone aus früherer
Zeit her, und der Familie Medici schulde, und gab ihm zu bedenken, zu welchem
Grade von Dankbarkeit dieselben den neuen Papst bestimmen müßten. Medici
war alles daran gelegen, Farneses Absichten zu vereiteln. Er ging mit großer
Bereitwilligkeit aus Rusticuccis Ansichten ein, und erbat sich nur eine Stunde
Zeit, um seinen Anhängern Mittheilung von der Sache machen und ihre Mei¬
nung darüber anhören zu können. Er fand bei allen dieselbe Ansicht. Noch in
derselben Nacht begab sich Medici mit seinen Anhängern, die alle der Ansicht
ihres Führers beigestimmt hatten, in Estes Zelle, wo dieser mit Rusticucci und
Alessandrino des Erfolges ihres Schrittes harrten. Ihre Freude war groß bei
Medicis Ankunft, denn außer auf dessen zahlreiche unmittelbaren Anhänger
konnten sie noch auf eine Anzahl von spanischen Cardinälen rechnen, die un¬
entschieden bei andern Factionen standen, oder dem Einflüsse des spanischen Ge¬
sandten gehorchten, dessen Interessen im Conclave Medici vertrat.

Es wird jetzt an der Zeit sein, uns mit der Persönlichkeit des Candidaten
näher bekannt zu machen, an welchen vorher unter allen übrigen am wenigsten
gedacht worden war, und der plötzlich so eifrige und einflußreiche Begünstiger
gefunden hatte.

Felice Perctti war der Sohn eines sehr armen Arbeitsmanneö in oder
bei Montalto, einem unbedeutenden Flecken in der Mark Ancona und hütete
alö Knabe eine Herde Schweine. Ein vorüberreisender Franziskanermönch
fragte den Kleinen nach dem Wege, ließ sich dabei in ein Gespräch mit ihm
ein, und geriet!) in Erstaunen über die klugen Reden und den aufgeweckten
Geist desselben. So viel Geistesbegabung in Schmuz und Niedrigkeit verkom¬
men zu lassen, schien dem mitleidigen Franziskaner Sünde zu sein. Im Ein-
verständniß mit dem Vater nahm er den Knaben mit sich in sein Kloster, um
ihn durch Unterricht in den Elementen der Wissenschaften zum Eintritt in den
Orden vorzubereiten. Doch lange vor dem Alter, das Felice die Ablegung


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[0302] drei stimmten darin überein, daß ohne Medicis Hilfe zunächst wenig für ihre Absicht zu hoffen sei, daß aber mit dem Beitritts desselben die größre Hälfte des Werkes gethan sein würde. Als der Geeignetste für die neue Botschaft erschien Alessandrino, der mit Rusticucci befreundet war; doch da letzterer sah, daß Alessandrino Schwierigkeiten machte, erbot er, ungeduldig, sich in Rom herrschen zu sehen, sich selbst zur Uebernahme des Geschäfts. Mit großer Be- redtsamkeit stellte er dem Medici die Gefahr vor, die dem heiligen Collegium von der Uebermacht des Farnese drohe, wenn zu den vier Conclaven, die er schon nach seinem Willen geleitet halte, noch ein fünftes käme, und wenn diese Leitung zuletzt sich in ein Erbrecht der Familie Farnese umwandelte; serner, wie schimpflich für die Kronen von Spanien und Frankreich eS sei, ihre Car¬ dinäle in so vielen Conclaven ohne Einfluß bleiben zu sehen. Er erinnerte ihn an die Verbindlichkeiten, die Montaltv der spanischen Krone aus früherer Zeit her, und der Familie Medici schulde, und gab ihm zu bedenken, zu welchem Grade von Dankbarkeit dieselben den neuen Papst bestimmen müßten. Medici war alles daran gelegen, Farneses Absichten zu vereiteln. Er ging mit großer Bereitwilligkeit aus Rusticuccis Ansichten ein, und erbat sich nur eine Stunde Zeit, um seinen Anhängern Mittheilung von der Sache machen und ihre Mei¬ nung darüber anhören zu können. Er fand bei allen dieselbe Ansicht. Noch in derselben Nacht begab sich Medici mit seinen Anhängern, die alle der Ansicht ihres Führers beigestimmt hatten, in Estes Zelle, wo dieser mit Rusticucci und Alessandrino des Erfolges ihres Schrittes harrten. Ihre Freude war groß bei Medicis Ankunft, denn außer auf dessen zahlreiche unmittelbaren Anhänger konnten sie noch auf eine Anzahl von spanischen Cardinälen rechnen, die un¬ entschieden bei andern Factionen standen, oder dem Einflüsse des spanischen Ge¬ sandten gehorchten, dessen Interessen im Conclave Medici vertrat. Es wird jetzt an der Zeit sein, uns mit der Persönlichkeit des Candidaten näher bekannt zu machen, an welchen vorher unter allen übrigen am wenigsten gedacht worden war, und der plötzlich so eifrige und einflußreiche Begünstiger gefunden hatte. Felice Perctti war der Sohn eines sehr armen Arbeitsmanneö in oder bei Montalto, einem unbedeutenden Flecken in der Mark Ancona und hütete alö Knabe eine Herde Schweine. Ein vorüberreisender Franziskanermönch fragte den Kleinen nach dem Wege, ließ sich dabei in ein Gespräch mit ihm ein, und geriet!) in Erstaunen über die klugen Reden und den aufgeweckten Geist desselben. So viel Geistesbegabung in Schmuz und Niedrigkeit verkom¬ men zu lassen, schien dem mitleidigen Franziskaner Sünde zu sein. Im Ein- verständniß mit dem Vater nahm er den Knaben mit sich in sein Kloster, um ihn durch Unterricht in den Elementen der Wissenschaften zum Eintritt in den Orden vorzubereiten. Doch lange vor dem Alter, das Felice die Ablegung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/302>, abgerufen am 23.07.2024.