Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mittelbare Eingebung des heiligen Geistes erfolgen soll, so verschmähen es die
Cardinäle doch keineswegs, irdische Wege zu gehn und irdische Hebel in Be¬
wegung zu setzen, auf daß die Eingebung möglichst ihren Wünschen und Inter¬
essen gemäß erfolge. Nach und nach treffen die in Rom nicht anwesenden Car¬
dinäle ein; endlich am 21. April, dem Ostersonntage, sind die Trauerfeierlichkeiten
beendet und eine große Messe mit Begleitung des ganzen Sänger- und Musiker¬
chores der Kapelle findet wieder in Se. Peter statt. Dieser Messe folgt eine.
Predigt cle summo I>c>ntiliLv elixenäo, worauf sich die Cardinäle in feierlicher
Procession in den Vatican begeben, wo das Conclave abgehalten wird. Zu
den neununddreißig bis jetzt anwesenden Cardinälen kamen am Abend desselben
Tages noch drei, die sich unmittelbar nach ihrer Ankunft ins Conclave ver¬
fügten. Diese zweiundvierzig Wähler theilten sich in sechs große Factionen,
unter anerkannten, die Parole austheilenden Häuptern; die erste, an Macht
und Einfluß stärkste, ^nannte sich nach dem Cardinal Farnese, dem Onkel des
berühmten Alexander Farnese, dessen Siege damals der Sache des Katholicis¬
mus so wichtige Dienste geleistet hatten. Farnese war außerdem Cardinal-
decan und hatte bereits in vier Conclaven die von ihm vorgeschlagenen Can-
didaten durchgesetzt. Die zweite (französische) Faction leitete der Cardinal Este,
der Erbauer der weltberühmten Villa bei Tivoli, die dritte (spanische) stand
unter Medici, die vierte unter Altemps, die fünfte unter Alessaudrino und die
sechste unter Buoncompagni, auch San Sisto genannt, dem Neffen des eben
verstorbenen Papstes. Diese Faction zählte vermöge der von Gregor XIU. aus¬
gegangenen Erhebungen fast ebensoviel Anhänger, als die übrigen Factionen
zusammengenommen, denn es ist Politik der Päpste, so viel Cardinäle als
möglich zu ernennen, um durch diese, ihrem Hause natürlich ergebenen, ihrem
im heiligen Collegium sitzenden Nepoten die Majorität der Stimmen nach ihrem
Tode zu sichern.

Die erste Handlung im Conclave besteht in der Vorlesung dreier Bullen,
von denen' zwei cle non Äioniinclis rebus veelesinsliLis handeln, die dritte
voudra simoniaeos gerichtet ist. Demnächst verpflichtet sich, nach herkömmlichen
Brauch und freiem Uebereinkommen, jeder einzeln eidlich zur Beobachtung ge¬
wisser Punkte, im Falle die Wahl auf ihn fallen sollte. Die sieben in diesem
Falle beschworenen Punkte betreffen zum Theil die Sicherung des Einflusses
des Cardinalcollegiums, zum Theil die Erhaltung des Friedens mit und unter
den katholischen Mächten, die Erhaltung des Kirchengutes und des päpstlichen
Territoriums. Nach diesen vorbereitenden Feststellungen beginnen die eigent¬
lichen Wahlhandlungen. Es sind drei verschiedene Arten, aus welche die Wahl
zu Stande kommen kann; die erste und am häufigsten vorkommende bestehr in deck
einfachen Scrutinium; die zweite Art erfolgt durch den Acceß: die Cardinäle
verfügen sich einzeln zu dem Sitze desjenigen unter ihnen, zu dessen Gunsten


mittelbare Eingebung des heiligen Geistes erfolgen soll, so verschmähen es die
Cardinäle doch keineswegs, irdische Wege zu gehn und irdische Hebel in Be¬
wegung zu setzen, auf daß die Eingebung möglichst ihren Wünschen und Inter¬
essen gemäß erfolge. Nach und nach treffen die in Rom nicht anwesenden Car¬
dinäle ein; endlich am 21. April, dem Ostersonntage, sind die Trauerfeierlichkeiten
beendet und eine große Messe mit Begleitung des ganzen Sänger- und Musiker¬
chores der Kapelle findet wieder in Se. Peter statt. Dieser Messe folgt eine.
Predigt cle summo I>c>ntiliLv elixenäo, worauf sich die Cardinäle in feierlicher
Procession in den Vatican begeben, wo das Conclave abgehalten wird. Zu
den neununddreißig bis jetzt anwesenden Cardinälen kamen am Abend desselben
Tages noch drei, die sich unmittelbar nach ihrer Ankunft ins Conclave ver¬
fügten. Diese zweiundvierzig Wähler theilten sich in sechs große Factionen,
unter anerkannten, die Parole austheilenden Häuptern; die erste, an Macht
und Einfluß stärkste, ^nannte sich nach dem Cardinal Farnese, dem Onkel des
berühmten Alexander Farnese, dessen Siege damals der Sache des Katholicis¬
mus so wichtige Dienste geleistet hatten. Farnese war außerdem Cardinal-
decan und hatte bereits in vier Conclaven die von ihm vorgeschlagenen Can-
didaten durchgesetzt. Die zweite (französische) Faction leitete der Cardinal Este,
der Erbauer der weltberühmten Villa bei Tivoli, die dritte (spanische) stand
unter Medici, die vierte unter Altemps, die fünfte unter Alessaudrino und die
sechste unter Buoncompagni, auch San Sisto genannt, dem Neffen des eben
verstorbenen Papstes. Diese Faction zählte vermöge der von Gregor XIU. aus¬
gegangenen Erhebungen fast ebensoviel Anhänger, als die übrigen Factionen
zusammengenommen, denn es ist Politik der Päpste, so viel Cardinäle als
möglich zu ernennen, um durch diese, ihrem Hause natürlich ergebenen, ihrem
im heiligen Collegium sitzenden Nepoten die Majorität der Stimmen nach ihrem
Tode zu sichern.

Die erste Handlung im Conclave besteht in der Vorlesung dreier Bullen,
von denen' zwei cle non Äioniinclis rebus veelesinsliLis handeln, die dritte
voudra simoniaeos gerichtet ist. Demnächst verpflichtet sich, nach herkömmlichen
Brauch und freiem Uebereinkommen, jeder einzeln eidlich zur Beobachtung ge¬
wisser Punkte, im Falle die Wahl auf ihn fallen sollte. Die sieben in diesem
Falle beschworenen Punkte betreffen zum Theil die Sicherung des Einflusses
des Cardinalcollegiums, zum Theil die Erhaltung des Friedens mit und unter
den katholischen Mächten, die Erhaltung des Kirchengutes und des päpstlichen
Territoriums. Nach diesen vorbereitenden Feststellungen beginnen die eigent¬
lichen Wahlhandlungen. Es sind drei verschiedene Arten, aus welche die Wahl
zu Stande kommen kann; die erste und am häufigsten vorkommende bestehr in deck
einfachen Scrutinium; die zweite Art erfolgt durch den Acceß: die Cardinäle
verfügen sich einzeln zu dem Sitze desjenigen unter ihnen, zu dessen Gunsten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101291"/>
          <p xml:id="ID_890" prev="#ID_889"> mittelbare Eingebung des heiligen Geistes erfolgen soll, so verschmähen es die<lb/>
Cardinäle doch keineswegs, irdische Wege zu gehn und irdische Hebel in Be¬<lb/>
wegung zu setzen, auf daß die Eingebung möglichst ihren Wünschen und Inter¬<lb/>
essen gemäß erfolge. Nach und nach treffen die in Rom nicht anwesenden Car¬<lb/>
dinäle ein; endlich am 21. April, dem Ostersonntage, sind die Trauerfeierlichkeiten<lb/>
beendet und eine große Messe mit Begleitung des ganzen Sänger- und Musiker¬<lb/>
chores der Kapelle findet wieder in Se. Peter statt. Dieser Messe folgt eine.<lb/>
Predigt cle summo I&gt;c&gt;ntiliLv elixenäo, worauf sich die Cardinäle in feierlicher<lb/>
Procession in den Vatican begeben, wo das Conclave abgehalten wird. Zu<lb/>
den neununddreißig bis jetzt anwesenden Cardinälen kamen am Abend desselben<lb/>
Tages noch drei, die sich unmittelbar nach ihrer Ankunft ins Conclave ver¬<lb/>
fügten. Diese zweiundvierzig Wähler theilten sich in sechs große Factionen,<lb/>
unter anerkannten, die Parole austheilenden Häuptern; die erste, an Macht<lb/>
und Einfluß stärkste, ^nannte sich nach dem Cardinal Farnese, dem Onkel des<lb/>
berühmten Alexander Farnese, dessen Siege damals der Sache des Katholicis¬<lb/>
mus so wichtige Dienste geleistet hatten. Farnese war außerdem Cardinal-<lb/>
decan und hatte bereits in vier Conclaven die von ihm vorgeschlagenen Can-<lb/>
didaten durchgesetzt. Die zweite (französische) Faction leitete der Cardinal Este,<lb/>
der Erbauer der weltberühmten Villa bei Tivoli, die dritte (spanische) stand<lb/>
unter Medici, die vierte unter Altemps, die fünfte unter Alessaudrino und die<lb/>
sechste unter Buoncompagni, auch San Sisto genannt, dem Neffen des eben<lb/>
verstorbenen Papstes. Diese Faction zählte vermöge der von Gregor XIU. aus¬<lb/>
gegangenen Erhebungen fast ebensoviel Anhänger, als die übrigen Factionen<lb/>
zusammengenommen, denn es ist Politik der Päpste, so viel Cardinäle als<lb/>
möglich zu ernennen, um durch diese, ihrem Hause natürlich ergebenen, ihrem<lb/>
im heiligen Collegium sitzenden Nepoten die Majorität der Stimmen nach ihrem<lb/>
Tode zu sichern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_891" next="#ID_892"> Die erste Handlung im Conclave besteht in der Vorlesung dreier Bullen,<lb/>
von denen' zwei cle non Äioniinclis rebus veelesinsliLis handeln, die dritte<lb/>
voudra simoniaeos gerichtet ist. Demnächst verpflichtet sich, nach herkömmlichen<lb/>
Brauch und freiem Uebereinkommen, jeder einzeln eidlich zur Beobachtung ge¬<lb/>
wisser Punkte, im Falle die Wahl auf ihn fallen sollte. Die sieben in diesem<lb/>
Falle beschworenen Punkte betreffen zum Theil die Sicherung des Einflusses<lb/>
des Cardinalcollegiums, zum Theil die Erhaltung des Friedens mit und unter<lb/>
den katholischen Mächten, die Erhaltung des Kirchengutes und des päpstlichen<lb/>
Territoriums. Nach diesen vorbereitenden Feststellungen beginnen die eigent¬<lb/>
lichen Wahlhandlungen. Es sind drei verschiedene Arten, aus welche die Wahl<lb/>
zu Stande kommen kann; die erste und am häufigsten vorkommende bestehr in deck<lb/>
einfachen Scrutinium; die zweite Art erfolgt durch den Acceß: die Cardinäle<lb/>
verfügen sich einzeln zu dem Sitze desjenigen unter ihnen, zu dessen Gunsten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0298] mittelbare Eingebung des heiligen Geistes erfolgen soll, so verschmähen es die Cardinäle doch keineswegs, irdische Wege zu gehn und irdische Hebel in Be¬ wegung zu setzen, auf daß die Eingebung möglichst ihren Wünschen und Inter¬ essen gemäß erfolge. Nach und nach treffen die in Rom nicht anwesenden Car¬ dinäle ein; endlich am 21. April, dem Ostersonntage, sind die Trauerfeierlichkeiten beendet und eine große Messe mit Begleitung des ganzen Sänger- und Musiker¬ chores der Kapelle findet wieder in Se. Peter statt. Dieser Messe folgt eine. Predigt cle summo I>c>ntiliLv elixenäo, worauf sich die Cardinäle in feierlicher Procession in den Vatican begeben, wo das Conclave abgehalten wird. Zu den neununddreißig bis jetzt anwesenden Cardinälen kamen am Abend desselben Tages noch drei, die sich unmittelbar nach ihrer Ankunft ins Conclave ver¬ fügten. Diese zweiundvierzig Wähler theilten sich in sechs große Factionen, unter anerkannten, die Parole austheilenden Häuptern; die erste, an Macht und Einfluß stärkste, ^nannte sich nach dem Cardinal Farnese, dem Onkel des berühmten Alexander Farnese, dessen Siege damals der Sache des Katholicis¬ mus so wichtige Dienste geleistet hatten. Farnese war außerdem Cardinal- decan und hatte bereits in vier Conclaven die von ihm vorgeschlagenen Can- didaten durchgesetzt. Die zweite (französische) Faction leitete der Cardinal Este, der Erbauer der weltberühmten Villa bei Tivoli, die dritte (spanische) stand unter Medici, die vierte unter Altemps, die fünfte unter Alessaudrino und die sechste unter Buoncompagni, auch San Sisto genannt, dem Neffen des eben verstorbenen Papstes. Diese Faction zählte vermöge der von Gregor XIU. aus¬ gegangenen Erhebungen fast ebensoviel Anhänger, als die übrigen Factionen zusammengenommen, denn es ist Politik der Päpste, so viel Cardinäle als möglich zu ernennen, um durch diese, ihrem Hause natürlich ergebenen, ihrem im heiligen Collegium sitzenden Nepoten die Majorität der Stimmen nach ihrem Tode zu sichern. Die erste Handlung im Conclave besteht in der Vorlesung dreier Bullen, von denen' zwei cle non Äioniinclis rebus veelesinsliLis handeln, die dritte voudra simoniaeos gerichtet ist. Demnächst verpflichtet sich, nach herkömmlichen Brauch und freiem Uebereinkommen, jeder einzeln eidlich zur Beobachtung ge¬ wisser Punkte, im Falle die Wahl auf ihn fallen sollte. Die sieben in diesem Falle beschworenen Punkte betreffen zum Theil die Sicherung des Einflusses des Cardinalcollegiums, zum Theil die Erhaltung des Friedens mit und unter den katholischen Mächten, die Erhaltung des Kirchengutes und des päpstlichen Territoriums. Nach diesen vorbereitenden Feststellungen beginnen die eigent¬ lichen Wahlhandlungen. Es sind drei verschiedene Arten, aus welche die Wahl zu Stande kommen kann; die erste und am häufigsten vorkommende bestehr in deck einfachen Scrutinium; die zweite Art erfolgt durch den Acceß: die Cardinäle verfügen sich einzeln zu dem Sitze desjenigen unter ihnen, zu dessen Gunsten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/298
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/298>, abgerufen am 23.07.2024.