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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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sprengen und siegreich eindringen. Theano wird befreit, fliegt zu dem sterben¬
den Geliebten, die letzte Erklärung findet statt. Todtenklage, Josephus der
Christ erhebt Theano. Die Sachsen ziehen nach der Heimath, die Leiche
ihres Herzogs auf der Schildbahre, und singen ihr heidnisches Todtenlied. Von
fern folgt ihnen ein Schiff mit Christen, darauf Theano. Die fromme Resig¬
nation des christlichen Chorals schließt.

So schwach die Handlung, so willkürlich die Erfindung, so ist doch in
dem Gedicht Einiges, was zu guten Hoffnungen berechtigt. Es ist wahr, der
Dichter schildert noch sehr jugendlich, und das Behagen, mit welchem er seine
Helden in der Situation empfindet, ist noch gar zu treuherzig, aber er versteht
zu schildern, innerhalb skiner Voraussetzungen malt er lebendig und treffend
und er ist gar nicht arm an kleinen poetischen Zügen, welche dazu helfen, den
Moment zu verklären. Das Ganze ist noch Situationsmalerei, aber mit
warmem Herzen erfundene, der Dichter glaubt an sich. Besonders lebhaft
fühlt er das Reizende der Contraste. Der Rath, welchen ihm d. Bl. geben
möchte, ist, daß er zunächst seine Erfindungskraft in einfacher, logisch geord¬
neter Erzählung übe. Sein Vers ist der gereimte jambische Fünffuß, den er
gewandt zu benutzen weiß. Es sind hübsche Verse und Sätze von edler Hal¬
tung im Gedicht, dazwischen murmeln freilich prosaische Wendungen und
Phrasen. Da dem Dichter die Verssprache leicht zu werden scheint, so möge
er auch ein wenig an die Gefahren denken, welche dieser glatte, leicht dahin-
schwebende Vers bereitet. Die zierliche Ausführung in kurzen Strichen, die
er befördert, gibt den Zeichnungen eines seinen, weichen Dichlergemüthes leicht
etwas Gelecktes. -- Im Ganzen verdient der Verfasser sehr wohl die Theilnahme
und Beachtung der deutschen Leser.

Der Fall von Babylon. Von Adolf Böttger. Leipzig,
F. L. Herbig -- Cyrus vor Babylon gegen Belsazzar. Der Hebräer Jrad
steht vor dem Lager des Cyrus aus Posten und denkt an seine Geliebte Thirza,
in Babylon und an die buhlerische Gemahlin des Belsazzar, Nerissa, die ihn
durch ihr Liebeswerben gezwungen, aus der Stadt zu fliehen. -- Thirza liegt
in der Hütte und träumt vom Geliebten, ihr Vater betet zu Jehovah. -- Am
Morgen ist das Fest des Baal in Babylon. König Belsazzar hält mit Nerissa
feierlichen Umzug, er steht dabei den Hebräer Daniel und läßt ihn in die
Löwengrube werfen, er sieht Thirza und beschließt, sie beim Fest seiner Wollust
und dem Baal zu opfern. Ihr Vater fleht im Palast zu Nerissas Füßen um
Gnade für die Tochter, sie fragt ihn nach Jrad, Belsazzar kommt dazu, hört
den Namen und ersticht den Hebräergreis. -- Ahnungen und Schreckens¬
vorzeichen umgeben den König beim Mahle, er bleibt trotzig, ergreift die
heilige Schale Jehovahs, trinkt daraus und vergleicht sich mit Jehovah. In
demselben Augenblick sinkt die Königin Nerissa von ihm vergiftet todt zu Boden,


sprengen und siegreich eindringen. Theano wird befreit, fliegt zu dem sterben¬
den Geliebten, die letzte Erklärung findet statt. Todtenklage, Josephus der
Christ erhebt Theano. Die Sachsen ziehen nach der Heimath, die Leiche
ihres Herzogs auf der Schildbahre, und singen ihr heidnisches Todtenlied. Von
fern folgt ihnen ein Schiff mit Christen, darauf Theano. Die fromme Resig¬
nation des christlichen Chorals schließt.

So schwach die Handlung, so willkürlich die Erfindung, so ist doch in
dem Gedicht Einiges, was zu guten Hoffnungen berechtigt. Es ist wahr, der
Dichter schildert noch sehr jugendlich, und das Behagen, mit welchem er seine
Helden in der Situation empfindet, ist noch gar zu treuherzig, aber er versteht
zu schildern, innerhalb skiner Voraussetzungen malt er lebendig und treffend
und er ist gar nicht arm an kleinen poetischen Zügen, welche dazu helfen, den
Moment zu verklären. Das Ganze ist noch Situationsmalerei, aber mit
warmem Herzen erfundene, der Dichter glaubt an sich. Besonders lebhaft
fühlt er das Reizende der Contraste. Der Rath, welchen ihm d. Bl. geben
möchte, ist, daß er zunächst seine Erfindungskraft in einfacher, logisch geord¬
neter Erzählung übe. Sein Vers ist der gereimte jambische Fünffuß, den er
gewandt zu benutzen weiß. Es sind hübsche Verse und Sätze von edler Hal¬
tung im Gedicht, dazwischen murmeln freilich prosaische Wendungen und
Phrasen. Da dem Dichter die Verssprache leicht zu werden scheint, so möge
er auch ein wenig an die Gefahren denken, welche dieser glatte, leicht dahin-
schwebende Vers bereitet. Die zierliche Ausführung in kurzen Strichen, die
er befördert, gibt den Zeichnungen eines seinen, weichen Dichlergemüthes leicht
etwas Gelecktes. — Im Ganzen verdient der Verfasser sehr wohl die Theilnahme
und Beachtung der deutschen Leser.

Der Fall von Babylon. Von Adolf Böttger. Leipzig,
F. L. Herbig — Cyrus vor Babylon gegen Belsazzar. Der Hebräer Jrad
steht vor dem Lager des Cyrus aus Posten und denkt an seine Geliebte Thirza,
in Babylon und an die buhlerische Gemahlin des Belsazzar, Nerissa, die ihn
durch ihr Liebeswerben gezwungen, aus der Stadt zu fliehen. — Thirza liegt
in der Hütte und träumt vom Geliebten, ihr Vater betet zu Jehovah. — Am
Morgen ist das Fest des Baal in Babylon. König Belsazzar hält mit Nerissa
feierlichen Umzug, er steht dabei den Hebräer Daniel und läßt ihn in die
Löwengrube werfen, er sieht Thirza und beschließt, sie beim Fest seiner Wollust
und dem Baal zu opfern. Ihr Vater fleht im Palast zu Nerissas Füßen um
Gnade für die Tochter, sie fragt ihn nach Jrad, Belsazzar kommt dazu, hört
den Namen und ersticht den Hebräergreis. — Ahnungen und Schreckens¬
vorzeichen umgeben den König beim Mahle, er bleibt trotzig, ergreift die
heilige Schale Jehovahs, trinkt daraus und vergleicht sich mit Jehovah. In
demselben Augenblick sinkt die Königin Nerissa von ihm vergiftet todt zu Boden,


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[0295] sprengen und siegreich eindringen. Theano wird befreit, fliegt zu dem sterben¬ den Geliebten, die letzte Erklärung findet statt. Todtenklage, Josephus der Christ erhebt Theano. Die Sachsen ziehen nach der Heimath, die Leiche ihres Herzogs auf der Schildbahre, und singen ihr heidnisches Todtenlied. Von fern folgt ihnen ein Schiff mit Christen, darauf Theano. Die fromme Resig¬ nation des christlichen Chorals schließt. So schwach die Handlung, so willkürlich die Erfindung, so ist doch in dem Gedicht Einiges, was zu guten Hoffnungen berechtigt. Es ist wahr, der Dichter schildert noch sehr jugendlich, und das Behagen, mit welchem er seine Helden in der Situation empfindet, ist noch gar zu treuherzig, aber er versteht zu schildern, innerhalb skiner Voraussetzungen malt er lebendig und treffend und er ist gar nicht arm an kleinen poetischen Zügen, welche dazu helfen, den Moment zu verklären. Das Ganze ist noch Situationsmalerei, aber mit warmem Herzen erfundene, der Dichter glaubt an sich. Besonders lebhaft fühlt er das Reizende der Contraste. Der Rath, welchen ihm d. Bl. geben möchte, ist, daß er zunächst seine Erfindungskraft in einfacher, logisch geord¬ neter Erzählung übe. Sein Vers ist der gereimte jambische Fünffuß, den er gewandt zu benutzen weiß. Es sind hübsche Verse und Sätze von edler Hal¬ tung im Gedicht, dazwischen murmeln freilich prosaische Wendungen und Phrasen. Da dem Dichter die Verssprache leicht zu werden scheint, so möge er auch ein wenig an die Gefahren denken, welche dieser glatte, leicht dahin- schwebende Vers bereitet. Die zierliche Ausführung in kurzen Strichen, die er befördert, gibt den Zeichnungen eines seinen, weichen Dichlergemüthes leicht etwas Gelecktes. — Im Ganzen verdient der Verfasser sehr wohl die Theilnahme und Beachtung der deutschen Leser. Der Fall von Babylon. Von Adolf Böttger. Leipzig, F. L. Herbig — Cyrus vor Babylon gegen Belsazzar. Der Hebräer Jrad steht vor dem Lager des Cyrus aus Posten und denkt an seine Geliebte Thirza, in Babylon und an die buhlerische Gemahlin des Belsazzar, Nerissa, die ihn durch ihr Liebeswerben gezwungen, aus der Stadt zu fliehen. — Thirza liegt in der Hütte und träumt vom Geliebten, ihr Vater betet zu Jehovah. — Am Morgen ist das Fest des Baal in Babylon. König Belsazzar hält mit Nerissa feierlichen Umzug, er steht dabei den Hebräer Daniel und läßt ihn in die Löwengrube werfen, er sieht Thirza und beschließt, sie beim Fest seiner Wollust und dem Baal zu opfern. Ihr Vater fleht im Palast zu Nerissas Füßen um Gnade für die Tochter, sie fragt ihn nach Jrad, Belsazzar kommt dazu, hört den Namen und ersticht den Hebräergreis. — Ahnungen und Schreckens¬ vorzeichen umgeben den König beim Mahle, er bleibt trotzig, ergreift die heilige Schale Jehovahs, trinkt daraus und vergleicht sich mit Jehovah. In demselben Augenblick sinkt die Königin Nerissa von ihm vergiftet todt zu Boden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/295>, abgerufen am 23.07.2024.