Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der sich im Westen mit den Ausläufern des Kiratschly-Dagh vereinigt, ein
zerklüftetes und mit dicken, undurchdringlichen Wäldern bedecktes Gebirge.
Für Nußland hat das Thal des Kur um so größere Wichtigkeit, als nicht
blos die Hauptstadt Transkaukasiens, Tiflis, darin liegt, und seine Richtung
von dem Centralpunkte der armenischen Hochebene inS Innere Transkaukasiens
führt, sondern auch die neuerworbenen Festungen Achalzyk, Azkur, Achalkalaki
und Gertwiß darin liegen und seine Straßen sperren. Die KreiShauptstadt
und Festung Achalzyk liegt am linken Ufer des Pozkho (Poskho), eines
Nebenflusses des Kur, zwei Stunden von diesem entfernt, und fällt auf der
Südseite steil gegen ihn ab, während sie sich nach Norden und Westen auf¬
steigend auf den bergigen Abhängen des zum kartalinischen Gebirge gehörigen
Kara-Dagh ausdehnt. Diese Bergabhänge sind von Wasserrissen und Hohl¬
wegen zerfurcht, zwischen denen' die fast durchgängig unansehnlichen Häuser
in einem dichten Compler so eng zusammengedrängt liegen, daß sie weder
Gassen, noch Plätze bilden, und die Verbindung im Innern nur durch
ganz schmale Pfade unterhalten wird. Die meist zwei Etagen hohen Häuser
haben ganz horizontale, flache Dächer, die ihnen das Ansehen hoher Terrassen
geben. Die Stadt besteht aus drei Theilen: der Festung, der Alt- und der
Neustadt, wovon die beiden letztern durch den Pozkhofluß voneinander
geschieden sind. Die wenig geschützte Lage der durch den vorigen russisch-
türkischen Krieg fast ganz zerstörten Stadt veranlaßte nämlich den Plan zu
einer neuen Stadt am rechten Pozkhoufer, wo bereits ein neues Stadtviertel
erbaut und von armenischen Kolonisten bewohnt ist. Die Befestigungswerke
bilden ein seltsames Gemisch von georgischer und türkischer Bauart. Achalzyk
hat eine dreifache Befestigungsreihe, nämlich die von den Türken herrührenden,
in Erde ausgeführten Befestigungswerke der Vorstädte, oder die sogenannte
untere Festung, dann die eigentliche oder obere Festung, welche die Stadt
mittelst einer bastionirten Mauer umschließt, die sich auf einem hohen, schwer
zugänglichen Felsen ausdehnt, dessen Fuß der reißende Pozkho bespült, und
endlich die ganz unabhängig von der Stadt am höchsten liegende Citadelle.
Diese und die sogenannte obere Festung wurde von den Georgiern erbaut;
die Volkssage schreibt die Gründung der Festung der Königin Thamar, der
georgischen Semiramis, zu. Die Bergrücken und Schluchten, welche Achalzvk
umgeben, erschweren die Annäherung ungemein. Seitdem die Russen im Besitz
des Platzes sind, sind die Befestigungen nach den Regeln europäischer Forti-
fication vermehrt worden. Die Stadt gewährt mit ihrer öden, aller Vegetation
entbehrenden Umgebung und ihren kleinen, eng zusammengeworfenen Häusern
einen ziemlich traurigen Anblick. Sie hat meist armenische Kirchen, eine
Synagoge und unter den meist zertrümmerten Moscheen (einst 28, deren be¬
deutendste von Selim I. herrührten) eine sehr schöne, welche auf Befehl deS


der sich im Westen mit den Ausläufern des Kiratschly-Dagh vereinigt, ein
zerklüftetes und mit dicken, undurchdringlichen Wäldern bedecktes Gebirge.
Für Nußland hat das Thal des Kur um so größere Wichtigkeit, als nicht
blos die Hauptstadt Transkaukasiens, Tiflis, darin liegt, und seine Richtung
von dem Centralpunkte der armenischen Hochebene inS Innere Transkaukasiens
führt, sondern auch die neuerworbenen Festungen Achalzyk, Azkur, Achalkalaki
und Gertwiß darin liegen und seine Straßen sperren. Die KreiShauptstadt
und Festung Achalzyk liegt am linken Ufer des Pozkho (Poskho), eines
Nebenflusses des Kur, zwei Stunden von diesem entfernt, und fällt auf der
Südseite steil gegen ihn ab, während sie sich nach Norden und Westen auf¬
steigend auf den bergigen Abhängen des zum kartalinischen Gebirge gehörigen
Kara-Dagh ausdehnt. Diese Bergabhänge sind von Wasserrissen und Hohl¬
wegen zerfurcht, zwischen denen' die fast durchgängig unansehnlichen Häuser
in einem dichten Compler so eng zusammengedrängt liegen, daß sie weder
Gassen, noch Plätze bilden, und die Verbindung im Innern nur durch
ganz schmale Pfade unterhalten wird. Die meist zwei Etagen hohen Häuser
haben ganz horizontale, flache Dächer, die ihnen das Ansehen hoher Terrassen
geben. Die Stadt besteht aus drei Theilen: der Festung, der Alt- und der
Neustadt, wovon die beiden letztern durch den Pozkhofluß voneinander
geschieden sind. Die wenig geschützte Lage der durch den vorigen russisch-
türkischen Krieg fast ganz zerstörten Stadt veranlaßte nämlich den Plan zu
einer neuen Stadt am rechten Pozkhoufer, wo bereits ein neues Stadtviertel
erbaut und von armenischen Kolonisten bewohnt ist. Die Befestigungswerke
bilden ein seltsames Gemisch von georgischer und türkischer Bauart. Achalzyk
hat eine dreifache Befestigungsreihe, nämlich die von den Türken herrührenden,
in Erde ausgeführten Befestigungswerke der Vorstädte, oder die sogenannte
untere Festung, dann die eigentliche oder obere Festung, welche die Stadt
mittelst einer bastionirten Mauer umschließt, die sich auf einem hohen, schwer
zugänglichen Felsen ausdehnt, dessen Fuß der reißende Pozkho bespült, und
endlich die ganz unabhängig von der Stadt am höchsten liegende Citadelle.
Diese und die sogenannte obere Festung wurde von den Georgiern erbaut;
die Volkssage schreibt die Gründung der Festung der Königin Thamar, der
georgischen Semiramis, zu. Die Bergrücken und Schluchten, welche Achalzvk
umgeben, erschweren die Annäherung ungemein. Seitdem die Russen im Besitz
des Platzes sind, sind die Befestigungen nach den Regeln europäischer Forti-
fication vermehrt worden. Die Stadt gewährt mit ihrer öden, aller Vegetation
entbehrenden Umgebung und ihren kleinen, eng zusammengeworfenen Häusern
einen ziemlich traurigen Anblick. Sie hat meist armenische Kirchen, eine
Synagoge und unter den meist zertrümmerten Moscheen (einst 28, deren be¬
deutendste von Selim I. herrührten) eine sehr schöne, welche auf Befehl deS


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101273"/>
          <p xml:id="ID_848" prev="#ID_847" next="#ID_849"> der sich im Westen mit den Ausläufern des Kiratschly-Dagh vereinigt, ein<lb/>
zerklüftetes und mit dicken, undurchdringlichen Wäldern bedecktes Gebirge.<lb/>
Für Nußland hat das Thal des Kur um so größere Wichtigkeit, als nicht<lb/>
blos die Hauptstadt Transkaukasiens, Tiflis, darin liegt, und seine Richtung<lb/>
von dem Centralpunkte der armenischen Hochebene inS Innere Transkaukasiens<lb/>
führt, sondern auch die neuerworbenen Festungen Achalzyk, Azkur, Achalkalaki<lb/>
und Gertwiß darin liegen und seine Straßen sperren.  Die KreiShauptstadt<lb/>
und Festung Achalzyk liegt am linken Ufer des Pozkho (Poskho), eines<lb/>
Nebenflusses des Kur, zwei Stunden von diesem entfernt, und fällt auf der<lb/>
Südseite steil gegen ihn ab, während sie sich nach Norden und Westen auf¬<lb/>
steigend auf den bergigen Abhängen des zum kartalinischen Gebirge gehörigen<lb/>
Kara-Dagh ausdehnt. Diese Bergabhänge sind von Wasserrissen und Hohl¬<lb/>
wegen zerfurcht, zwischen denen' die fast durchgängig unansehnlichen Häuser<lb/>
in einem dichten Compler so eng zusammengedrängt liegen, daß sie weder<lb/>
Gassen, noch Plätze bilden, und die Verbindung im Innern nur durch<lb/>
ganz schmale Pfade unterhalten wird.  Die meist zwei Etagen hohen Häuser<lb/>
haben ganz horizontale, flache Dächer, die ihnen das Ansehen hoher Terrassen<lb/>
geben.  Die Stadt besteht aus drei Theilen: der Festung, der Alt- und der<lb/>
Neustadt, wovon die beiden letztern durch den Pozkhofluß voneinander<lb/>
geschieden sind.  Die wenig geschützte Lage der durch den vorigen russisch-<lb/>
türkischen Krieg fast ganz zerstörten Stadt veranlaßte nämlich den Plan zu<lb/>
einer neuen Stadt am rechten Pozkhoufer, wo bereits ein neues Stadtviertel<lb/>
erbaut und von armenischen Kolonisten bewohnt ist.  Die Befestigungswerke<lb/>
bilden ein seltsames Gemisch von georgischer und türkischer Bauart. Achalzyk<lb/>
hat eine dreifache Befestigungsreihe, nämlich die von den Türken herrührenden,<lb/>
in Erde ausgeführten Befestigungswerke der Vorstädte, oder die sogenannte<lb/>
untere Festung, dann die eigentliche oder obere Festung, welche die Stadt<lb/>
mittelst einer bastionirten Mauer umschließt, die sich auf einem hohen, schwer<lb/>
zugänglichen Felsen ausdehnt, dessen Fuß der reißende Pozkho bespült, und<lb/>
endlich die ganz unabhängig von der Stadt am höchsten liegende Citadelle.<lb/>
Diese und die sogenannte obere Festung wurde von den Georgiern erbaut;<lb/>
die Volkssage schreibt die Gründung der Festung der Königin Thamar, der<lb/>
georgischen Semiramis, zu.  Die Bergrücken und Schluchten, welche Achalzvk<lb/>
umgeben, erschweren die Annäherung ungemein. Seitdem die Russen im Besitz<lb/>
des Platzes sind, sind die Befestigungen nach den Regeln europäischer Forti-<lb/>
fication vermehrt worden. Die Stadt gewährt mit ihrer öden, aller Vegetation<lb/>
entbehrenden Umgebung und ihren kleinen, eng zusammengeworfenen Häusern<lb/>
einen ziemlich traurigen Anblick.  Sie hat meist armenische Kirchen, eine<lb/>
Synagoge und unter den meist zertrümmerten Moscheen (einst 28, deren be¬<lb/>
deutendste von Selim I. herrührten) eine sehr schöne, welche auf Befehl deS</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] der sich im Westen mit den Ausläufern des Kiratschly-Dagh vereinigt, ein zerklüftetes und mit dicken, undurchdringlichen Wäldern bedecktes Gebirge. Für Nußland hat das Thal des Kur um so größere Wichtigkeit, als nicht blos die Hauptstadt Transkaukasiens, Tiflis, darin liegt, und seine Richtung von dem Centralpunkte der armenischen Hochebene inS Innere Transkaukasiens führt, sondern auch die neuerworbenen Festungen Achalzyk, Azkur, Achalkalaki und Gertwiß darin liegen und seine Straßen sperren. Die KreiShauptstadt und Festung Achalzyk liegt am linken Ufer des Pozkho (Poskho), eines Nebenflusses des Kur, zwei Stunden von diesem entfernt, und fällt auf der Südseite steil gegen ihn ab, während sie sich nach Norden und Westen auf¬ steigend auf den bergigen Abhängen des zum kartalinischen Gebirge gehörigen Kara-Dagh ausdehnt. Diese Bergabhänge sind von Wasserrissen und Hohl¬ wegen zerfurcht, zwischen denen' die fast durchgängig unansehnlichen Häuser in einem dichten Compler so eng zusammengedrängt liegen, daß sie weder Gassen, noch Plätze bilden, und die Verbindung im Innern nur durch ganz schmale Pfade unterhalten wird. Die meist zwei Etagen hohen Häuser haben ganz horizontale, flache Dächer, die ihnen das Ansehen hoher Terrassen geben. Die Stadt besteht aus drei Theilen: der Festung, der Alt- und der Neustadt, wovon die beiden letztern durch den Pozkhofluß voneinander geschieden sind. Die wenig geschützte Lage der durch den vorigen russisch- türkischen Krieg fast ganz zerstörten Stadt veranlaßte nämlich den Plan zu einer neuen Stadt am rechten Pozkhoufer, wo bereits ein neues Stadtviertel erbaut und von armenischen Kolonisten bewohnt ist. Die Befestigungswerke bilden ein seltsames Gemisch von georgischer und türkischer Bauart. Achalzyk hat eine dreifache Befestigungsreihe, nämlich die von den Türken herrührenden, in Erde ausgeführten Befestigungswerke der Vorstädte, oder die sogenannte untere Festung, dann die eigentliche oder obere Festung, welche die Stadt mittelst einer bastionirten Mauer umschließt, die sich auf einem hohen, schwer zugänglichen Felsen ausdehnt, dessen Fuß der reißende Pozkho bespült, und endlich die ganz unabhängig von der Stadt am höchsten liegende Citadelle. Diese und die sogenannte obere Festung wurde von den Georgiern erbaut; die Volkssage schreibt die Gründung der Festung der Königin Thamar, der georgischen Semiramis, zu. Die Bergrücken und Schluchten, welche Achalzvk umgeben, erschweren die Annäherung ungemein. Seitdem die Russen im Besitz des Platzes sind, sind die Befestigungen nach den Regeln europäischer Forti- fication vermehrt worden. Die Stadt gewährt mit ihrer öden, aller Vegetation entbehrenden Umgebung und ihren kleinen, eng zusammengeworfenen Häusern einen ziemlich traurigen Anblick. Sie hat meist armenische Kirchen, eine Synagoge und unter den meist zertrümmerten Moscheen (einst 28, deren be¬ deutendste von Selim I. herrührten) eine sehr schöne, welche auf Befehl deS

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/280>, abgerufen am 23.07.2024.