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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Als ich nun hinunter kam, rief ich zum Volk: richt Euch! und alles
Plaudern hab' ein End'. -- Darauf fing ich auf dem, rechten Flügel zu
richten an, aber kaum hatte ich i bis S Rotten gerichtet, kam der Capitän
W...... gelaufen und sagte mir: ob ich denn nicht gehört, ich sollte gleich
mit ihm kommen. Hier bricht der Anfang von ihrem geschlossenen Kriegsrath
aus. -- Ich säumte nicht lange, sondern lief gleich zum Herrn Major und
fragte, was er zu befehlen hätte, worauf er mir zur Antwort gab, ich sollte
30 Dragoner nehmen und hinunter nach dem Bären marschiren und mich beim
Geheimrath Flörcke melden, um ihn nach Schwallungen in Sicherheit zu
bringen. Ich antwortete ihm sogleich: Herr Major, bitte um Vergebung, das-
kommt mir nicht zu und ich thue es nicht, es sind andere Offiziers da, die
dazu zu commandiren sind, aber ich nicht. -- Kurzum, ich hörte nun, daß
mich der Herr Geheimrath haben wollte. Wer hätte sich einen solchen Streich
träumen lassen sollen? ich hätte davon etwas wissen sollen! tausend Schwere¬
noth! ich hätte den Geheimenrath aus Wasungen bringen wollen; lieber in
die Werra hätte ich ihn geführt. -- Hier half nun keine weitere Vorstellung,
ich sollte und mußte fort. Das war der erste Streich! -- Darauf ich dem
Major zur Antwort gab: so muß ich mir's für eine Ehre schätzen, da so viele
Offiziers beim Commando sind und der Geheimrath so gutes Vertrauen auf
mich setzt; worauf ich noch die Ordre erhielt, daß ich dem Unteroffizier am
untern Thore sagen solle, daß er ihm eS melden ließe, sobald ich mit dem
Geheimrath hinaus wäre; das war der zweite Streich. Wer hätte sich solche
(ich will nicht schreiben, wie ich denke) Streiche einbilden können? Als ich
hernach dahinter kam, da wünschte ich, daß alle Pferde vor dem Wagen
krepirt wären, damit ich nicht durch solche List aus Wasungen wäre gebracht
worden. --

Ich ging nun fort, nahm 1 Corpora!, Görnlein, und 29 Dragoner, und
marschirte vor den Bären, wo ich einen Wagen vor der Thüre fand, den
Kerl oder die Bedienung aber in der Thüre stehen sah. Ich rief ihm zu, er
solle seinem Herrn melden, daß ich da wäre, worauf mir der Herr Geheimratl)
aus dem Wagen zurief: ich bin schon da. Ich detaschirtc hierauf den Cor¬
pora! mit -ki Mann hinter den Wagen und marschirte mit den übrigen vor
demselben her.

Als ich nun an das Unterthor kam, rief ich den Unteroffizier und befahl
ihm, dem Herrn Major melden zu lassen, daß ich und der Herr Geheimerath
auspassirt wären. Mittlerweile steht das Volk in größter Confusion auf dem
Sammelplatz / aber als der Gefreite gemeldet hatte, daß ich mit dem Gehei-
menrathe hinauspassirt wäre, stellt der Major gleich die Ordre, daß alles
Volk die Gewehre ansetzen und in seine Quartiere gehen solle, um seine Ba¬
gage zu holen; als dieses weg war, schickt er nach den Wachen und läßt


Als ich nun hinunter kam, rief ich zum Volk: richt Euch! und alles
Plaudern hab' ein End'. — Darauf fing ich auf dem, rechten Flügel zu
richten an, aber kaum hatte ich i bis S Rotten gerichtet, kam der Capitän
W...... gelaufen und sagte mir: ob ich denn nicht gehört, ich sollte gleich
mit ihm kommen. Hier bricht der Anfang von ihrem geschlossenen Kriegsrath
aus. — Ich säumte nicht lange, sondern lief gleich zum Herrn Major und
fragte, was er zu befehlen hätte, worauf er mir zur Antwort gab, ich sollte
30 Dragoner nehmen und hinunter nach dem Bären marschiren und mich beim
Geheimrath Flörcke melden, um ihn nach Schwallungen in Sicherheit zu
bringen. Ich antwortete ihm sogleich: Herr Major, bitte um Vergebung, das-
kommt mir nicht zu und ich thue es nicht, es sind andere Offiziers da, die
dazu zu commandiren sind, aber ich nicht. — Kurzum, ich hörte nun, daß
mich der Herr Geheimrath haben wollte. Wer hätte sich einen solchen Streich
träumen lassen sollen? ich hätte davon etwas wissen sollen! tausend Schwere¬
noth! ich hätte den Geheimenrath aus Wasungen bringen wollen; lieber in
die Werra hätte ich ihn geführt. — Hier half nun keine weitere Vorstellung,
ich sollte und mußte fort. Das war der erste Streich! — Darauf ich dem
Major zur Antwort gab: so muß ich mir's für eine Ehre schätzen, da so viele
Offiziers beim Commando sind und der Geheimrath so gutes Vertrauen auf
mich setzt; worauf ich noch die Ordre erhielt, daß ich dem Unteroffizier am
untern Thore sagen solle, daß er ihm eS melden ließe, sobald ich mit dem
Geheimrath hinaus wäre; das war der zweite Streich. Wer hätte sich solche
(ich will nicht schreiben, wie ich denke) Streiche einbilden können? Als ich
hernach dahinter kam, da wünschte ich, daß alle Pferde vor dem Wagen
krepirt wären, damit ich nicht durch solche List aus Wasungen wäre gebracht
worden. —

Ich ging nun fort, nahm 1 Corpora!, Görnlein, und 29 Dragoner, und
marschirte vor den Bären, wo ich einen Wagen vor der Thüre fand, den
Kerl oder die Bedienung aber in der Thüre stehen sah. Ich rief ihm zu, er
solle seinem Herrn melden, daß ich da wäre, worauf mir der Herr Geheimratl)
aus dem Wagen zurief: ich bin schon da. Ich detaschirtc hierauf den Cor¬
pora! mit -ki Mann hinter den Wagen und marschirte mit den übrigen vor
demselben her.

Als ich nun an das Unterthor kam, rief ich den Unteroffizier und befahl
ihm, dem Herrn Major melden zu lassen, daß ich und der Herr Geheimerath
auspassirt wären. Mittlerweile steht das Volk in größter Confusion auf dem
Sammelplatz / aber als der Gefreite gemeldet hatte, daß ich mit dem Gehei-
menrathe hinauspassirt wäre, stellt der Major gleich die Ordre, daß alles
Volk die Gewehre ansetzen und in seine Quartiere gehen solle, um seine Ba¬
gage zu holen; als dieses weg war, schickt er nach den Wachen und läßt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/28>, abgerufen am 25.08.2024.