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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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ventlow aus Tondern, der bei den Ständen königlicher Commissär war, vor¬
gefragt und die Antwort erhalten hatte, daß man die Leute nur gewähren
lassen sollte, gab er die Petition wieder frei und die Folge war, daß man in
der ganzen Karrharde frei petitionirte.

Anders ging es im Kirchspiel Uberg (Südtonderharde). Dort hat der fana¬
tische Eiderdäne Hardesvogt Kiaer das Regiment und der konnte nicht dulden,
daß die Bevölkerung im Widerspruch mit seinen Bestrebungen ihre Wünsche
vor die Stände brachte. Er ließ durch seine Gensdarmen die Petition weg¬
nehmen, citirte eine Menge Petenten, stellte eine große Inquisition an und
brachte es durch eingeflößte Furcht dahin, daß eine Bauerwitwe deponirte, nicht
sie selbst, sondern ihre Tochter habe ihren Namen unterschrieben. Das war
ein trefflicher Fund, und obgleich es sich herausstellte, daß die Tochter in der
gewissen Ueberzeugung unterschrieben hatte, daß dies ihrer Mutter Wunsch sei,
wurden doch sowol das junge Mädchen, als die beiden Bauern, welche die Pe¬
tition zur Unterschrift vorgelegt hatten, mit bedeutender Geldbuße belegt. -- Ver¬
geblich wandte sich eine Deputation aus dem Kirchspiel an den Grafen um
Befehl zur Freigabe der Petition, die schon fast von allen Gemeindemitgliedern
unterschrieben war; er zuckte die Achseln und erwiderte, er sei augenblicklich
Commissanus und nicht Amtmann. Die Petition blieb in Kiaers Händen
und man mußte sich damit begnügen, eine den Hergang darstellende, von eini¬
gen Bauern unterschriebene Eingabe an die Stände zu machen.

Es wurde von den Dänen dem Petitioniren stark entgegengearbeitet, aber
die Sprachsache war und ist zu sehr Herzenssache der Bevölkerung, als daß sie
etwas hätten ausrichten können. In Ladelund soll der dänischgesinnte Kirch¬
spielvogt sich alle mögliche Mühe gegeben und sogar Drohungen mit Strafen
angewandt haben, eine Adresse für die dänische Sprache ' zu Stande zu
bringen, es gelang ihm aber nur etwa ein halb Dutzend Unterschriften zu be¬
kommen.

Nicht weniger entschieden deutschgesinnt, als die Bewohner der Karrharde,
sind die des Kirchspiels Aventoft. Als ganz besonders rege und ausdauernde
Patrioten endlich gelten die Bewohner des freundlichen und betriebsamen
Fleckens Hoyer, gegenüber der Insel Sylt. Auch sie sprechen im gewöhnlichen
Leben das dänische Patois. Dennoch findet man im ganzen Herzogthume
keine bessern Schleswig-Holsteiner und keine eifrigem Feinde der DanisirungS-
gelüste. Namentlich sind alle Gebildeten und alle Besitzenden Gegner der
niederdänischen und gesammtstaatlichen Bestrebungen, und obgleich der dänische
Apotheker Nagel einen bedeutenden Terrorismus übt und jede Aeußerung von
deutscher Gesinnung denuncirt, so will es ihm doch nicht gelingen, seiner
Partei mehr Geltung und Beachtung zu verschaffen, er und sein Freund Kiaer
werden schwere Arbeit haben, die fast durchgängig wohlhabenden, ungewöhn-


ventlow aus Tondern, der bei den Ständen königlicher Commissär war, vor¬
gefragt und die Antwort erhalten hatte, daß man die Leute nur gewähren
lassen sollte, gab er die Petition wieder frei und die Folge war, daß man in
der ganzen Karrharde frei petitionirte.

Anders ging es im Kirchspiel Uberg (Südtonderharde). Dort hat der fana¬
tische Eiderdäne Hardesvogt Kiaer das Regiment und der konnte nicht dulden,
daß die Bevölkerung im Widerspruch mit seinen Bestrebungen ihre Wünsche
vor die Stände brachte. Er ließ durch seine Gensdarmen die Petition weg¬
nehmen, citirte eine Menge Petenten, stellte eine große Inquisition an und
brachte es durch eingeflößte Furcht dahin, daß eine Bauerwitwe deponirte, nicht
sie selbst, sondern ihre Tochter habe ihren Namen unterschrieben. Das war
ein trefflicher Fund, und obgleich es sich herausstellte, daß die Tochter in der
gewissen Ueberzeugung unterschrieben hatte, daß dies ihrer Mutter Wunsch sei,
wurden doch sowol das junge Mädchen, als die beiden Bauern, welche die Pe¬
tition zur Unterschrift vorgelegt hatten, mit bedeutender Geldbuße belegt. — Ver¬
geblich wandte sich eine Deputation aus dem Kirchspiel an den Grafen um
Befehl zur Freigabe der Petition, die schon fast von allen Gemeindemitgliedern
unterschrieben war; er zuckte die Achseln und erwiderte, er sei augenblicklich
Commissanus und nicht Amtmann. Die Petition blieb in Kiaers Händen
und man mußte sich damit begnügen, eine den Hergang darstellende, von eini¬
gen Bauern unterschriebene Eingabe an die Stände zu machen.

Es wurde von den Dänen dem Petitioniren stark entgegengearbeitet, aber
die Sprachsache war und ist zu sehr Herzenssache der Bevölkerung, als daß sie
etwas hätten ausrichten können. In Ladelund soll der dänischgesinnte Kirch¬
spielvogt sich alle mögliche Mühe gegeben und sogar Drohungen mit Strafen
angewandt haben, eine Adresse für die dänische Sprache ' zu Stande zu
bringen, es gelang ihm aber nur etwa ein halb Dutzend Unterschriften zu be¬
kommen.

Nicht weniger entschieden deutschgesinnt, als die Bewohner der Karrharde,
sind die des Kirchspiels Aventoft. Als ganz besonders rege und ausdauernde
Patrioten endlich gelten die Bewohner des freundlichen und betriebsamen
Fleckens Hoyer, gegenüber der Insel Sylt. Auch sie sprechen im gewöhnlichen
Leben das dänische Patois. Dennoch findet man im ganzen Herzogthume
keine bessern Schleswig-Holsteiner und keine eifrigem Feinde der DanisirungS-
gelüste. Namentlich sind alle Gebildeten und alle Besitzenden Gegner der
niederdänischen und gesammtstaatlichen Bestrebungen, und obgleich der dänische
Apotheker Nagel einen bedeutenden Terrorismus übt und jede Aeußerung von
deutscher Gesinnung denuncirt, so will es ihm doch nicht gelingen, seiner
Partei mehr Geltung und Beachtung zu verschaffen, er und sein Freund Kiaer
werden schwere Arbeit haben, die fast durchgängig wohlhabenden, ungewöhn-


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[0278] ventlow aus Tondern, der bei den Ständen königlicher Commissär war, vor¬ gefragt und die Antwort erhalten hatte, daß man die Leute nur gewähren lassen sollte, gab er die Petition wieder frei und die Folge war, daß man in der ganzen Karrharde frei petitionirte. Anders ging es im Kirchspiel Uberg (Südtonderharde). Dort hat der fana¬ tische Eiderdäne Hardesvogt Kiaer das Regiment und der konnte nicht dulden, daß die Bevölkerung im Widerspruch mit seinen Bestrebungen ihre Wünsche vor die Stände brachte. Er ließ durch seine Gensdarmen die Petition weg¬ nehmen, citirte eine Menge Petenten, stellte eine große Inquisition an und brachte es durch eingeflößte Furcht dahin, daß eine Bauerwitwe deponirte, nicht sie selbst, sondern ihre Tochter habe ihren Namen unterschrieben. Das war ein trefflicher Fund, und obgleich es sich herausstellte, daß die Tochter in der gewissen Ueberzeugung unterschrieben hatte, daß dies ihrer Mutter Wunsch sei, wurden doch sowol das junge Mädchen, als die beiden Bauern, welche die Pe¬ tition zur Unterschrift vorgelegt hatten, mit bedeutender Geldbuße belegt. — Ver¬ geblich wandte sich eine Deputation aus dem Kirchspiel an den Grafen um Befehl zur Freigabe der Petition, die schon fast von allen Gemeindemitgliedern unterschrieben war; er zuckte die Achseln und erwiderte, er sei augenblicklich Commissanus und nicht Amtmann. Die Petition blieb in Kiaers Händen und man mußte sich damit begnügen, eine den Hergang darstellende, von eini¬ gen Bauern unterschriebene Eingabe an die Stände zu machen. Es wurde von den Dänen dem Petitioniren stark entgegengearbeitet, aber die Sprachsache war und ist zu sehr Herzenssache der Bevölkerung, als daß sie etwas hätten ausrichten können. In Ladelund soll der dänischgesinnte Kirch¬ spielvogt sich alle mögliche Mühe gegeben und sogar Drohungen mit Strafen angewandt haben, eine Adresse für die dänische Sprache ' zu Stande zu bringen, es gelang ihm aber nur etwa ein halb Dutzend Unterschriften zu be¬ kommen. Nicht weniger entschieden deutschgesinnt, als die Bewohner der Karrharde, sind die des Kirchspiels Aventoft. Als ganz besonders rege und ausdauernde Patrioten endlich gelten die Bewohner des freundlichen und betriebsamen Fleckens Hoyer, gegenüber der Insel Sylt. Auch sie sprechen im gewöhnlichen Leben das dänische Patois. Dennoch findet man im ganzen Herzogthume keine bessern Schleswig-Holsteiner und keine eifrigem Feinde der DanisirungS- gelüste. Namentlich sind alle Gebildeten und alle Besitzenden Gegner der niederdänischen und gesammtstaatlichen Bestrebungen, und obgleich der dänische Apotheker Nagel einen bedeutenden Terrorismus übt und jede Aeußerung von deutscher Gesinnung denuncirt, so will es ihm doch nicht gelingen, seiner Partei mehr Geltung und Beachtung zu verschaffen, er und sein Freund Kiaer werden schwere Arbeit haben, die fast durchgängig wohlhabenden, ungewöhn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/278>, abgerufen am 25.08.2024.