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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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unsre Mutter, unser Vaterland aus, wenn seine auserwählten Söhne, erkoren
zu dessen Schutz, den Muth verlieren, und -- um innerhalb ihrer eignen
Schwelle Frieden zu erlangen -- Schleswig, das theuer erkaufte Südjütland,
dem deutschen Moloch zum Opfer hinwerfen! -- Das sind gar zu starke Aus¬
drücke, nichtige Uebertreibungen, unüberlegte Reden -- nein, nein, es ist Wahr¬
heit -- eS ist eine Wahrheit, die kein dänisches Reichstagsmitglied widerlegen
kann, daß, wenn es schließlich festgestellt wird, daß Schleswig
nach Karl Moltkes despotischer Verfassung, das übrige Däne¬
mark nach einem Grundgese dz, worin noch einige gute "Reste" von
Freiheit aufbewahrt sind, regiert werden soll, alsdann Schles¬
wig und das übrige Dänemark voneinander getrennt sind, sich
mehr und mehr voneinander entfernen, einer verschiedenen Entwicklung, jedes
nach seiner Seite entgegengehen. Denn hat Dänemark Schleswig die Frei¬
heit genommen, welche ihm verheißen war, hat der dänische Reichstag Schles¬
wig die Freiheit abgeschwindelt, so muß Schleswig, wenn es vermeiden will,
in Karl Moltkes Zwangsjacke zu verschmachten, seine Hoffnung nach Süden
richten! Das ist kein Gewäsch, noch Uebertreibung -- das ist der ganz einfache,
nothwendige Verlauf! Kann der dänische Reichstag eine GesammtstaatSverfassung,
wie diejenige, welche das jetzige Ministerium dem Volke angeboten hat, ge¬
nehmigen, dann wird Schleswig sich wahrlich nicht der Liebe von Seiten der
Vertreter des dänischen Volkes erfreuen. Was in der Welt sollte dann dänische
Nationalität in Schleswig nähren und befestigen?

Nein, saget Dänemarks König: Wir wollen dein Königswort in Ehren
halten, König Freberik! Schleswig muß Theil haben an unsrer Freiheit; wir
haben miteinander gelitten, und du gelobtest uns, daß wir des Friedens und
der Freiheit Segnungen miteinander genießen sollten. Als man uns mit Ge¬
walt trennen wollte, da sprachst du: "Es soll nicht geschehen!" Jetzt will man
es durch schöne Reden, allein wir haben.nun von dir gelernt dieselben Worte
zusprechen: "Es soll nicht geschehen!"

Gib Schleswig dänische Freiheit, sonst erhält Schleswig nimmer
dänisches Nationalgefühl. Nationalität kann nicht gedeihen, kann nicht Leben
gewinnen und nicht Leben geben ohne Freiheit. Aber durch Theilnahme an
gemeinsamen freien Institutionen, durch ein Bestreben nach Einheit und Ueber¬
einstimmung in der Gesetzgebung, durch gemeinschaftliche Freude und gemein¬
schaftlichen Kummer müßten Schleswigs und des übrigen Dänemarks Herzen
zusammenwachsen. Und wenn das dänische Volk Schleswig Antheil an der¬
selben Freiheit gibt, welche es selbst hat, dann werden die deutschen Sympa¬
thien schon nach und nach wie Thau vor der Morgensonne schwinden; denn
alsvann lernt der Südjüte, daß es gut ist, Däne zu sein (etwas, das Karl
Moltke ihn freilich nicht gelehrt hat), und wird wol noch einmal im Laufe der


unsre Mutter, unser Vaterland aus, wenn seine auserwählten Söhne, erkoren
zu dessen Schutz, den Muth verlieren, und — um innerhalb ihrer eignen
Schwelle Frieden zu erlangen — Schleswig, das theuer erkaufte Südjütland,
dem deutschen Moloch zum Opfer hinwerfen! — Das sind gar zu starke Aus¬
drücke, nichtige Uebertreibungen, unüberlegte Reden — nein, nein, es ist Wahr¬
heit — eS ist eine Wahrheit, die kein dänisches Reichstagsmitglied widerlegen
kann, daß, wenn es schließlich festgestellt wird, daß Schleswig
nach Karl Moltkes despotischer Verfassung, das übrige Däne¬
mark nach einem Grundgese dz, worin noch einige gute „Reste" von
Freiheit aufbewahrt sind, regiert werden soll, alsdann Schles¬
wig und das übrige Dänemark voneinander getrennt sind, sich
mehr und mehr voneinander entfernen, einer verschiedenen Entwicklung, jedes
nach seiner Seite entgegengehen. Denn hat Dänemark Schleswig die Frei¬
heit genommen, welche ihm verheißen war, hat der dänische Reichstag Schles¬
wig die Freiheit abgeschwindelt, so muß Schleswig, wenn es vermeiden will,
in Karl Moltkes Zwangsjacke zu verschmachten, seine Hoffnung nach Süden
richten! Das ist kein Gewäsch, noch Uebertreibung — das ist der ganz einfache,
nothwendige Verlauf! Kann der dänische Reichstag eine GesammtstaatSverfassung,
wie diejenige, welche das jetzige Ministerium dem Volke angeboten hat, ge¬
nehmigen, dann wird Schleswig sich wahrlich nicht der Liebe von Seiten der
Vertreter des dänischen Volkes erfreuen. Was in der Welt sollte dann dänische
Nationalität in Schleswig nähren und befestigen?

Nein, saget Dänemarks König: Wir wollen dein Königswort in Ehren
halten, König Freberik! Schleswig muß Theil haben an unsrer Freiheit; wir
haben miteinander gelitten, und du gelobtest uns, daß wir des Friedens und
der Freiheit Segnungen miteinander genießen sollten. Als man uns mit Ge¬
walt trennen wollte, da sprachst du: „Es soll nicht geschehen!" Jetzt will man
es durch schöne Reden, allein wir haben.nun von dir gelernt dieselben Worte
zusprechen: „Es soll nicht geschehen!"

Gib Schleswig dänische Freiheit, sonst erhält Schleswig nimmer
dänisches Nationalgefühl. Nationalität kann nicht gedeihen, kann nicht Leben
gewinnen und nicht Leben geben ohne Freiheit. Aber durch Theilnahme an
gemeinsamen freien Institutionen, durch ein Bestreben nach Einheit und Ueber¬
einstimmung in der Gesetzgebung, durch gemeinschaftliche Freude und gemein¬
schaftlichen Kummer müßten Schleswigs und des übrigen Dänemarks Herzen
zusammenwachsen. Und wenn das dänische Volk Schleswig Antheil an der¬
selben Freiheit gibt, welche es selbst hat, dann werden die deutschen Sympa¬
thien schon nach und nach wie Thau vor der Morgensonne schwinden; denn
alsvann lernt der Südjüte, daß es gut ist, Däne zu sein (etwas, das Karl
Moltke ihn freilich nicht gelehrt hat), und wird wol noch einmal im Laufe der


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[0274] unsre Mutter, unser Vaterland aus, wenn seine auserwählten Söhne, erkoren zu dessen Schutz, den Muth verlieren, und — um innerhalb ihrer eignen Schwelle Frieden zu erlangen — Schleswig, das theuer erkaufte Südjütland, dem deutschen Moloch zum Opfer hinwerfen! — Das sind gar zu starke Aus¬ drücke, nichtige Uebertreibungen, unüberlegte Reden — nein, nein, es ist Wahr¬ heit — eS ist eine Wahrheit, die kein dänisches Reichstagsmitglied widerlegen kann, daß, wenn es schließlich festgestellt wird, daß Schleswig nach Karl Moltkes despotischer Verfassung, das übrige Däne¬ mark nach einem Grundgese dz, worin noch einige gute „Reste" von Freiheit aufbewahrt sind, regiert werden soll, alsdann Schles¬ wig und das übrige Dänemark voneinander getrennt sind, sich mehr und mehr voneinander entfernen, einer verschiedenen Entwicklung, jedes nach seiner Seite entgegengehen. Denn hat Dänemark Schleswig die Frei¬ heit genommen, welche ihm verheißen war, hat der dänische Reichstag Schles¬ wig die Freiheit abgeschwindelt, so muß Schleswig, wenn es vermeiden will, in Karl Moltkes Zwangsjacke zu verschmachten, seine Hoffnung nach Süden richten! Das ist kein Gewäsch, noch Uebertreibung — das ist der ganz einfache, nothwendige Verlauf! Kann der dänische Reichstag eine GesammtstaatSverfassung, wie diejenige, welche das jetzige Ministerium dem Volke angeboten hat, ge¬ nehmigen, dann wird Schleswig sich wahrlich nicht der Liebe von Seiten der Vertreter des dänischen Volkes erfreuen. Was in der Welt sollte dann dänische Nationalität in Schleswig nähren und befestigen? Nein, saget Dänemarks König: Wir wollen dein Königswort in Ehren halten, König Freberik! Schleswig muß Theil haben an unsrer Freiheit; wir haben miteinander gelitten, und du gelobtest uns, daß wir des Friedens und der Freiheit Segnungen miteinander genießen sollten. Als man uns mit Ge¬ walt trennen wollte, da sprachst du: „Es soll nicht geschehen!" Jetzt will man es durch schöne Reden, allein wir haben.nun von dir gelernt dieselben Worte zusprechen: „Es soll nicht geschehen!" Gib Schleswig dänische Freiheit, sonst erhält Schleswig nimmer dänisches Nationalgefühl. Nationalität kann nicht gedeihen, kann nicht Leben gewinnen und nicht Leben geben ohne Freiheit. Aber durch Theilnahme an gemeinsamen freien Institutionen, durch ein Bestreben nach Einheit und Ueber¬ einstimmung in der Gesetzgebung, durch gemeinschaftliche Freude und gemein¬ schaftlichen Kummer müßten Schleswigs und des übrigen Dänemarks Herzen zusammenwachsen. Und wenn das dänische Volk Schleswig Antheil an der¬ selben Freiheit gibt, welche es selbst hat, dann werden die deutschen Sympa¬ thien schon nach und nach wie Thau vor der Morgensonne schwinden; denn alsvann lernt der Südjüte, daß es gut ist, Däne zu sein (etwas, das Karl Moltke ihn freilich nicht gelehrt hat), und wird wol noch einmal im Laufe der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/274>, abgerufen am 23.07.2024.