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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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der Form einer Strafe für den Aufruhr aufgetreten und die Beamten können
eS nicht vermeiden, als türkische Paschas betrachtet zu werden. Moltke nun
konnte unmöglich dänische Nationalität befördern -- Nationalität ist ihm uno
seinen Nachbetern (z. B. der flensburger Zeitung) eine Chimäre, ein Ungeheuer,
welches getödtet werden muß, wo es sich zeigt -- allein er hat, ohne es zu
wollen -- davon fühlen wir uns überzeugt, die deutsche Nationalität dadurch
befördert, daß er sie mit Gewalt unterdrückte. Alle, welche Angeln vor dem
Kriege kannten, müssen erstaunen über die Fortschritte, welche das Deutsche
in den dazwischenliegenden Jahren gemacht hat. Damals machte es der Be¬
völkerung Vergnügen*), wenn zuwvilen ein dänischer Reisender ankam, der
dänisch mit ihnen sprechen wollte; sie sahen doch daraus, daß gebildete Leute
auch ihre Sprache verständen und daß diese nicht so erbärmlich und verächtlich
sei, wie ihre in dem augusteuburgischen Conspirationsnetz**) bereits lange stark
befangenen Beamten ihnen einbilden wollten. Aber kommt nun in dieselben
Gegenden, zu denselben Leuten! Jetzt können sie kein dänisches Wort ver¬
stehen -- sie haben niemals weder dänisch gesprochen, noch verstanden; selbst
wenn es ihnen nachgewiesen wird, daß sie bis vor wenig Jahren in ihren
Häusern dänisch gesprochen haben, ja wenn sie auch auf frischer That mit
Freunden und Nachbarn dänisch sprechend ertappt werden, so bleibt die Ver¬
sicherung dieselbe, indem sie alsdann in der bekannten feinen Distinction zwischen
Kopenhagenerdänisch und Kartoffeldänisch***) instruirt sind. Die Bevölkerung ist
förmlich demoralisirt vom Deutschthum in den wenigen Jahren, da das Sprach-
rescript zu derselben in Kirche und Schule mit deren eigner Sprache gekommen
ist. -- Das alles, wird man sagen, ist Schuld der Jnsurrection. Ja freilich,
denn die deutschen Lehrer der Jnsurrection trugen die Bevölkerung auf den
Händen, setzten ihnen große Grillen von deutscher Größe und dänischer Klein¬
heit in den Kopf, schmeichelten ihrer Eitelkeit damit, sie zu einem Glied deö
großen deutschen Leibes, des europäischen Centralvolkö zu machen, während
sie alles verhöhnten, was dänisch war -- und diese Stimmung wird unver¬
drossen aufrecht erhalten durch Correspondence, Emissäre und Reisen. Die
deutsche Nationalität ist der südschleswigschen Bevölkerung entgegengekommen,
wie der Bräutigam der Braut. Was Wunder, daß die Braut bethört wurde
von der vielen Liebe, den vielen theuren Versicherungen der Treue, der
frischen Begeisterung und den süßen Worten von den Lippen des Liebhabers?
--Was thut nun das Dänenthum, um sein irregeleitetes Kind zurückzu¬
führen? Oeffnete es ihm seine Mutterarme? War es der Mutter milde, lie-





, *) Das ist entschiedene SelbsttKuschnng.
???
So "eure man wol den stark mit Deutsch und Friesisch vermischten dänischen Dialekt,
welcher in Nord- und Mittelschleswu; gesprochen wird.

der Form einer Strafe für den Aufruhr aufgetreten und die Beamten können
eS nicht vermeiden, als türkische Paschas betrachtet zu werden. Moltke nun
konnte unmöglich dänische Nationalität befördern — Nationalität ist ihm uno
seinen Nachbetern (z. B. der flensburger Zeitung) eine Chimäre, ein Ungeheuer,
welches getödtet werden muß, wo es sich zeigt — allein er hat, ohne es zu
wollen — davon fühlen wir uns überzeugt, die deutsche Nationalität dadurch
befördert, daß er sie mit Gewalt unterdrückte. Alle, welche Angeln vor dem
Kriege kannten, müssen erstaunen über die Fortschritte, welche das Deutsche
in den dazwischenliegenden Jahren gemacht hat. Damals machte es der Be¬
völkerung Vergnügen*), wenn zuwvilen ein dänischer Reisender ankam, der
dänisch mit ihnen sprechen wollte; sie sahen doch daraus, daß gebildete Leute
auch ihre Sprache verständen und daß diese nicht so erbärmlich und verächtlich
sei, wie ihre in dem augusteuburgischen Conspirationsnetz**) bereits lange stark
befangenen Beamten ihnen einbilden wollten. Aber kommt nun in dieselben
Gegenden, zu denselben Leuten! Jetzt können sie kein dänisches Wort ver¬
stehen — sie haben niemals weder dänisch gesprochen, noch verstanden; selbst
wenn es ihnen nachgewiesen wird, daß sie bis vor wenig Jahren in ihren
Häusern dänisch gesprochen haben, ja wenn sie auch auf frischer That mit
Freunden und Nachbarn dänisch sprechend ertappt werden, so bleibt die Ver¬
sicherung dieselbe, indem sie alsdann in der bekannten feinen Distinction zwischen
Kopenhagenerdänisch und Kartoffeldänisch***) instruirt sind. Die Bevölkerung ist
förmlich demoralisirt vom Deutschthum in den wenigen Jahren, da das Sprach-
rescript zu derselben in Kirche und Schule mit deren eigner Sprache gekommen
ist. — Das alles, wird man sagen, ist Schuld der Jnsurrection. Ja freilich,
denn die deutschen Lehrer der Jnsurrection trugen die Bevölkerung auf den
Händen, setzten ihnen große Grillen von deutscher Größe und dänischer Klein¬
heit in den Kopf, schmeichelten ihrer Eitelkeit damit, sie zu einem Glied deö
großen deutschen Leibes, des europäischen Centralvolkö zu machen, während
sie alles verhöhnten, was dänisch war — und diese Stimmung wird unver¬
drossen aufrecht erhalten durch Correspondence, Emissäre und Reisen. Die
deutsche Nationalität ist der südschleswigschen Bevölkerung entgegengekommen,
wie der Bräutigam der Braut. Was Wunder, daß die Braut bethört wurde
von der vielen Liebe, den vielen theuren Versicherungen der Treue, der
frischen Begeisterung und den süßen Worten von den Lippen des Liebhabers?
--Was thut nun das Dänenthum, um sein irregeleitetes Kind zurückzu¬
führen? Oeffnete es ihm seine Mutterarme? War es der Mutter milde, lie-





, *) Das ist entschiedene SelbsttKuschnng.
???
So »eure man wol den stark mit Deutsch und Friesisch vermischten dänischen Dialekt,
welcher in Nord- und Mittelschleswu; gesprochen wird.
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[0271] der Form einer Strafe für den Aufruhr aufgetreten und die Beamten können eS nicht vermeiden, als türkische Paschas betrachtet zu werden. Moltke nun konnte unmöglich dänische Nationalität befördern — Nationalität ist ihm uno seinen Nachbetern (z. B. der flensburger Zeitung) eine Chimäre, ein Ungeheuer, welches getödtet werden muß, wo es sich zeigt — allein er hat, ohne es zu wollen — davon fühlen wir uns überzeugt, die deutsche Nationalität dadurch befördert, daß er sie mit Gewalt unterdrückte. Alle, welche Angeln vor dem Kriege kannten, müssen erstaunen über die Fortschritte, welche das Deutsche in den dazwischenliegenden Jahren gemacht hat. Damals machte es der Be¬ völkerung Vergnügen*), wenn zuwvilen ein dänischer Reisender ankam, der dänisch mit ihnen sprechen wollte; sie sahen doch daraus, daß gebildete Leute auch ihre Sprache verständen und daß diese nicht so erbärmlich und verächtlich sei, wie ihre in dem augusteuburgischen Conspirationsnetz**) bereits lange stark befangenen Beamten ihnen einbilden wollten. Aber kommt nun in dieselben Gegenden, zu denselben Leuten! Jetzt können sie kein dänisches Wort ver¬ stehen — sie haben niemals weder dänisch gesprochen, noch verstanden; selbst wenn es ihnen nachgewiesen wird, daß sie bis vor wenig Jahren in ihren Häusern dänisch gesprochen haben, ja wenn sie auch auf frischer That mit Freunden und Nachbarn dänisch sprechend ertappt werden, so bleibt die Ver¬ sicherung dieselbe, indem sie alsdann in der bekannten feinen Distinction zwischen Kopenhagenerdänisch und Kartoffeldänisch***) instruirt sind. Die Bevölkerung ist förmlich demoralisirt vom Deutschthum in den wenigen Jahren, da das Sprach- rescript zu derselben in Kirche und Schule mit deren eigner Sprache gekommen ist. — Das alles, wird man sagen, ist Schuld der Jnsurrection. Ja freilich, denn die deutschen Lehrer der Jnsurrection trugen die Bevölkerung auf den Händen, setzten ihnen große Grillen von deutscher Größe und dänischer Klein¬ heit in den Kopf, schmeichelten ihrer Eitelkeit damit, sie zu einem Glied deö großen deutschen Leibes, des europäischen Centralvolkö zu machen, während sie alles verhöhnten, was dänisch war — und diese Stimmung wird unver¬ drossen aufrecht erhalten durch Correspondence, Emissäre und Reisen. Die deutsche Nationalität ist der südschleswigschen Bevölkerung entgegengekommen, wie der Bräutigam der Braut. Was Wunder, daß die Braut bethört wurde von der vielen Liebe, den vielen theuren Versicherungen der Treue, der frischen Begeisterung und den süßen Worten von den Lippen des Liebhabers? --Was thut nun das Dänenthum, um sein irregeleitetes Kind zurückzu¬ führen? Oeffnete es ihm seine Mutterarme? War es der Mutter milde, lie- , *) Das ist entschiedene SelbsttKuschnng. ??? So »eure man wol den stark mit Deutsch und Friesisch vermischten dänischen Dialekt, welcher in Nord- und Mittelschleswu; gesprochen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/271>, abgerufen am 23.07.2024.