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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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denen sie ebenfalls abverlangt wurde, verweigerten sie und ergriffen die Waffen
zur Abwehr des Zwanges, König Abel zog mit einem großen Heere gegen
sie, und da sie es mit seinen Reitern nicht aufnehmen konnten, litt ihr Land
außerordentlich. Als sie aber endlich das dänische Heer in einer Gegend gelagert
sahen,, die ihnen sür einen Angriff günstig war -- es war aus dem Königs¬
kamp in Eiderstcdt -- brachten sie ihm eine schreckliche Niederlage bei. Das
dänische Fußvolk war von der elenden Beschaffenheit, wie es überall bei den
Feudalheeren zu sein Pflegte. Die Friesen dagegen waren, wie ihre Nachbarn,
die Ditmarsen, eigenthümlich bewaffnet und zum Fußkampf auf einem, ihnen be¬
kannten Boden trefflich eingeübt. Als sie deshalb gegen das feindliche Lager
anrückten, warteten die Dänen ihren Angriff nicht einmal ab, sondern flohen
eiligst davon. Ein Versuch des Königs, sein flüchtiges Volk zu sammeln,
mißglückte und fühlte den Verlust des größten Theiles des Heeres herbei.
Auch Abel begab sich auf die Flucht. Als er aber den Milderdamm erreichte,
war ein Nademacher von Nordstrand, Wessel Hummer, ihm vorausgeeilt und
hielt sich in einen Siel (Schleuße), die unter dem Damme wegging, verborgen,
bis der König kam; da sprang er hervor, griff ihn an und streckte ihn todt
zu Boden.

Dies geschah im Jahre vier Jahre früher, als die Stammverwandten
der Nordfriesen, die Westfriesen, im Kampfe für ihre Rechte den ritterlichen
Kaiser Wilhelm von Holland erschlüge".

Einen hartnäckigem Kampf noch als mit den nordischen Eroberern kämpf¬
ten die Friesen mit den Wellen. Beide haben schon seit geraumer Zeit nach¬
gelassen. Von dem einen ist nur ein gewisser Nationalstolz, von dem andern
nur ein gewisser Trübsinn zurückgeblieben, der aber seine Ursache vielleicht
auch in dem Phlegma der Marschen und in dem nebligen Seeklima hat. Von
den heutigen Friesen rühmt man, daß sie gute Nechnenmeister sind und daß sie das
fetteste Vieh für die Märkte von Bredstedt und Husum ziehen. Ein anderer
und besserer Ruhm aber ist, daß sie von den Marschleuten am eifrigsten und
ausdauerndsten die Sache Schleswig-Holsteins unterstützt haben, was sich
leider von ihren berühmteren Nachbarn, den Ditmarsen, nicht sagen läßt.

Wenn ich nun ein Wort über die Gesinnung der Bewohner Nord- und
Nordwestschleswigs hinzufüge, so kann als Regel gelten, daß, während früher nur
die fast ausnahmslose Mehrzahl der Wohlhabenden und Gebildeten deutsch ge¬
sinnt war, gegenwärtig auch die große Menge -- so weit bei ihr überhaupt
von Gesinnung die Rede sein kann -- dem Dänenthume oder zum mindesten
dem Kvpcnhagenerthume feind und wo nicht deutsch, doch Schleswig-holsteinisch
gesinnt ist.

Der Westen dagegen (Nordfriesland, Karrharde und Eiderstedt) ist mit
seiner ganzen Bevölkerung der Sache der Herzogthümer und Deutschlands


denen sie ebenfalls abverlangt wurde, verweigerten sie und ergriffen die Waffen
zur Abwehr des Zwanges, König Abel zog mit einem großen Heere gegen
sie, und da sie es mit seinen Reitern nicht aufnehmen konnten, litt ihr Land
außerordentlich. Als sie aber endlich das dänische Heer in einer Gegend gelagert
sahen,, die ihnen sür einen Angriff günstig war — es war aus dem Königs¬
kamp in Eiderstcdt — brachten sie ihm eine schreckliche Niederlage bei. Das
dänische Fußvolk war von der elenden Beschaffenheit, wie es überall bei den
Feudalheeren zu sein Pflegte. Die Friesen dagegen waren, wie ihre Nachbarn,
die Ditmarsen, eigenthümlich bewaffnet und zum Fußkampf auf einem, ihnen be¬
kannten Boden trefflich eingeübt. Als sie deshalb gegen das feindliche Lager
anrückten, warteten die Dänen ihren Angriff nicht einmal ab, sondern flohen
eiligst davon. Ein Versuch des Königs, sein flüchtiges Volk zu sammeln,
mißglückte und fühlte den Verlust des größten Theiles des Heeres herbei.
Auch Abel begab sich auf die Flucht. Als er aber den Milderdamm erreichte,
war ein Nademacher von Nordstrand, Wessel Hummer, ihm vorausgeeilt und
hielt sich in einen Siel (Schleuße), die unter dem Damme wegging, verborgen,
bis der König kam; da sprang er hervor, griff ihn an und streckte ihn todt
zu Boden.

Dies geschah im Jahre vier Jahre früher, als die Stammverwandten
der Nordfriesen, die Westfriesen, im Kampfe für ihre Rechte den ritterlichen
Kaiser Wilhelm von Holland erschlüge«.

Einen hartnäckigem Kampf noch als mit den nordischen Eroberern kämpf¬
ten die Friesen mit den Wellen. Beide haben schon seit geraumer Zeit nach¬
gelassen. Von dem einen ist nur ein gewisser Nationalstolz, von dem andern
nur ein gewisser Trübsinn zurückgeblieben, der aber seine Ursache vielleicht
auch in dem Phlegma der Marschen und in dem nebligen Seeklima hat. Von
den heutigen Friesen rühmt man, daß sie gute Nechnenmeister sind und daß sie das
fetteste Vieh für die Märkte von Bredstedt und Husum ziehen. Ein anderer
und besserer Ruhm aber ist, daß sie von den Marschleuten am eifrigsten und
ausdauerndsten die Sache Schleswig-Holsteins unterstützt haben, was sich
leider von ihren berühmteren Nachbarn, den Ditmarsen, nicht sagen läßt.

Wenn ich nun ein Wort über die Gesinnung der Bewohner Nord- und
Nordwestschleswigs hinzufüge, so kann als Regel gelten, daß, während früher nur
die fast ausnahmslose Mehrzahl der Wohlhabenden und Gebildeten deutsch ge¬
sinnt war, gegenwärtig auch die große Menge — so weit bei ihr überhaupt
von Gesinnung die Rede sein kann — dem Dänenthume oder zum mindesten
dem Kvpcnhagenerthume feind und wo nicht deutsch, doch Schleswig-holsteinisch
gesinnt ist.

Der Westen dagegen (Nordfriesland, Karrharde und Eiderstedt) ist mit
seiner ganzen Bevölkerung der Sache der Herzogthümer und Deutschlands


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/268>, abgerufen am 23.07.2024.