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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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zurief: sie sollte aufmachen. Die Schildwache aller ercusirte sich, sie könne eS
nicht; benannter Herr Major fragte sie: wer sonsten? sie antwortet: der
Lieutenant. Der Major sagte: er solle seinen Lieutenant rufen, worauf er
eiligst lief und ihn herausholte. Da kam mein guter Bartpntzer Lieutenant
angestiegen, der Mann war vor Angst schon todt, und im Gesicht weißer als
sein Hemd. Der Herr Major redet ihn mit harten Worten an: was das
wäre, daß die Thore zugemacht wären; ob hier nicht eine offne Landstraße
durchginge? Er beantwortet es mit ja! -- Also, sagte der Major von Benken-
dorff, sollte er augenblicklich aufmachen oder wir wollten es selbst thun. Als
er dieses Kompliment von dem Herrn Major svlenniter bekam, war er vollends
halb todt. Er bat um Pardon, er könne nicht aufmachen, sondern die Raths-
herren, die hätten das Thor verschlossen. Die Antwort war: er möge gleich
die Rathsherren beischaffen. Mein Gott! wer war froher als der gute
Barbier, der lief als wenn ihm der Kopf brennte, unterdessen aber der Schustcr-
fähndrich ließ sich nicht hören noch sehen. Endlich kamen die Rathsherren
herbei. Als ich diese Männer sah kommen, zu dem kleinen Pförtchen heraus¬
kriechen, dachte ich: was Teufel! sind das Rathsherren? das mögen wohl
schöne sein. Der Rathsherr sah doch noch ein bischen reputirlich aus, aber
der Bürgermeister war bis in die Kniekehlen voller Kuhmist, und mußte eben
vom Stallausmisten geholt worden sein. Hierauf fragte der Major von Benken-
dorff: ob sie die Rathsherren wären? sie antworteten: ja, was unser Begehren
wäre? Der Major fragte: ob das hier nicht eine Landstraße auf Nürnberg
wäre? sie sagten: ja. Warum sie denn die Thore zumachten und versperrten,
und uns nicht durchpassiren lassen wollten? Der Rathsmeister aber antwortet:
sie hätten Befehl von ihrer Herrschaft, kein Volk' durchpassiren zu lassen, des¬
wegen müßten sie das Thor zuhalten, und sie müßten thun, was ihnen ihr
Herr beföhle. Der Major von Benkendorff aber wiederholte vorige Worte,
und sagte zu ihnen: sie müßten uns aufmachen und nur geschwind, denn wir
müßten weiter marschiren, und wenn sie nicht aufmachten, so würden wir es
selbst thun. ,Der Rathsmeister beantwortete dieses und sagte: wir könnten
machen was wir wollten, er aber dürfe uns nicht aufmachen, noch viel weniger
aufmachen lassen. Der mit Kuhmist beschmierte Bürgermeister aber fing an:
Je! wenn wir weiter marschiren wollten, so könnten wir ja da hinten weg
marschiren. Ich gedachte bei mir, wenn du nur solltest den verfluchten kothigen
Kerl gleich umbringen. Der Herr Major rief mir sogleich zu, alle Zimmer¬
leute vom ganzen Commando sollten hervorkommen, welches sogleich geschah.
Hierauf fragte der Major nochmals, ob sie im Guten ausmachen wollten, sonst
ließ er die Thore sogleich einHauen; sie thäten jetzt sähen, daß wir selbst auf¬
machen könnten, wenn sie ihre Thore nicht lieber ganz behalten wollten.

Der Herr Major gedachte, sie würden sich resolviren und aufmachen, aber


zurief: sie sollte aufmachen. Die Schildwache aller ercusirte sich, sie könne eS
nicht; benannter Herr Major fragte sie: wer sonsten? sie antwortet: der
Lieutenant. Der Major sagte: er solle seinen Lieutenant rufen, worauf er
eiligst lief und ihn herausholte. Da kam mein guter Bartpntzer Lieutenant
angestiegen, der Mann war vor Angst schon todt, und im Gesicht weißer als
sein Hemd. Der Herr Major redet ihn mit harten Worten an: was das
wäre, daß die Thore zugemacht wären; ob hier nicht eine offne Landstraße
durchginge? Er beantwortet es mit ja! — Also, sagte der Major von Benken-
dorff, sollte er augenblicklich aufmachen oder wir wollten es selbst thun. Als
er dieses Kompliment von dem Herrn Major svlenniter bekam, war er vollends
halb todt. Er bat um Pardon, er könne nicht aufmachen, sondern die Raths-
herren, die hätten das Thor verschlossen. Die Antwort war: er möge gleich
die Rathsherren beischaffen. Mein Gott! wer war froher als der gute
Barbier, der lief als wenn ihm der Kopf brennte, unterdessen aber der Schustcr-
fähndrich ließ sich nicht hören noch sehen. Endlich kamen die Rathsherren
herbei. Als ich diese Männer sah kommen, zu dem kleinen Pförtchen heraus¬
kriechen, dachte ich: was Teufel! sind das Rathsherren? das mögen wohl
schöne sein. Der Rathsherr sah doch noch ein bischen reputirlich aus, aber
der Bürgermeister war bis in die Kniekehlen voller Kuhmist, und mußte eben
vom Stallausmisten geholt worden sein. Hierauf fragte der Major von Benken-
dorff: ob sie die Rathsherren wären? sie antworteten: ja, was unser Begehren
wäre? Der Major fragte: ob das hier nicht eine Landstraße auf Nürnberg
wäre? sie sagten: ja. Warum sie denn die Thore zumachten und versperrten,
und uns nicht durchpassiren lassen wollten? Der Rathsmeister aber antwortet:
sie hätten Befehl von ihrer Herrschaft, kein Volk' durchpassiren zu lassen, des¬
wegen müßten sie das Thor zuhalten, und sie müßten thun, was ihnen ihr
Herr beföhle. Der Major von Benkendorff aber wiederholte vorige Worte,
und sagte zu ihnen: sie müßten uns aufmachen und nur geschwind, denn wir
müßten weiter marschiren, und wenn sie nicht aufmachten, so würden wir es
selbst thun. ,Der Rathsmeister beantwortete dieses und sagte: wir könnten
machen was wir wollten, er aber dürfe uns nicht aufmachen, noch viel weniger
aufmachen lassen. Der mit Kuhmist beschmierte Bürgermeister aber fing an:
Je! wenn wir weiter marschiren wollten, so könnten wir ja da hinten weg
marschiren. Ich gedachte bei mir, wenn du nur solltest den verfluchten kothigen
Kerl gleich umbringen. Der Herr Major rief mir sogleich zu, alle Zimmer¬
leute vom ganzen Commando sollten hervorkommen, welches sogleich geschah.
Hierauf fragte der Major nochmals, ob sie im Guten ausmachen wollten, sonst
ließ er die Thore sogleich einHauen; sie thäten jetzt sähen, daß wir selbst auf¬
machen könnten, wenn sie ihre Thore nicht lieber ganz behalten wollten.

Der Herr Major gedachte, sie würden sich resolviren und aufmachen, aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/26>, abgerufen am 23.07.2024.