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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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hendigkeit und Anstelligkeit ihr'er leichten Infanterie und wieder einzig die
nationale Tüchtigkeit der östreichischen Cavalerie; in Preußen dagegen sind für
beide Truppengattungen die natürlichen Bedingungen nicht in gleicher Weise
günstig; dort muß die Zucht und Bildung der Soldaten das Beste thun. Da-
, für ist diese auch seit der Zeit des großen Kurfürsten sorgfältiger, als bei irgend¬
einem andern Heer und das preußische Offiziercorps, vom Bataillonsführer
herab, ist in dieser Beziehung musterhaft. Ohne großen Schaden entbehrt man
in Preußen die alten ausgewetterten Unteroffiziere, welche bei Franzosen und
Oestreichern mit Recht so viel gelten, denn in Preußen ist der Offizier selbst
der Vormund und Rathgeber jedes einzelnen seiner Leute und, die Fürsorge
eines Compagnie- oder Schwadronenchefs erstreckt sich bei diesem Heer auf jede
Kleinigkeit des Soldatcnlebens, aus Schuhsohlen, auf den Inhalt der Feld¬
flasche, wie auf die Lieder und Scherzreden der Mannschaft. Die Sorgfalt für
den einzelnen Soldaten ist in Preußen freilich wieder aus einem andern Grunde
sehr nöthig, weil dieser Staat der kleinste unter den dreien und seine natürlichen
Hilfsquellen für einen langen Krieg nicht die ausgiebigsten find. Wahrend so
das französische Heer seine beste Kraft aus der kecken kriegerischen Anlage einer
elastischen VolkSnatur schöpft, und das große östreichische Heer die Wucht eines
reichen, in seinen Theilen sehr mannigfaltigen Besitzthums darstellt, ist die
Tüchtigkeit der preußischen Armee vorzugsweise ein Product der Intelligenz
und eines opfermuthigen Patriotismus der Bürger.

Zunächst das Heer, welches bestimmt ist, Habsburgs Doppeladler*) zu
schützen. Keine Armee Europas hatte in den Jahren 48--30 so blutige und
schwere Kämpfe durchzufechten, keine ist so gekräftigt aus dieser schweren
Zeit hervorgegangen. Verbesserungen, deren Einführung vor zehn Jahren in
Oestreich nicht im Bereich der kühnsten Hoffnungen gelegen hätte, sind jetzt
vollendete Thatsachen. So hat das Kaiserreich noch zu keiner Zeit seit seinem
Bestehen ein Heer gehabt, welches sowol an numerischer Stärke, wie Kriegs-
tüchtigkeit aller Waffengattungen sich mit dem jetzt unter seiner Fahne stehen¬
den messen könnte.

Der Haupttheil jedes Heeres, auf dem am Ende die letzte Entscheidung
des Krieges beruht/ ist seit Erfindung des Schießpulvers die Infanterie.
Man hat in Oestreich auch jetzt der Verbesserung der Infanterie die vollste
Aufmerksamkeit gewidmet. Sie besteht aus drei Hauptabtheilungen, die sich
gegenseitig ergänzen und vereint ein treffliches Ganze bilden, der Linien¬
infanterie, der Grenzinfanterie und den Jägern.

Die Linieninfanterie ist allein seit 1830 durch drei neue vollstän-



*) Wir haben hier absichtlich die volle Kriegsstärke angegeben, zu welcher der Stamm
vorhanden ist, und die innerhalb 3 Wochen wieder unter den Fahnen stehen kann. Durch die
jetzt eingetretenen Beurlaubungen ist das Heer um Is"--200,000 Mann schwächer geworden.

hendigkeit und Anstelligkeit ihr'er leichten Infanterie und wieder einzig die
nationale Tüchtigkeit der östreichischen Cavalerie; in Preußen dagegen sind für
beide Truppengattungen die natürlichen Bedingungen nicht in gleicher Weise
günstig; dort muß die Zucht und Bildung der Soldaten das Beste thun. Da-
, für ist diese auch seit der Zeit des großen Kurfürsten sorgfältiger, als bei irgend¬
einem andern Heer und das preußische Offiziercorps, vom Bataillonsführer
herab, ist in dieser Beziehung musterhaft. Ohne großen Schaden entbehrt man
in Preußen die alten ausgewetterten Unteroffiziere, welche bei Franzosen und
Oestreichern mit Recht so viel gelten, denn in Preußen ist der Offizier selbst
der Vormund und Rathgeber jedes einzelnen seiner Leute und, die Fürsorge
eines Compagnie- oder Schwadronenchefs erstreckt sich bei diesem Heer auf jede
Kleinigkeit des Soldatcnlebens, aus Schuhsohlen, auf den Inhalt der Feld¬
flasche, wie auf die Lieder und Scherzreden der Mannschaft. Die Sorgfalt für
den einzelnen Soldaten ist in Preußen freilich wieder aus einem andern Grunde
sehr nöthig, weil dieser Staat der kleinste unter den dreien und seine natürlichen
Hilfsquellen für einen langen Krieg nicht die ausgiebigsten find. Wahrend so
das französische Heer seine beste Kraft aus der kecken kriegerischen Anlage einer
elastischen VolkSnatur schöpft, und das große östreichische Heer die Wucht eines
reichen, in seinen Theilen sehr mannigfaltigen Besitzthums darstellt, ist die
Tüchtigkeit der preußischen Armee vorzugsweise ein Product der Intelligenz
und eines opfermuthigen Patriotismus der Bürger.

Zunächst das Heer, welches bestimmt ist, Habsburgs Doppeladler*) zu
schützen. Keine Armee Europas hatte in den Jahren 48—30 so blutige und
schwere Kämpfe durchzufechten, keine ist so gekräftigt aus dieser schweren
Zeit hervorgegangen. Verbesserungen, deren Einführung vor zehn Jahren in
Oestreich nicht im Bereich der kühnsten Hoffnungen gelegen hätte, sind jetzt
vollendete Thatsachen. So hat das Kaiserreich noch zu keiner Zeit seit seinem
Bestehen ein Heer gehabt, welches sowol an numerischer Stärke, wie Kriegs-
tüchtigkeit aller Waffengattungen sich mit dem jetzt unter seiner Fahne stehen¬
den messen könnte.

Der Haupttheil jedes Heeres, auf dem am Ende die letzte Entscheidung
des Krieges beruht/ ist seit Erfindung des Schießpulvers die Infanterie.
Man hat in Oestreich auch jetzt der Verbesserung der Infanterie die vollste
Aufmerksamkeit gewidmet. Sie besteht aus drei Hauptabtheilungen, die sich
gegenseitig ergänzen und vereint ein treffliches Ganze bilden, der Linien¬
infanterie, der Grenzinfanterie und den Jägern.

Die Linieninfanterie ist allein seit 1830 durch drei neue vollstän-



*) Wir haben hier absichtlich die volle Kriegsstärke angegeben, zu welcher der Stamm
vorhanden ist, und die innerhalb 3 Wochen wieder unter den Fahnen stehen kann. Durch die
jetzt eingetretenen Beurlaubungen ist das Heer um Is»—200,000 Mann schwächer geworden.
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[0229] hendigkeit und Anstelligkeit ihr'er leichten Infanterie und wieder einzig die nationale Tüchtigkeit der östreichischen Cavalerie; in Preußen dagegen sind für beide Truppengattungen die natürlichen Bedingungen nicht in gleicher Weise günstig; dort muß die Zucht und Bildung der Soldaten das Beste thun. Da- , für ist diese auch seit der Zeit des großen Kurfürsten sorgfältiger, als bei irgend¬ einem andern Heer und das preußische Offiziercorps, vom Bataillonsführer herab, ist in dieser Beziehung musterhaft. Ohne großen Schaden entbehrt man in Preußen die alten ausgewetterten Unteroffiziere, welche bei Franzosen und Oestreichern mit Recht so viel gelten, denn in Preußen ist der Offizier selbst der Vormund und Rathgeber jedes einzelnen seiner Leute und, die Fürsorge eines Compagnie- oder Schwadronenchefs erstreckt sich bei diesem Heer auf jede Kleinigkeit des Soldatcnlebens, aus Schuhsohlen, auf den Inhalt der Feld¬ flasche, wie auf die Lieder und Scherzreden der Mannschaft. Die Sorgfalt für den einzelnen Soldaten ist in Preußen freilich wieder aus einem andern Grunde sehr nöthig, weil dieser Staat der kleinste unter den dreien und seine natürlichen Hilfsquellen für einen langen Krieg nicht die ausgiebigsten find. Wahrend so das französische Heer seine beste Kraft aus der kecken kriegerischen Anlage einer elastischen VolkSnatur schöpft, und das große östreichische Heer die Wucht eines reichen, in seinen Theilen sehr mannigfaltigen Besitzthums darstellt, ist die Tüchtigkeit der preußischen Armee vorzugsweise ein Product der Intelligenz und eines opfermuthigen Patriotismus der Bürger. Zunächst das Heer, welches bestimmt ist, Habsburgs Doppeladler*) zu schützen. Keine Armee Europas hatte in den Jahren 48—30 so blutige und schwere Kämpfe durchzufechten, keine ist so gekräftigt aus dieser schweren Zeit hervorgegangen. Verbesserungen, deren Einführung vor zehn Jahren in Oestreich nicht im Bereich der kühnsten Hoffnungen gelegen hätte, sind jetzt vollendete Thatsachen. So hat das Kaiserreich noch zu keiner Zeit seit seinem Bestehen ein Heer gehabt, welches sowol an numerischer Stärke, wie Kriegs- tüchtigkeit aller Waffengattungen sich mit dem jetzt unter seiner Fahne stehen¬ den messen könnte. Der Haupttheil jedes Heeres, auf dem am Ende die letzte Entscheidung des Krieges beruht/ ist seit Erfindung des Schießpulvers die Infanterie. Man hat in Oestreich auch jetzt der Verbesserung der Infanterie die vollste Aufmerksamkeit gewidmet. Sie besteht aus drei Hauptabtheilungen, die sich gegenseitig ergänzen und vereint ein treffliches Ganze bilden, der Linien¬ infanterie, der Grenzinfanterie und den Jägern. Die Linieninfanterie ist allein seit 1830 durch drei neue vollstän- *) Wir haben hier absichtlich die volle Kriegsstärke angegeben, zu welcher der Stamm vorhanden ist, und die innerhalb 3 Wochen wieder unter den Fahnen stehen kann. Durch die jetzt eingetretenen Beurlaubungen ist das Heer um Is»—200,000 Mann schwächer geworden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/229>, abgerufen am 23.07.2024.