Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte ein Bündel Stroh auf den Rücken gebunden und daneben ein ehrbarer
wohlgekleideter Mann, welche aus Verzagtheit gewillt waren, öffentlich den
wahren Glauben zu widerrufen. Der d'Ulm^on hat auf dem ganzen Weg
Psalmen gesungen. Als er zum Scheiterhaufen kam, setzte er sich daraus, zog
seine Kleider selbst ab, bis auf das Hemde, legte sie sauber zusammen an eine
Stelle, als wollte er sie wieder brauchen und redete ernstlich mit den andern,
die abfallen wollten, so daß dem im Hemde Schweißtropfen wie Erbsen groß von
dem Angesicht Herabflossen. Und als er durch die Canonici, die auf Rossen
und Maulthieren um ihn hielten, gemahnt wurde aufzuhören, sprang er fröh¬
lich auf den Scheiterhaufen und setzte sich in einen Stuhl, der mitten in dem
Hausen aufgerichtet war. Durch diesen war ein Loch gebohrt und ein Seil
durchgezogen, vorn daran ein Strick. Den legte ihm der Nachrichter um den
Hals, band ihm beide Arme fest, legte die Bücher, die er von Genf gebracht,
darauf und zündete den Scheiterhaufen von allen Seiten an. Der Märtyrer
saß geduldig die Augen gen Himmel geheftet. Sobald das Feuer die Bücher
erreichte, zog der Nachrichter das Seil und würgte ihn so, bis er sein Haupt
sinken ließ, worauf er sich nicht weiter rührte und so zu Asche verbrannt wurde.
Unterdeß mußten die beiden dabei stehn und zusehn und wurde ihnen ziemlich
warm. Nach solchem führte man die beiden in die Stadt auf das Rathhaus. Da¬
neben war gleich an der Kirche zu unserer Frauen eine Brücke ausgerichtet und
ein Marienbild darauf, vor dem sie widerrufen sollten. Man wartete lange, zu¬
letzt brachte man nur einen, denn der Tuchscheerer wollte nicht widerrufen und be¬
gehrte, man sollte ihn nur tödten und keine Gnade beweisen, weil er gewankt habe.
Darum legte man ihn wieder ein. Den andern aber, der eine vornehme Per¬
son schien, stellte man auf die Brücke, er mußte vor dem Marienbilde knien,
hatte eine brennende Kerze in der Hand. Dem las ein Notarius etwas vor,
worauf er antworten mußte. So ward ihm das Leben geschenkt, aber er wurde
darnach aus Die Galeren geschmiedet.

Am Dienstag hernach führte man den Tuchscheerer vor, erwürgte und ver¬
brannte ihn wie den ersten, wobei er gar standhaft war und große Reue zeigte,
daß er den Willen gehabt abzufallen. Es regnete den Tag, daß das
Feuer nicht brennen wollte und weil der Märtyrer nicht recht erwürgt war
und große Noth litt, brachten die Mönche aus dem Kloster daneben Stroh
hervor. DaS nahm der Henker und holte Tercbinthen in der Apolhecke meines
Herrn, das Feuer brennen zu machen. Als ich den Knechten, die es gaben,
dies verwies, sagten sie, ich sollte schweigen, es möchte mir auch so gehn,
weil ich auch Lutheraner sei. Bei dieser Märtyrer Leiden trug sich das Wun¬
der zu, daß es an dem Tage, an welchem man den ersten verbrannte, gleich
hernach stark donnerte. Die Pfaffen sagten spöttisch, der verbrannte Ketzer¬
rauch brächte das zu Wege. Bald darauf kam ein Commissarius von Toulouse


Grenzboten. I. -I8ö6. 27

hatte ein Bündel Stroh auf den Rücken gebunden und daneben ein ehrbarer
wohlgekleideter Mann, welche aus Verzagtheit gewillt waren, öffentlich den
wahren Glauben zu widerrufen. Der d'Ulm^on hat auf dem ganzen Weg
Psalmen gesungen. Als er zum Scheiterhaufen kam, setzte er sich daraus, zog
seine Kleider selbst ab, bis auf das Hemde, legte sie sauber zusammen an eine
Stelle, als wollte er sie wieder brauchen und redete ernstlich mit den andern,
die abfallen wollten, so daß dem im Hemde Schweißtropfen wie Erbsen groß von
dem Angesicht Herabflossen. Und als er durch die Canonici, die auf Rossen
und Maulthieren um ihn hielten, gemahnt wurde aufzuhören, sprang er fröh¬
lich auf den Scheiterhaufen und setzte sich in einen Stuhl, der mitten in dem
Hausen aufgerichtet war. Durch diesen war ein Loch gebohrt und ein Seil
durchgezogen, vorn daran ein Strick. Den legte ihm der Nachrichter um den
Hals, band ihm beide Arme fest, legte die Bücher, die er von Genf gebracht,
darauf und zündete den Scheiterhaufen von allen Seiten an. Der Märtyrer
saß geduldig die Augen gen Himmel geheftet. Sobald das Feuer die Bücher
erreichte, zog der Nachrichter das Seil und würgte ihn so, bis er sein Haupt
sinken ließ, worauf er sich nicht weiter rührte und so zu Asche verbrannt wurde.
Unterdeß mußten die beiden dabei stehn und zusehn und wurde ihnen ziemlich
warm. Nach solchem führte man die beiden in die Stadt auf das Rathhaus. Da¬
neben war gleich an der Kirche zu unserer Frauen eine Brücke ausgerichtet und
ein Marienbild darauf, vor dem sie widerrufen sollten. Man wartete lange, zu¬
letzt brachte man nur einen, denn der Tuchscheerer wollte nicht widerrufen und be¬
gehrte, man sollte ihn nur tödten und keine Gnade beweisen, weil er gewankt habe.
Darum legte man ihn wieder ein. Den andern aber, der eine vornehme Per¬
son schien, stellte man auf die Brücke, er mußte vor dem Marienbilde knien,
hatte eine brennende Kerze in der Hand. Dem las ein Notarius etwas vor,
worauf er antworten mußte. So ward ihm das Leben geschenkt, aber er wurde
darnach aus Die Galeren geschmiedet.

Am Dienstag hernach führte man den Tuchscheerer vor, erwürgte und ver¬
brannte ihn wie den ersten, wobei er gar standhaft war und große Reue zeigte,
daß er den Willen gehabt abzufallen. Es regnete den Tag, daß das
Feuer nicht brennen wollte und weil der Märtyrer nicht recht erwürgt war
und große Noth litt, brachten die Mönche aus dem Kloster daneben Stroh
hervor. DaS nahm der Henker und holte Tercbinthen in der Apolhecke meines
Herrn, das Feuer brennen zu machen. Als ich den Knechten, die es gaben,
dies verwies, sagten sie, ich sollte schweigen, es möchte mir auch so gehn,
weil ich auch Lutheraner sei. Bei dieser Märtyrer Leiden trug sich das Wun¬
der zu, daß es an dem Tage, an welchem man den ersten verbrannte, gleich
hernach stark donnerte. Die Pfaffen sagten spöttisch, der verbrannte Ketzer¬
rauch brächte das zu Wege. Bald darauf kam ein Commissarius von Toulouse


Grenzboten. I. -I8ö6. 27
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101210"/>
            <p xml:id="ID_638" prev="#ID_637"> hatte ein Bündel Stroh auf den Rücken gebunden und daneben ein ehrbarer<lb/>
wohlgekleideter Mann, welche aus Verzagtheit gewillt waren, öffentlich den<lb/>
wahren Glauben zu widerrufen. Der d'Ulm^on hat auf dem ganzen Weg<lb/>
Psalmen gesungen. Als er zum Scheiterhaufen kam, setzte er sich daraus, zog<lb/>
seine Kleider selbst ab, bis auf das Hemde, legte sie sauber zusammen an eine<lb/>
Stelle, als wollte er sie wieder brauchen und redete ernstlich mit den andern,<lb/>
die abfallen wollten, so daß dem im Hemde Schweißtropfen wie Erbsen groß von<lb/>
dem Angesicht Herabflossen. Und als er durch die Canonici, die auf Rossen<lb/>
und Maulthieren um ihn hielten, gemahnt wurde aufzuhören, sprang er fröh¬<lb/>
lich auf den Scheiterhaufen und setzte sich in einen Stuhl, der mitten in dem<lb/>
Hausen aufgerichtet war. Durch diesen war ein Loch gebohrt und ein Seil<lb/>
durchgezogen, vorn daran ein Strick. Den legte ihm der Nachrichter um den<lb/>
Hals, band ihm beide Arme fest, legte die Bücher, die er von Genf gebracht,<lb/>
darauf und zündete den Scheiterhaufen von allen Seiten an. Der Märtyrer<lb/>
saß geduldig die Augen gen Himmel geheftet. Sobald das Feuer die Bücher<lb/>
erreichte, zog der Nachrichter das Seil und würgte ihn so, bis er sein Haupt<lb/>
sinken ließ, worauf er sich nicht weiter rührte und so zu Asche verbrannt wurde.<lb/>
Unterdeß mußten die beiden dabei stehn und zusehn und wurde ihnen ziemlich<lb/>
warm. Nach solchem führte man die beiden in die Stadt auf das Rathhaus. Da¬<lb/>
neben war gleich an der Kirche zu unserer Frauen eine Brücke ausgerichtet und<lb/>
ein Marienbild darauf, vor dem sie widerrufen sollten. Man wartete lange, zu¬<lb/>
letzt brachte man nur einen, denn der Tuchscheerer wollte nicht widerrufen und be¬<lb/>
gehrte, man sollte ihn nur tödten und keine Gnade beweisen, weil er gewankt habe.<lb/>
Darum legte man ihn wieder ein. Den andern aber, der eine vornehme Per¬<lb/>
son schien, stellte man auf die Brücke, er mußte vor dem Marienbilde knien,<lb/>
hatte eine brennende Kerze in der Hand. Dem las ein Notarius etwas vor,<lb/>
worauf er antworten mußte. So ward ihm das Leben geschenkt, aber er wurde<lb/>
darnach aus Die Galeren geschmiedet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_639" next="#ID_640"> Am Dienstag hernach führte man den Tuchscheerer vor, erwürgte und ver¬<lb/>
brannte ihn wie den ersten, wobei er gar standhaft war und große Reue zeigte,<lb/>
daß er den Willen gehabt abzufallen. Es regnete den Tag, daß das<lb/>
Feuer nicht brennen wollte und weil der Märtyrer nicht recht erwürgt war<lb/>
und große Noth litt, brachten die Mönche aus dem Kloster daneben Stroh<lb/>
hervor. DaS nahm der Henker und holte Tercbinthen in der Apolhecke meines<lb/>
Herrn, das Feuer brennen zu machen. Als ich den Knechten, die es gaben,<lb/>
dies verwies, sagten sie, ich sollte schweigen, es möchte mir auch so gehn,<lb/>
weil ich auch Lutheraner sei. Bei dieser Märtyrer Leiden trug sich das Wun¬<lb/>
der zu, daß es an dem Tage, an welchem man den ersten verbrannte, gleich<lb/>
hernach stark donnerte. Die Pfaffen sagten spöttisch, der verbrannte Ketzer¬<lb/>
rauch brächte das zu Wege. Bald darauf kam ein Commissarius von Toulouse</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. -I8ö6. 27</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] hatte ein Bündel Stroh auf den Rücken gebunden und daneben ein ehrbarer wohlgekleideter Mann, welche aus Verzagtheit gewillt waren, öffentlich den wahren Glauben zu widerrufen. Der d'Ulm^on hat auf dem ganzen Weg Psalmen gesungen. Als er zum Scheiterhaufen kam, setzte er sich daraus, zog seine Kleider selbst ab, bis auf das Hemde, legte sie sauber zusammen an eine Stelle, als wollte er sie wieder brauchen und redete ernstlich mit den andern, die abfallen wollten, so daß dem im Hemde Schweißtropfen wie Erbsen groß von dem Angesicht Herabflossen. Und als er durch die Canonici, die auf Rossen und Maulthieren um ihn hielten, gemahnt wurde aufzuhören, sprang er fröh¬ lich auf den Scheiterhaufen und setzte sich in einen Stuhl, der mitten in dem Hausen aufgerichtet war. Durch diesen war ein Loch gebohrt und ein Seil durchgezogen, vorn daran ein Strick. Den legte ihm der Nachrichter um den Hals, band ihm beide Arme fest, legte die Bücher, die er von Genf gebracht, darauf und zündete den Scheiterhaufen von allen Seiten an. Der Märtyrer saß geduldig die Augen gen Himmel geheftet. Sobald das Feuer die Bücher erreichte, zog der Nachrichter das Seil und würgte ihn so, bis er sein Haupt sinken ließ, worauf er sich nicht weiter rührte und so zu Asche verbrannt wurde. Unterdeß mußten die beiden dabei stehn und zusehn und wurde ihnen ziemlich warm. Nach solchem führte man die beiden in die Stadt auf das Rathhaus. Da¬ neben war gleich an der Kirche zu unserer Frauen eine Brücke ausgerichtet und ein Marienbild darauf, vor dem sie widerrufen sollten. Man wartete lange, zu¬ letzt brachte man nur einen, denn der Tuchscheerer wollte nicht widerrufen und be¬ gehrte, man sollte ihn nur tödten und keine Gnade beweisen, weil er gewankt habe. Darum legte man ihn wieder ein. Den andern aber, der eine vornehme Per¬ son schien, stellte man auf die Brücke, er mußte vor dem Marienbilde knien, hatte eine brennende Kerze in der Hand. Dem las ein Notarius etwas vor, worauf er antworten mußte. So ward ihm das Leben geschenkt, aber er wurde darnach aus Die Galeren geschmiedet. Am Dienstag hernach führte man den Tuchscheerer vor, erwürgte und ver¬ brannte ihn wie den ersten, wobei er gar standhaft war und große Reue zeigte, daß er den Willen gehabt abzufallen. Es regnete den Tag, daß das Feuer nicht brennen wollte und weil der Märtyrer nicht recht erwürgt war und große Noth litt, brachten die Mönche aus dem Kloster daneben Stroh hervor. DaS nahm der Henker und holte Tercbinthen in der Apolhecke meines Herrn, das Feuer brennen zu machen. Als ich den Knechten, die es gaben, dies verwies, sagten sie, ich sollte schweigen, es möchte mir auch so gehn, weil ich auch Lutheraner sei. Bei dieser Märtyrer Leiden trug sich das Wun¬ der zu, daß es an dem Tage, an welchem man den ersten verbrannte, gleich hernach stark donnerte. Die Pfaffen sagten spöttisch, der verbrannte Ketzer¬ rauch brächte das zu Wege. Bald darauf kam ein Commissarius von Toulouse Grenzboten. I. -I8ö6. 27

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/217>, abgerufen am 23.07.2024.