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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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wenig Wasser ausschütten, alsdann läßt man den Wein darüber gießen. Was
einer nicht austrinkt, schüttet die Magd aus, denn der Wein dauert nicht über
ein Jahr, wird bald zu Essig.

Mein Herr veränderte seine Apotheckc, Ich mußte in sein anderes Haus,
das groß und zierlich war. Da hatte ich einen Saal inne; hernach machte
ich mir ein Studiol von Dielen oben in der Kammer, das zierte ich inwendig
mit Bildern und gab mir mein Herr einen vergoldeten Sessel herein, wie er
mich denn ganz wohl hielt, so daß wer herein kam, sich verwunderte, daß es
so schön war. Es war eine hübsche Altane hoch oben an der Schneckentreppe,
von wo ich die Stadt übersah, auch bis zum Meer, das ich zu Zeiten dort
brausen hörte. Da studirte ich oft und zog indische Feige, von welcher
meinem Herrn ein Blatt aus Spanien zugekommen war. Ich saß auch oft
unter dem Laden und schlug die Laute, wo mir die gegenüber in Herrn Georgi
'Haus zuhörten, sonderlich seine Schwester, die Demoiselle Martha. ,

Im Anfang des neuen Jahres fing sogleich allerlei Kunweil an, sonder¬
lich zu Nacht mit dem Hofiren mit Instrumente" vor den Häusern, mit den
Einhaken, Trommlein und Pfeifen dazu, was einer allein verrichtet; darnach
mit den Schalmeien, die sehr gewöhnlich sind, item mit den Violen und mit
Cithern, die damals erst aufkamen; item mit den Tänzen, die man in vor¬
nehmen Bürgerhäusern hält, wohin die Demoisellen geführt werden, und tanzt
man nach dem Nachtessen bei Nachtlichtern Bräute, Gaillarde, La Volte, La
Tire-Chaine; das währt fast bis gegen Morgen und dauert dies Balliren bis
zum letzten Tage der Fastnacht. Am Dreikönigstage hielten wir das König¬
reich unter uns Deutschen im Collegium, wo uns der alte Pedell kochte und
war Andreas von Kroatien König. -- Zwei Tage darauf hielt man'S im Haus
des v. Rondeletius. Von da geleiteten die Deutschen einen heim mit den
Nachtlichtern. An die kam der Kapitän mit der Schaarwache, nahm Etlichen
ihre Wehr und Dolche und war ein großer Lärm vor meines Herrn Apotheckc.
Da wollte Stephan Contzen seinen Dolch dem Kapitän nit geben. Da kam
mein Herr Catalan, der begehrte, er sollte ihn ihm geben. Das geschah
und ward so Ruhe. Am Morgen verklagten sie den Kapitän vor dem Baillif,
man hätte wider der Deutschen^Freiheit gehandelt; dem Kapitän wurde darüber
ein Filz und uns ward verheißen, es solle nicht mehr geschehen. In unsers
Kalenders Herrcnsastnacht waren allerlei Tänze, hier und da in der Stadt mit
allerlei Saitenspiel und Mummerei auf allerlei Manier, das währte auch den
Montag wie auch den Dienstag, den man Narcli ^räh, den feisten Dienstag
nennt. An diesem Tage zogen junge Bürger umher, halten am Hals Säcke
hangen voller Pomeranzen, die gar wohlfeil sind, da man das Dutzend um
zwei Denar kauft. Item trugen sie Körbe statt Schilden. Als sie auf den
Platz kamen bei llolre äame, unserer Frauen, warfen sie einander mit Pone-


wenig Wasser ausschütten, alsdann läßt man den Wein darüber gießen. Was
einer nicht austrinkt, schüttet die Magd aus, denn der Wein dauert nicht über
ein Jahr, wird bald zu Essig.

Mein Herr veränderte seine Apotheckc, Ich mußte in sein anderes Haus,
das groß und zierlich war. Da hatte ich einen Saal inne; hernach machte
ich mir ein Studiol von Dielen oben in der Kammer, das zierte ich inwendig
mit Bildern und gab mir mein Herr einen vergoldeten Sessel herein, wie er
mich denn ganz wohl hielt, so daß wer herein kam, sich verwunderte, daß es
so schön war. Es war eine hübsche Altane hoch oben an der Schneckentreppe,
von wo ich die Stadt übersah, auch bis zum Meer, das ich zu Zeiten dort
brausen hörte. Da studirte ich oft und zog indische Feige, von welcher
meinem Herrn ein Blatt aus Spanien zugekommen war. Ich saß auch oft
unter dem Laden und schlug die Laute, wo mir die gegenüber in Herrn Georgi
'Haus zuhörten, sonderlich seine Schwester, die Demoiselle Martha. ,

Im Anfang des neuen Jahres fing sogleich allerlei Kunweil an, sonder¬
lich zu Nacht mit dem Hofiren mit Instrumente» vor den Häusern, mit den
Einhaken, Trommlein und Pfeifen dazu, was einer allein verrichtet; darnach
mit den Schalmeien, die sehr gewöhnlich sind, item mit den Violen und mit
Cithern, die damals erst aufkamen; item mit den Tänzen, die man in vor¬
nehmen Bürgerhäusern hält, wohin die Demoisellen geführt werden, und tanzt
man nach dem Nachtessen bei Nachtlichtern Bräute, Gaillarde, La Volte, La
Tire-Chaine; das währt fast bis gegen Morgen und dauert dies Balliren bis
zum letzten Tage der Fastnacht. Am Dreikönigstage hielten wir das König¬
reich unter uns Deutschen im Collegium, wo uns der alte Pedell kochte und
war Andreas von Kroatien König. — Zwei Tage darauf hielt man'S im Haus
des v. Rondeletius. Von da geleiteten die Deutschen einen heim mit den
Nachtlichtern. An die kam der Kapitän mit der Schaarwache, nahm Etlichen
ihre Wehr und Dolche und war ein großer Lärm vor meines Herrn Apotheckc.
Da wollte Stephan Contzen seinen Dolch dem Kapitän nit geben. Da kam
mein Herr Catalan, der begehrte, er sollte ihn ihm geben. Das geschah
und ward so Ruhe. Am Morgen verklagten sie den Kapitän vor dem Baillif,
man hätte wider der Deutschen^Freiheit gehandelt; dem Kapitän wurde darüber
ein Filz und uns ward verheißen, es solle nicht mehr geschehen. In unsers
Kalenders Herrcnsastnacht waren allerlei Tänze, hier und da in der Stadt mit
allerlei Saitenspiel und Mummerei auf allerlei Manier, das währte auch den
Montag wie auch den Dienstag, den man Narcli ^räh, den feisten Dienstag
nennt. An diesem Tage zogen junge Bürger umher, halten am Hals Säcke
hangen voller Pomeranzen, die gar wohlfeil sind, da man das Dutzend um
zwei Denar kauft. Item trugen sie Körbe statt Schilden. Als sie auf den
Platz kamen bei llolre äame, unserer Frauen, warfen sie einander mit Pone-


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[0213] wenig Wasser ausschütten, alsdann läßt man den Wein darüber gießen. Was einer nicht austrinkt, schüttet die Magd aus, denn der Wein dauert nicht über ein Jahr, wird bald zu Essig. Mein Herr veränderte seine Apotheckc, Ich mußte in sein anderes Haus, das groß und zierlich war. Da hatte ich einen Saal inne; hernach machte ich mir ein Studiol von Dielen oben in der Kammer, das zierte ich inwendig mit Bildern und gab mir mein Herr einen vergoldeten Sessel herein, wie er mich denn ganz wohl hielt, so daß wer herein kam, sich verwunderte, daß es so schön war. Es war eine hübsche Altane hoch oben an der Schneckentreppe, von wo ich die Stadt übersah, auch bis zum Meer, das ich zu Zeiten dort brausen hörte. Da studirte ich oft und zog indische Feige, von welcher meinem Herrn ein Blatt aus Spanien zugekommen war. Ich saß auch oft unter dem Laden und schlug die Laute, wo mir die gegenüber in Herrn Georgi 'Haus zuhörten, sonderlich seine Schwester, die Demoiselle Martha. , Im Anfang des neuen Jahres fing sogleich allerlei Kunweil an, sonder¬ lich zu Nacht mit dem Hofiren mit Instrumente» vor den Häusern, mit den Einhaken, Trommlein und Pfeifen dazu, was einer allein verrichtet; darnach mit den Schalmeien, die sehr gewöhnlich sind, item mit den Violen und mit Cithern, die damals erst aufkamen; item mit den Tänzen, die man in vor¬ nehmen Bürgerhäusern hält, wohin die Demoisellen geführt werden, und tanzt man nach dem Nachtessen bei Nachtlichtern Bräute, Gaillarde, La Volte, La Tire-Chaine; das währt fast bis gegen Morgen und dauert dies Balliren bis zum letzten Tage der Fastnacht. Am Dreikönigstage hielten wir das König¬ reich unter uns Deutschen im Collegium, wo uns der alte Pedell kochte und war Andreas von Kroatien König. — Zwei Tage darauf hielt man'S im Haus des v. Rondeletius. Von da geleiteten die Deutschen einen heim mit den Nachtlichtern. An die kam der Kapitän mit der Schaarwache, nahm Etlichen ihre Wehr und Dolche und war ein großer Lärm vor meines Herrn Apotheckc. Da wollte Stephan Contzen seinen Dolch dem Kapitän nit geben. Da kam mein Herr Catalan, der begehrte, er sollte ihn ihm geben. Das geschah und ward so Ruhe. Am Morgen verklagten sie den Kapitän vor dem Baillif, man hätte wider der Deutschen^Freiheit gehandelt; dem Kapitän wurde darüber ein Filz und uns ward verheißen, es solle nicht mehr geschehen. In unsers Kalenders Herrcnsastnacht waren allerlei Tänze, hier und da in der Stadt mit allerlei Saitenspiel und Mummerei auf allerlei Manier, das währte auch den Montag wie auch den Dienstag, den man Narcli ^räh, den feisten Dienstag nennt. An diesem Tage zogen junge Bürger umher, halten am Hals Säcke hangen voller Pomeranzen, die gar wohlfeil sind, da man das Dutzend um zwei Denar kauft. Item trugen sie Körbe statt Schilden. Als sie auf den Platz kamen bei llolre äame, unserer Frauen, warfen sie einander mit Pone-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/213>, abgerufen am 24.07.2024.