Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.mühuugen des ^Doctors todt bleibt, bis dieser endlich zum letzten Mittel Wichtiger als diese plumpen Späße ist ein Gebrauch, der gleichfalls in An verschiedenen schwäbischen Orten herrscht dagegen eine Sitte, die mit Greuzbotcn. I. -ILäö. 22
mühuugen des ^Doctors todt bleibt, bis dieser endlich zum letzten Mittel Wichtiger als diese plumpen Späße ist ein Gebrauch, der gleichfalls in An verschiedenen schwäbischen Orten herrscht dagegen eine Sitte, die mit Greuzbotcn. I. -ILäö. 22
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0177" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101170"/> <p xml:id="ID_509" prev="#ID_508"> mühuugen des ^Doctors todt bleibt, bis dieser endlich zum letzten Mittel<lb/> greift und ihm vermittelst eines Rohrs durch den Hintern wieder Leben<lb/> einbläst.</p><lb/> <p xml:id="ID_510"> Wichtiger als diese plumpen Späße ist ein Gebrauch, der gleichfalls in<lb/> Buhl zu Fastnachten vorkommt und entschieden an den märkischen Schimmel-<lb/> reiter erinnert, welcher einige Wochen vor Weihnachten umherzieht und aller<lb/> Wahrscheinlichkeit nach Ueberreste einer Processton zu Ehren Froh oder Wuo-<lb/> tans oder eines Umzugs dieser Götter selbst ist. Man füllt nämlich einen<lb/> Sack mit Heu oder Häckerling, deckt ein weißes Laken darüber, macht vorn<lb/> einen Pferdekopf mit saugen Ohren aus den Zipfeln 'des Tuchs und zäumt<lb/> diesen Sack aus wie ein Pferd. Dann nehmen ihn zwei Bursche auf die<lb/> Schultern, aber so, daß ihr Kopf und Oberleib unter der Decke verborgen<lb/> bleiben; ein Dritter setzt sich auf den Sack, reitet im Dorfe umher und sucht<lb/> seinen Gaul zu verhandeln. Die Käufer erkundigen sich nach den Eigenschaf¬<lb/> ten des Schimmels und fragen z. B. ob er nicht schlage oder beiße, und so<lb/> wie der Reiter versichert, daß er niemandem etwas thue,, und sie ihm nahen,<lb/> schlägt er hinten und vorn aus, zum großen Ergötzen der Zuschauer. Das<lb/> Pferd wird merkwürdigerweise der „Golisch Bock" genannt, ein Ausdruck, der<lb/> an den Klapperbock mahnt, welcher in Pommern hin und wieder den Schimmel¬<lb/> reiter begleitet. Beim Herumziehen werden Geld und Victualien eingesammelt,<lb/> die man nachher gemeinsam verzehrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_511" next="#ID_512"> An verschiedenen schwäbischen Orten herrscht dagegen eine Sitte, die mit<lb/> dem bekannten Tvdauslreiben fast völlig übereinstimmt. In Buhl, in Frie-<lb/> dingcn und in Wurmlingeu bei Rotenburg wird nämlich „die Fastnacht be¬<lb/> graben." Ein Bursch wird in Stroh eingeflochten und an einem Seile als<lb/> „Bär" im Dorfe herumgeführt, um nach der Flöte des Führers vor jedem<lb/> Hause zu tanzen. Dieser Bärentanz wird den Montag und Dienstag fortge¬<lb/> setzt. Am Aschermittwoch wird dann ein falscher Strohmann gemacht, in einen<lb/> Sarg gelegt und unter Trauermusik hinausgefahren, um auf dem Felde ein¬<lb/> gescharrt zu werden. Als Zehrung bekommt er einige Fastnachtöküchlein mit<lb/> auf den Weg. Bei diesem Begraben der Fastnacht wird in Wuimlingen eine<lb/> Rede gehalten, die alles Lächerliche und Seltsame, das während des letzten<lb/> Jahres im Orte vorgekommen ist, offen Preis gibt. Namentlich ergießt sich<lb/> der Spott des Redners über alle Mädchen, denen sich etwas anhängen läßt.<lb/> In NoUweil wurde der „Fastnachtsnarr", der gleichfalls in Stroh gehüllt ein-<lb/> herschritt, am Aschermittwoch betrunken gemacht und dann unter einem großen<lb/> Strohhaufen begraben, wobei sich ein gewaltiges Jammern und Wehklagen er¬<lb/> hob. In Altdorf und Weingarten wurde der Fastnachtsnarr ins Wasser ge¬<lb/> worfen, eine Sitte, die wie der augsburger „Wasservogel" als Abart des Tod¬<lb/> austreibens aufzufassen ist, und zu der ein Gebrauch, der früher in Munder-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greuzbotcn. I. -ILäö. 22</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0177]
mühuugen des ^Doctors todt bleibt, bis dieser endlich zum letzten Mittel
greift und ihm vermittelst eines Rohrs durch den Hintern wieder Leben
einbläst.
Wichtiger als diese plumpen Späße ist ein Gebrauch, der gleichfalls in
Buhl zu Fastnachten vorkommt und entschieden an den märkischen Schimmel-
reiter erinnert, welcher einige Wochen vor Weihnachten umherzieht und aller
Wahrscheinlichkeit nach Ueberreste einer Processton zu Ehren Froh oder Wuo-
tans oder eines Umzugs dieser Götter selbst ist. Man füllt nämlich einen
Sack mit Heu oder Häckerling, deckt ein weißes Laken darüber, macht vorn
einen Pferdekopf mit saugen Ohren aus den Zipfeln 'des Tuchs und zäumt
diesen Sack aus wie ein Pferd. Dann nehmen ihn zwei Bursche auf die
Schultern, aber so, daß ihr Kopf und Oberleib unter der Decke verborgen
bleiben; ein Dritter setzt sich auf den Sack, reitet im Dorfe umher und sucht
seinen Gaul zu verhandeln. Die Käufer erkundigen sich nach den Eigenschaf¬
ten des Schimmels und fragen z. B. ob er nicht schlage oder beiße, und so
wie der Reiter versichert, daß er niemandem etwas thue,, und sie ihm nahen,
schlägt er hinten und vorn aus, zum großen Ergötzen der Zuschauer. Das
Pferd wird merkwürdigerweise der „Golisch Bock" genannt, ein Ausdruck, der
an den Klapperbock mahnt, welcher in Pommern hin und wieder den Schimmel¬
reiter begleitet. Beim Herumziehen werden Geld und Victualien eingesammelt,
die man nachher gemeinsam verzehrt.
An verschiedenen schwäbischen Orten herrscht dagegen eine Sitte, die mit
dem bekannten Tvdauslreiben fast völlig übereinstimmt. In Buhl, in Frie-
dingcn und in Wurmlingeu bei Rotenburg wird nämlich „die Fastnacht be¬
graben." Ein Bursch wird in Stroh eingeflochten und an einem Seile als
„Bär" im Dorfe herumgeführt, um nach der Flöte des Führers vor jedem
Hause zu tanzen. Dieser Bärentanz wird den Montag und Dienstag fortge¬
setzt. Am Aschermittwoch wird dann ein falscher Strohmann gemacht, in einen
Sarg gelegt und unter Trauermusik hinausgefahren, um auf dem Felde ein¬
gescharrt zu werden. Als Zehrung bekommt er einige Fastnachtöküchlein mit
auf den Weg. Bei diesem Begraben der Fastnacht wird in Wuimlingen eine
Rede gehalten, die alles Lächerliche und Seltsame, das während des letzten
Jahres im Orte vorgekommen ist, offen Preis gibt. Namentlich ergießt sich
der Spott des Redners über alle Mädchen, denen sich etwas anhängen läßt.
In NoUweil wurde der „Fastnachtsnarr", der gleichfalls in Stroh gehüllt ein-
herschritt, am Aschermittwoch betrunken gemacht und dann unter einem großen
Strohhaufen begraben, wobei sich ein gewaltiges Jammern und Wehklagen er¬
hob. In Altdorf und Weingarten wurde der Fastnachtsnarr ins Wasser ge¬
worfen, eine Sitte, die wie der augsburger „Wasservogel" als Abart des Tod¬
austreibens aufzufassen ist, und zu der ein Gebrauch, der früher in Munder-
Greuzbotcn. I. -ILäö. 22
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |