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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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weggen", heiße Wecken, rautenförmige Brote in der Form eines Rades mit
vier Speichen, die aus feinem Mehl, Eiern, Butter und Gewürz bestehen und
in Milch gekocht werten. Ferner muß der Bretzeln oder Hornassen gedacht
werden, die ursprünglich vielleicht auch das Sonnenrad vorstellen sollten. End¬
lich gehören die Fastnachtskringeln oder Kreppeln hierher, denen man jetzt die
Gestalt eines länglichen Vierecks mit gezähntem Rande gibt.

Andere Observanzen der heiligen Zeit, die wir beiläufig erwähne", sind
folgende: FastnachtS die Bäume beschnitten, sichert dieselben gegen Raupen und
Milben. FastnachtS die Aepfel- und Birnbäume mit Strvhkränzen umwunden
macht, daß sie reichlich tragen. FastnachtS in Marias Namen Milch gegessen,
schützt vor Sonnenstich im Sommer. FastnachtS früh nüchtern und schweigend
gedroschen, vertreibt die Maulwürfe. Wer dagegen an diesem Tage spinnt,
dem mißräth der Flachs -- denn er hat, fügen wir (auf Grund einer ähn¬
lichen abergläubischen Vorschrift für den Dreikönigstag, an dem Berchta im
Orlagan und in Kärnthen umherzieht) hinzu, die Göttin nicht geehrt, der dieser
Tag in einigen Gegenden besonders heilig war. Um Fastnacht sahen früher
altgläubige Leute häufig an den Katzen Spuren von Anschirrung, indem die
Haare an Hals und Schultern zusammengedrückt und diese Stellen bisweilen
sogar wund waren. Sie erklärten sechs mit dem Glauben, daß die Thiere
Heren gezogen hätten; wir glauben richtiger zu rathen, wenn wir meinen, sie
könnten der Göttermutter, die mit einem Katzengcspann fuhr, als Zugthiere
-gedient haben. Wer im Ansbachschen FastnachtS Strohseile knüpft und auch
nur ein einziges davon zu einer Garbe unter einen ganzen Schober Getreide
nimmt, der bewahrt sein Korn vor Mäusefraß. Wer auf der Rhön an diesem
Tage um seinen Gartenzaun geht, dem kann das ganze Jahr über keine
Planke davon gestohlen werden. In der Matthiasnacht, die auf Petri Stuhl¬
feier folgt, flechten in verschiedenen Gegenden Nordwestdeutschlands die Mäd¬
chen einen Kranz von Epheu oder Wintergrün und einen zweiten von Stroh,
gehen damit an eine Quelle, zünden Lichter um dieselbe an, und werfen die
beiden Kränze hinein. Dann umtanzen sie das Wasser unter dem Gesänge
von sogenannten Schweigtagsfreiersliedern oder' Gesängen zum Lobe Marias
und gehen hierauf rücklings nach der Quelle, um einen der Kränze herauszu¬
greifen. Fassen sie einen grünen Kranz, so bedeutet es Glück, bekommen sie
dagegen einen Strohkranz in die Hand, so zeigt es Unglück an.

Wieder andere norddeutsche Fastnachtsgebräuche sind: Die Aufpflanzung
von Tannenbäumen vor den Thüren, das Beschenken mit grünen Sträußen,
das Umhertragen von Tannenzweigen uno das Schlagen mit denselben. Wo
man diese Zweige blos schenkt, nennt man es "einen grünen Fastelabend
bringen." We- man, wie in Leipzig, damit schlagt, sagt man, man wolle "die
Asche abkehren." Für beides wird ein Geschenk gereicht, und beides weist auf


weggen", heiße Wecken, rautenförmige Brote in der Form eines Rades mit
vier Speichen, die aus feinem Mehl, Eiern, Butter und Gewürz bestehen und
in Milch gekocht werten. Ferner muß der Bretzeln oder Hornassen gedacht
werden, die ursprünglich vielleicht auch das Sonnenrad vorstellen sollten. End¬
lich gehören die Fastnachtskringeln oder Kreppeln hierher, denen man jetzt die
Gestalt eines länglichen Vierecks mit gezähntem Rande gibt.

Andere Observanzen der heiligen Zeit, die wir beiläufig erwähne», sind
folgende: FastnachtS die Bäume beschnitten, sichert dieselben gegen Raupen und
Milben. FastnachtS die Aepfel- und Birnbäume mit Strvhkränzen umwunden
macht, daß sie reichlich tragen. FastnachtS in Marias Namen Milch gegessen,
schützt vor Sonnenstich im Sommer. FastnachtS früh nüchtern und schweigend
gedroschen, vertreibt die Maulwürfe. Wer dagegen an diesem Tage spinnt,
dem mißräth der Flachs — denn er hat, fügen wir (auf Grund einer ähn¬
lichen abergläubischen Vorschrift für den Dreikönigstag, an dem Berchta im
Orlagan und in Kärnthen umherzieht) hinzu, die Göttin nicht geehrt, der dieser
Tag in einigen Gegenden besonders heilig war. Um Fastnacht sahen früher
altgläubige Leute häufig an den Katzen Spuren von Anschirrung, indem die
Haare an Hals und Schultern zusammengedrückt und diese Stellen bisweilen
sogar wund waren. Sie erklärten sechs mit dem Glauben, daß die Thiere
Heren gezogen hätten; wir glauben richtiger zu rathen, wenn wir meinen, sie
könnten der Göttermutter, die mit einem Katzengcspann fuhr, als Zugthiere
-gedient haben. Wer im Ansbachschen FastnachtS Strohseile knüpft und auch
nur ein einziges davon zu einer Garbe unter einen ganzen Schober Getreide
nimmt, der bewahrt sein Korn vor Mäusefraß. Wer auf der Rhön an diesem
Tage um seinen Gartenzaun geht, dem kann das ganze Jahr über keine
Planke davon gestohlen werden. In der Matthiasnacht, die auf Petri Stuhl¬
feier folgt, flechten in verschiedenen Gegenden Nordwestdeutschlands die Mäd¬
chen einen Kranz von Epheu oder Wintergrün und einen zweiten von Stroh,
gehen damit an eine Quelle, zünden Lichter um dieselbe an, und werfen die
beiden Kränze hinein. Dann umtanzen sie das Wasser unter dem Gesänge
von sogenannten Schweigtagsfreiersliedern oder' Gesängen zum Lobe Marias
und gehen hierauf rücklings nach der Quelle, um einen der Kränze herauszu¬
greifen. Fassen sie einen grünen Kranz, so bedeutet es Glück, bekommen sie
dagegen einen Strohkranz in die Hand, so zeigt es Unglück an.

Wieder andere norddeutsche Fastnachtsgebräuche sind: Die Aufpflanzung
von Tannenbäumen vor den Thüren, das Beschenken mit grünen Sträußen,
das Umhertragen von Tannenzweigen uno das Schlagen mit denselben. Wo
man diese Zweige blos schenkt, nennt man es „einen grünen Fastelabend
bringen." We- man, wie in Leipzig, damit schlagt, sagt man, man wolle „die
Asche abkehren." Für beides wird ein Geschenk gereicht, und beides weist auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/175>, abgerufen am 25.08.2024.