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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Von der schönsten Vorbedeutung sind die ersten Handlungen der Kammer!
riefen sie aus; die Politik der Conciliation, wovon das Cabinet durchdrungen
und die in den Wünschen des Landes liegt, sie wird zum Heile Belgiens
siegen. Die Ohnmacht jener Partei, die nur in der Verwirrung und im Um¬
sturze ihre Rettung sucht, ist jetzt offen zu Tage gekommen; >das Ministerium
kann und wird nicht säumen, seine Ideen für die Wohlfahrt des Landes, die
schon im .voraus die Zustimmung der Majorität der Volksvertretung erhalten
haben, zur Ausführung zu bringen. Vorläufig wird jedoch das Ministerium
klug daran thun, mit der Befriedigung der sublimen Wünsche der Klerikalen
noch eine Weile zu warten; ohnehin verstehen ja seine Clienten das Warten
meisterhaft. Gleich nach dem Triumphe, während die Luft uoch zitterte von
den Fanfaren und dem Jubelgeschrei, kam so etwas wie eine Niederlage, und
nur mit genauer Noth entging das Ministerium seinem Sturze. Die Ant¬
wortsadresse der Kammer auf die Thronrede war eS, bei deren Discussion es
sich zeigte, mit welcher geringen Sicherheit das Cabinet Dedecker auf eine com-
pacte Majorität zählen darf. Schon im Senat hatte jene Stelle der Thronrede,
welche sich auf milde Stiftungen und wohlthätige Anstalten bezieht, zu De¬
batten geführt, indem Herr van Schoor, Mitglied der Linken, sich gegen die
Redaction des betreffenden Paragraphen in der Adresse aussprach, der nichts
wie die Platte Wiederholung der in der Thronrede beliebten Formel wäre; und
ein Amendement wurde angenommen, welches die Ausübung der Wohlthätigkeit
unter eine ernstliche und wirksame Controle stellt. , Damit hat der
Senat deutlich genug ausgesprochen, daß die Organisation und Leitung der
öffentlichen Wohlthätigkeit der Civilautorität, und nicht dem Klerus und den
religiösen Corporationen zustehe. Das war das erste, aber noch gelinde
Sturzbad zur Abkühlung der eiferglühenden Hoffnungen der klerikalen Par¬
tei. In der Kammer der Repräsentanten kam die parlamentarische Situation
noch klarer zu Tage. Hier enthielt die von der Kommission vorgeschlagene
Antwortsadresse eine Stelle, dahin lautend: "Die Negierung Ew. M. ver¬
langt, in Erwiederung ihrer aufrichtigen Absichten und der Mäßigung, welche
die Regel ihres Verhaltens ist, unsern legalen Beistand. Dieser Beistand
wird ihr nicht fehlen, und wir werden die Größe der Pflichten, welche die
Umstände unserm Patriotismus auferlegen, zu verstehen wissen." Herr Van-
denpeerebo om, zur gemäßigten Opposition gehörend, fand, daß diese
Stelle ein Vertrauensvotum zu Gunsten des Mimstenums nicht allein sür die
rein administrativen, sondern auch sür die politischen Fragen sein würde, für
welche letztere sich die Kammer alle Freiheit bewahren müsse. Er schlug daher
folgendes Amendement vor, das jene Stelle ersetzen sollte": "Die Negierung
Ew. M. kann auf den Beistand der Kammer bei allen nützlichen Maßregeln
zählen, die vorzuschlagen sie für nöthig halten wird; wir werden die Größe


Von der schönsten Vorbedeutung sind die ersten Handlungen der Kammer!
riefen sie aus; die Politik der Conciliation, wovon das Cabinet durchdrungen
und die in den Wünschen des Landes liegt, sie wird zum Heile Belgiens
siegen. Die Ohnmacht jener Partei, die nur in der Verwirrung und im Um¬
sturze ihre Rettung sucht, ist jetzt offen zu Tage gekommen; >das Ministerium
kann und wird nicht säumen, seine Ideen für die Wohlfahrt des Landes, die
schon im .voraus die Zustimmung der Majorität der Volksvertretung erhalten
haben, zur Ausführung zu bringen. Vorläufig wird jedoch das Ministerium
klug daran thun, mit der Befriedigung der sublimen Wünsche der Klerikalen
noch eine Weile zu warten; ohnehin verstehen ja seine Clienten das Warten
meisterhaft. Gleich nach dem Triumphe, während die Luft uoch zitterte von
den Fanfaren und dem Jubelgeschrei, kam so etwas wie eine Niederlage, und
nur mit genauer Noth entging das Ministerium seinem Sturze. Die Ant¬
wortsadresse der Kammer auf die Thronrede war eS, bei deren Discussion es
sich zeigte, mit welcher geringen Sicherheit das Cabinet Dedecker auf eine com-
pacte Majorität zählen darf. Schon im Senat hatte jene Stelle der Thronrede,
welche sich auf milde Stiftungen und wohlthätige Anstalten bezieht, zu De¬
batten geführt, indem Herr van Schoor, Mitglied der Linken, sich gegen die
Redaction des betreffenden Paragraphen in der Adresse aussprach, der nichts
wie die Platte Wiederholung der in der Thronrede beliebten Formel wäre; und
ein Amendement wurde angenommen, welches die Ausübung der Wohlthätigkeit
unter eine ernstliche und wirksame Controle stellt. , Damit hat der
Senat deutlich genug ausgesprochen, daß die Organisation und Leitung der
öffentlichen Wohlthätigkeit der Civilautorität, und nicht dem Klerus und den
religiösen Corporationen zustehe. Das war das erste, aber noch gelinde
Sturzbad zur Abkühlung der eiferglühenden Hoffnungen der klerikalen Par¬
tei. In der Kammer der Repräsentanten kam die parlamentarische Situation
noch klarer zu Tage. Hier enthielt die von der Kommission vorgeschlagene
Antwortsadresse eine Stelle, dahin lautend: „Die Negierung Ew. M. ver¬
langt, in Erwiederung ihrer aufrichtigen Absichten und der Mäßigung, welche
die Regel ihres Verhaltens ist, unsern legalen Beistand. Dieser Beistand
wird ihr nicht fehlen, und wir werden die Größe der Pflichten, welche die
Umstände unserm Patriotismus auferlegen, zu verstehen wissen." Herr Van-
denpeerebo om, zur gemäßigten Opposition gehörend, fand, daß diese
Stelle ein Vertrauensvotum zu Gunsten des Mimstenums nicht allein sür die
rein administrativen, sondern auch sür die politischen Fragen sein würde, für
welche letztere sich die Kammer alle Freiheit bewahren müsse. Er schlug daher
folgendes Amendement vor, das jene Stelle ersetzen sollte": „Die Negierung
Ew. M. kann auf den Beistand der Kammer bei allen nützlichen Maßregeln
zählen, die vorzuschlagen sie für nöthig halten wird; wir werden die Größe


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[0162] Von der schönsten Vorbedeutung sind die ersten Handlungen der Kammer! riefen sie aus; die Politik der Conciliation, wovon das Cabinet durchdrungen und die in den Wünschen des Landes liegt, sie wird zum Heile Belgiens siegen. Die Ohnmacht jener Partei, die nur in der Verwirrung und im Um¬ sturze ihre Rettung sucht, ist jetzt offen zu Tage gekommen; >das Ministerium kann und wird nicht säumen, seine Ideen für die Wohlfahrt des Landes, die schon im .voraus die Zustimmung der Majorität der Volksvertretung erhalten haben, zur Ausführung zu bringen. Vorläufig wird jedoch das Ministerium klug daran thun, mit der Befriedigung der sublimen Wünsche der Klerikalen noch eine Weile zu warten; ohnehin verstehen ja seine Clienten das Warten meisterhaft. Gleich nach dem Triumphe, während die Luft uoch zitterte von den Fanfaren und dem Jubelgeschrei, kam so etwas wie eine Niederlage, und nur mit genauer Noth entging das Ministerium seinem Sturze. Die Ant¬ wortsadresse der Kammer auf die Thronrede war eS, bei deren Discussion es sich zeigte, mit welcher geringen Sicherheit das Cabinet Dedecker auf eine com- pacte Majorität zählen darf. Schon im Senat hatte jene Stelle der Thronrede, welche sich auf milde Stiftungen und wohlthätige Anstalten bezieht, zu De¬ batten geführt, indem Herr van Schoor, Mitglied der Linken, sich gegen die Redaction des betreffenden Paragraphen in der Adresse aussprach, der nichts wie die Platte Wiederholung der in der Thronrede beliebten Formel wäre; und ein Amendement wurde angenommen, welches die Ausübung der Wohlthätigkeit unter eine ernstliche und wirksame Controle stellt. , Damit hat der Senat deutlich genug ausgesprochen, daß die Organisation und Leitung der öffentlichen Wohlthätigkeit der Civilautorität, und nicht dem Klerus und den religiösen Corporationen zustehe. Das war das erste, aber noch gelinde Sturzbad zur Abkühlung der eiferglühenden Hoffnungen der klerikalen Par¬ tei. In der Kammer der Repräsentanten kam die parlamentarische Situation noch klarer zu Tage. Hier enthielt die von der Kommission vorgeschlagene Antwortsadresse eine Stelle, dahin lautend: „Die Negierung Ew. M. ver¬ langt, in Erwiederung ihrer aufrichtigen Absichten und der Mäßigung, welche die Regel ihres Verhaltens ist, unsern legalen Beistand. Dieser Beistand wird ihr nicht fehlen, und wir werden die Größe der Pflichten, welche die Umstände unserm Patriotismus auferlegen, zu verstehen wissen." Herr Van- denpeerebo om, zur gemäßigten Opposition gehörend, fand, daß diese Stelle ein Vertrauensvotum zu Gunsten des Mimstenums nicht allein sür die rein administrativen, sondern auch sür die politischen Fragen sein würde, für welche letztere sich die Kammer alle Freiheit bewahren müsse. Er schlug daher folgendes Amendement vor, das jene Stelle ersetzen sollte": „Die Negierung Ew. M. kann auf den Beistand der Kammer bei allen nützlichen Maßregeln zählen, die vorzuschlagen sie für nöthig halten wird; wir werden die Größe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/162>, abgerufen am 25.08.2024.