Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.das Princip der Mo in parlos gegen weitere Beeinträchtigungen geschützt. "Wage man die vier Stände nach ihrer specifiguen geistigen Schwere ab, Die Theilnahmlosigkeit, die hier Stein dem Bürgerstande vorwirft, ent¬ In dieser Behandlung der innern Frage concentrirt sich das Hauptinter¬ das Princip der Mo in parlos gegen weitere Beeinträchtigungen geschützt. „Wage man die vier Stände nach ihrer specifiguen geistigen Schwere ab, Die Theilnahmlosigkeit, die hier Stein dem Bürgerstande vorwirft, ent¬ In dieser Behandlung der innern Frage concentrirt sich das Hauptinter¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0016" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101009"/> <p xml:id="ID_21" prev="#ID_20"> das Princip der Mo in parlos gegen weitere Beeinträchtigungen geschützt.<lb/> Daß aber auch dieser Schutz nur ein halber ist, darüber geben uns einige<lb/> Stellen in diesen Denkwürdigkeiten einen sehr interessanten Aufschluß. Vom<lb/> preußischen Landtag berichtet z. B. der Präsident Schön: „Ein einziger un¬<lb/> glücklicher städtischer Abgeordneter vergaß sich einmal das Wort: illo in p-rrtes<lb/> auszusprechen, und der ganze Landtag kam in Aufruhr und siel über ihn her,<lb/> und Dohna und Brandt und mehre wollten ihn mit den Zähnen zerreißen,<lb/> daß so etwas in unsren Versammlungen auszusprechen nur möglich sei." ^-Eine<lb/> ganz ähnliche Geschichte erzählt Stein vom westphälischen Landtag. Unter<lb/> diesen Umständen kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn der letztere über<lb/> den Landtag im Allgemeinen folgenden Bericht abstattet:</p><lb/> <p xml:id="ID_22"> „Wage man die vier Stände nach ihrer specifiguen geistigen Schwere ab,<lb/> so finden sich im ersten und zweiten Stand 10 geschäftsfähige Mitglieder, also<lb/> beinahe 60"/^; im Stand der Städte S von 20, also nur V» oder 2S^; im<lb/> Stand der Landgemeinden 6 oder beinahe 17"/«. Dieses Mißverhältniß be¬<lb/> weiset die-Gleichgiltigkeit und den Leichtsinn, mit dem bei den Wahlen, beson¬<lb/> ders in den Städten, verfahren worden, wo Gleichgiltigkeit oder erbärmliche,<lb/> selbstsüchtige Motive ihren Einfluß ausübten. Prüft man den in jedem Stand<lb/> vorherrschenden politischen Geist, so spricht sich bei dem Adel Anhänglichkeit an<lb/> das Bestehende, an die Monarchie, Stolz mit etwas Starrheit aus; in dem<lb/> dritten Stand Neuerungssucht, geleitet durch neidische Eitelkeit; im vierten<lb/> Stand Unbeholfenheit, Streben, sich eine Erleichterung der öffentlichen Lasten<lb/> zu verschaffen und sich auf Kosten der Gutsherrn zu bereichern. Dieses Ziel<lb/> hat dieser vierte Stand fest im Auge, in andern Dingen wird er von irgend¬<lb/> einem Intriguanten geleitet." —</p><lb/> <p xml:id="ID_23"> Die Theilnahmlosigkeit, die hier Stein dem Bürgerstande vorwirft, ent¬<lb/> springt aber aus ganz natürlichen Gründen. Der wahrhaft intelligente Bürger<lb/> sieht sich durch die Zunftwahl alles Einflusses beraubt, ja er ist zum Theil<lb/> ganz und gar ausgeschlossen; der Bürgerstand wird also nach dem Princip der<lb/> ständischen Gliederung in einem ganz falschen, verzerrten Bilde dargestellt. Für<lb/> die geheimen Wünsche der aristokratischen Partei ist das ganz zweckmäßig, denn<lb/> sie will eigentlich nur eine Adelsvertretung; für das wahre Interesse des Adels<lb/> dagegen ist eS verhängnißvoll, denn es kann einem Stande nichts Schlimmeres<lb/> widerfahren, als daß er sein reales Verhältniß zu den übrigen Ständen un¬<lb/> richtig auffaßt. Durch die Einführung einer ständischen Verfassung wird die<lb/> Nationalkraft des Staats, die auf Nein harmonischen Ineinandergreifen der<lb/> verschiedenen Einzelnkräfte beruht, nicht verstärkt, sondern geschwächt.</p><lb/> <p xml:id="ID_24" next="#ID_25"> In dieser Behandlung der innern Frage concentrirt sich das Hauptinter¬<lb/> esse des Buchs; das andere, so interessant es uns auch sein muß, zu erfahren,<lb/> waS Stein über die Emancipation Griechenlands und ähnliche Dinge gedacht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
das Princip der Mo in parlos gegen weitere Beeinträchtigungen geschützt.
Daß aber auch dieser Schutz nur ein halber ist, darüber geben uns einige
Stellen in diesen Denkwürdigkeiten einen sehr interessanten Aufschluß. Vom
preußischen Landtag berichtet z. B. der Präsident Schön: „Ein einziger un¬
glücklicher städtischer Abgeordneter vergaß sich einmal das Wort: illo in p-rrtes
auszusprechen, und der ganze Landtag kam in Aufruhr und siel über ihn her,
und Dohna und Brandt und mehre wollten ihn mit den Zähnen zerreißen,
daß so etwas in unsren Versammlungen auszusprechen nur möglich sei." ^-Eine
ganz ähnliche Geschichte erzählt Stein vom westphälischen Landtag. Unter
diesen Umständen kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn der letztere über
den Landtag im Allgemeinen folgenden Bericht abstattet:
„Wage man die vier Stände nach ihrer specifiguen geistigen Schwere ab,
so finden sich im ersten und zweiten Stand 10 geschäftsfähige Mitglieder, also
beinahe 60"/^; im Stand der Städte S von 20, also nur V» oder 2S^; im
Stand der Landgemeinden 6 oder beinahe 17"/«. Dieses Mißverhältniß be¬
weiset die-Gleichgiltigkeit und den Leichtsinn, mit dem bei den Wahlen, beson¬
ders in den Städten, verfahren worden, wo Gleichgiltigkeit oder erbärmliche,
selbstsüchtige Motive ihren Einfluß ausübten. Prüft man den in jedem Stand
vorherrschenden politischen Geist, so spricht sich bei dem Adel Anhänglichkeit an
das Bestehende, an die Monarchie, Stolz mit etwas Starrheit aus; in dem
dritten Stand Neuerungssucht, geleitet durch neidische Eitelkeit; im vierten
Stand Unbeholfenheit, Streben, sich eine Erleichterung der öffentlichen Lasten
zu verschaffen und sich auf Kosten der Gutsherrn zu bereichern. Dieses Ziel
hat dieser vierte Stand fest im Auge, in andern Dingen wird er von irgend¬
einem Intriguanten geleitet." —
Die Theilnahmlosigkeit, die hier Stein dem Bürgerstande vorwirft, ent¬
springt aber aus ganz natürlichen Gründen. Der wahrhaft intelligente Bürger
sieht sich durch die Zunftwahl alles Einflusses beraubt, ja er ist zum Theil
ganz und gar ausgeschlossen; der Bürgerstand wird also nach dem Princip der
ständischen Gliederung in einem ganz falschen, verzerrten Bilde dargestellt. Für
die geheimen Wünsche der aristokratischen Partei ist das ganz zweckmäßig, denn
sie will eigentlich nur eine Adelsvertretung; für das wahre Interesse des Adels
dagegen ist eS verhängnißvoll, denn es kann einem Stande nichts Schlimmeres
widerfahren, als daß er sein reales Verhältniß zu den übrigen Ständen un¬
richtig auffaßt. Durch die Einführung einer ständischen Verfassung wird die
Nationalkraft des Staats, die auf Nein harmonischen Ineinandergreifen der
verschiedenen Einzelnkräfte beruht, nicht verstärkt, sondern geschwächt.
In dieser Behandlung der innern Frage concentrirt sich das Hauptinter¬
esse des Buchs; das andere, so interessant es uns auch sein muß, zu erfahren,
waS Stein über die Emancipation Griechenlands und ähnliche Dinge gedacht
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