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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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zu lassen. Als die für diesen Zweck geeignetsten Lehrgegenstände wurden
Religion und Geschichte bezeichnet. Dieselbe Behörde hielt es für angemessen,
daß in den Gemeinden, in welchen im Laufe der Zeiten die dänische Sprache
der deutschen gewichen sei, aber noch Ueberreste der erstern vorhanden wären,
dem Dänische" wiederum Eingang in Kirche und Schule verschafft werde und
zwar selbst wider den Willen der Gemeinden, die, wie man in Verblen¬
dung hoffte, nach Absterben einiger Generationen sich mit dieser Umwand¬
lung ausgesöhnt haben würden. Es stand in Frage, ob die Geschichte
des Nordens mit Beispielen des Despotismus zu bereichern sei, wie sie bis
dahin nur der Süden gekannt hat. Die Frage wurde damals unentschieden
gelassen. Die Dänen von 1851 haben sie, wie sogleich zu zeigen sein wird, mit
Ja beantwortet und darnach gehandelt und mit den Maßregeln dieses Handels
ein Seitenstück zu der Grausamkeit geliefert, mit welcher einst die andalusi-
schen Christen von den Kalifen gezwungen wurde", die arabische Sprache an¬
zunehmen.

So kam das Jahr 1818 heran. Christian V>II. war gestorben. Er hatte
in den Herzogthümern ein Andenken hinterlassen, welches durch das Gefühl
getrübt wurde, daß dieser sonst begabte Fürst für deutschen Sinn und deutsche
Sitte kein Herz gehabt habe. Sein Sohn und Nachfolger wurde von der
dänischen Nation als der erste aller Oldenburger begrüßt, an dem kein Bluts¬
tropfen mehr deutsch, an dem jeder Pulsschlag dänisch sei. "saa tauft son
dem var lügen Konge her i mange Aar," heißt es zu seinem Lobe im tapperen
Landsoldat. Noch einmal indeß schien eS, als solle der Weg der Verständigung
eingeschlagen werden, so wenig auch daS Rescript vom 28. Januar 1848, mit
dem derselbe betreten wurde, die Wünsche Schleswig-Holsteins zu befriedigen
angethan war.

Da brauste vom Ufer der Seine der Sturm der Revolution durch Europa.
Einer der eifrigsten Feinde Schleswig-Holsteins, der bekannte Orla Lehmann
eilte aus Italien nach Kopenhagen. "Jetzt oder nie!" rief dieser Führer der
Eioerdänen, und seine Gesiunungsgniossen Tscherning, Monrad und Holde
stimmten ein in den Ruf. Am Eingange zum Casino wurde am 21. März
von den Gassenbuben eine Flugschrift feilgeboten, welche mit den Worten
"Krieg gegen Schleswig" angepriesen wurde. Wem der Sinn dieser Bezeich¬
nung noch dunkel geblieben war, der konnte nach Lehmanns Rede im Casino
nicht mehr in Zweifel darüber sein. Man mußte erwarten, .daß die weitere
Verfolgung der eiderdänischen Pläne Deutschland zur Wahrung der deutschen
Interessen in Schleswig herbeiziehen werde. Lehmann rief, daS Vaterland
sei in Gefahr (er ist bekanntlich ein in Kopenhagen geborner Holstciner) und
Dänemark müsse Männer an die Spitze der Regierung stellen, die es retteten,
für seine Ehre einstünden und es auf die Bahn der Freiheit führten. Unver-


zu lassen. Als die für diesen Zweck geeignetsten Lehrgegenstände wurden
Religion und Geschichte bezeichnet. Dieselbe Behörde hielt es für angemessen,
daß in den Gemeinden, in welchen im Laufe der Zeiten die dänische Sprache
der deutschen gewichen sei, aber noch Ueberreste der erstern vorhanden wären,
dem Dänische» wiederum Eingang in Kirche und Schule verschafft werde und
zwar selbst wider den Willen der Gemeinden, die, wie man in Verblen¬
dung hoffte, nach Absterben einiger Generationen sich mit dieser Umwand¬
lung ausgesöhnt haben würden. Es stand in Frage, ob die Geschichte
des Nordens mit Beispielen des Despotismus zu bereichern sei, wie sie bis
dahin nur der Süden gekannt hat. Die Frage wurde damals unentschieden
gelassen. Die Dänen von 1851 haben sie, wie sogleich zu zeigen sein wird, mit
Ja beantwortet und darnach gehandelt und mit den Maßregeln dieses Handels
ein Seitenstück zu der Grausamkeit geliefert, mit welcher einst die andalusi-
schen Christen von den Kalifen gezwungen wurde«, die arabische Sprache an¬
zunehmen.

So kam das Jahr 1818 heran. Christian V>II. war gestorben. Er hatte
in den Herzogthümern ein Andenken hinterlassen, welches durch das Gefühl
getrübt wurde, daß dieser sonst begabte Fürst für deutschen Sinn und deutsche
Sitte kein Herz gehabt habe. Sein Sohn und Nachfolger wurde von der
dänischen Nation als der erste aller Oldenburger begrüßt, an dem kein Bluts¬
tropfen mehr deutsch, an dem jeder Pulsschlag dänisch sei. „saa tauft son
dem var lügen Konge her i mange Aar," heißt es zu seinem Lobe im tapperen
Landsoldat. Noch einmal indeß schien eS, als solle der Weg der Verständigung
eingeschlagen werden, so wenig auch daS Rescript vom 28. Januar 1848, mit
dem derselbe betreten wurde, die Wünsche Schleswig-Holsteins zu befriedigen
angethan war.

Da brauste vom Ufer der Seine der Sturm der Revolution durch Europa.
Einer der eifrigsten Feinde Schleswig-Holsteins, der bekannte Orla Lehmann
eilte aus Italien nach Kopenhagen. „Jetzt oder nie!" rief dieser Führer der
Eioerdänen, und seine Gesiunungsgniossen Tscherning, Monrad und Holde
stimmten ein in den Ruf. Am Eingange zum Casino wurde am 21. März
von den Gassenbuben eine Flugschrift feilgeboten, welche mit den Worten
„Krieg gegen Schleswig" angepriesen wurde. Wem der Sinn dieser Bezeich¬
nung noch dunkel geblieben war, der konnte nach Lehmanns Rede im Casino
nicht mehr in Zweifel darüber sein. Man mußte erwarten, .daß die weitere
Verfolgung der eiderdänischen Pläne Deutschland zur Wahrung der deutschen
Interessen in Schleswig herbeiziehen werde. Lehmann rief, daS Vaterland
sei in Gefahr (er ist bekanntlich ein in Kopenhagen geborner Holstciner) und
Dänemark müsse Männer an die Spitze der Regierung stellen, die es retteten,
für seine Ehre einstünden und es auf die Bahn der Freiheit führten. Unver-


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[0156] zu lassen. Als die für diesen Zweck geeignetsten Lehrgegenstände wurden Religion und Geschichte bezeichnet. Dieselbe Behörde hielt es für angemessen, daß in den Gemeinden, in welchen im Laufe der Zeiten die dänische Sprache der deutschen gewichen sei, aber noch Ueberreste der erstern vorhanden wären, dem Dänische» wiederum Eingang in Kirche und Schule verschafft werde und zwar selbst wider den Willen der Gemeinden, die, wie man in Verblen¬ dung hoffte, nach Absterben einiger Generationen sich mit dieser Umwand¬ lung ausgesöhnt haben würden. Es stand in Frage, ob die Geschichte des Nordens mit Beispielen des Despotismus zu bereichern sei, wie sie bis dahin nur der Süden gekannt hat. Die Frage wurde damals unentschieden gelassen. Die Dänen von 1851 haben sie, wie sogleich zu zeigen sein wird, mit Ja beantwortet und darnach gehandelt und mit den Maßregeln dieses Handels ein Seitenstück zu der Grausamkeit geliefert, mit welcher einst die andalusi- schen Christen von den Kalifen gezwungen wurde«, die arabische Sprache an¬ zunehmen. So kam das Jahr 1818 heran. Christian V>II. war gestorben. Er hatte in den Herzogthümern ein Andenken hinterlassen, welches durch das Gefühl getrübt wurde, daß dieser sonst begabte Fürst für deutschen Sinn und deutsche Sitte kein Herz gehabt habe. Sein Sohn und Nachfolger wurde von der dänischen Nation als der erste aller Oldenburger begrüßt, an dem kein Bluts¬ tropfen mehr deutsch, an dem jeder Pulsschlag dänisch sei. „saa tauft son dem var lügen Konge her i mange Aar," heißt es zu seinem Lobe im tapperen Landsoldat. Noch einmal indeß schien eS, als solle der Weg der Verständigung eingeschlagen werden, so wenig auch daS Rescript vom 28. Januar 1848, mit dem derselbe betreten wurde, die Wünsche Schleswig-Holsteins zu befriedigen angethan war. Da brauste vom Ufer der Seine der Sturm der Revolution durch Europa. Einer der eifrigsten Feinde Schleswig-Holsteins, der bekannte Orla Lehmann eilte aus Italien nach Kopenhagen. „Jetzt oder nie!" rief dieser Führer der Eioerdänen, und seine Gesiunungsgniossen Tscherning, Monrad und Holde stimmten ein in den Ruf. Am Eingange zum Casino wurde am 21. März von den Gassenbuben eine Flugschrift feilgeboten, welche mit den Worten „Krieg gegen Schleswig" angepriesen wurde. Wem der Sinn dieser Bezeich¬ nung noch dunkel geblieben war, der konnte nach Lehmanns Rede im Casino nicht mehr in Zweifel darüber sein. Man mußte erwarten, .daß die weitere Verfolgung der eiderdänischen Pläne Deutschland zur Wahrung der deutschen Interessen in Schleswig herbeiziehen werde. Lehmann rief, daS Vaterland sei in Gefahr (er ist bekanntlich ein in Kopenhagen geborner Holstciner) und Dänemark müsse Männer an die Spitze der Regierung stellen, die es retteten, für seine Ehre einstünden und es auf die Bahn der Freiheit führten. Unver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/156>, abgerufen am 23.07.2024.