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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Lebens schützen mußten. Wenn auch nur die im Nachstehenden mitgetheilten
einzelnen Züge in Betracht gezogen werden, so wird der Ausspruch Bunsens,
daß die systematisch gegen das geistige Leben Schleswig-Holsteins gerichteten
Angriffe die Bevölkerung endlich zur Verzweiflung haben treiben müssen, als
begründet erscheinen.

In Dänemark hatte sich bald nach Einführung der ständischen Institutio¬
nen eine Partei gebildet, die auf die verschiedenste Weise und mit allen Mitteln
dahin strebte, die Herzogthümer und vor allem Schleswig zu einer dänischen
Provinz zu machen. Es wurde die Behauptung aufgestellt, die Verdeutschung
von Schleswig werde methodisch betrieben, die dänische Nationalität des Volks
sei grausam unterdrückt und das Land seines selbstständigen Charakters und
seiner rechten Benennung -- Süd^ütland -- beraubt. Diese Partei wirkte
'theils im Wege der Association und durch Aussendung von Emissären, theils
durch Verbreitung populär gehaltener Tendenzschriften, durch Anlegung von
Lesebibliotheken, die mit politischen Tractätchen angefüllt wurden, und durch
eine in Nordschleswig gegründete Unterrichtsanstalt, die höhere Bauernschule
in Rötting, welche nach ihren Statuten vorzugsweise die Politik ins Auge
faßte. Besonders suchte diese Partei die dänischen Ständeversammlungen in
ihrem Sinne zu leiten und um die Person des Regenten eine Camarillci zu
bilden, welche unausgesetzt bemüht sein sollte, denselben durch Einflüsterungen
zu Verletzungen der staatsrechtlichen Stellung der Herzogthümer zu bestimmen.
Einer spätern Zeit wird es vorbehalten sein, Enthüllungen in dieser Hinsicht
zu erhalten, durch welche auf die erste Anregung zu dem bekannten Antrage
von AlgreewUsslng und die mit dem Offenen, Briefe in Verbindung stehenden
Vorgänge ein nicht eben vorteilhaftes Licht fallen möchte.

Hier habe ich mich auf ein kurzes Referat über diejenigen Angriffe zu
beschränken, welche darauf berechnet waren, das geistige Leben der Herzog¬
thümer in seiner Wurzel vernichtend zu treffen.

Als das geeignetste Mittel, einen derartigen Einfluß auf Schleswig-Hol¬
stein zu gewinnen, mußte vor allem der Plan erscheinen, die Verwaltung des
Kirchen- und Schulwesens in dem Königreiche und in den Herzogthümer" einer
gemeinsamen Behörde unterzuordnen. War dies erreicht, so konnten letztere
Schlag auf Schlag an ihrer empfindlichsten Seite getroffen werden, da erfah¬
rungsmäßig in den gemeinsamen Kollegien, z. B. dem Generalcommissanats-
collegium, der Admiralität, der Finanzdeputation, der StaatSschuldendirec-
tion und der Generalpostdirection durchgängig nur Nationaldänen angestellt
wurden. ES wurde daher dieser Plan zuerst und gleichsam vorfühlend in einer
Eröffnung an die roeskilber Ständeversammlung auf die Bahn gebracht. Doch
die Dänen hatten dies Mal auf das deutsche Phlegma verkehrte Rechnung ge¬
macht. Bei der ersten Kunde eines solchen die Eigenthümlichkeiten und die


Lebens schützen mußten. Wenn auch nur die im Nachstehenden mitgetheilten
einzelnen Züge in Betracht gezogen werden, so wird der Ausspruch Bunsens,
daß die systematisch gegen das geistige Leben Schleswig-Holsteins gerichteten
Angriffe die Bevölkerung endlich zur Verzweiflung haben treiben müssen, als
begründet erscheinen.

In Dänemark hatte sich bald nach Einführung der ständischen Institutio¬
nen eine Partei gebildet, die auf die verschiedenste Weise und mit allen Mitteln
dahin strebte, die Herzogthümer und vor allem Schleswig zu einer dänischen
Provinz zu machen. Es wurde die Behauptung aufgestellt, die Verdeutschung
von Schleswig werde methodisch betrieben, die dänische Nationalität des Volks
sei grausam unterdrückt und das Land seines selbstständigen Charakters und
seiner rechten Benennung — Süd^ütland — beraubt. Diese Partei wirkte
'theils im Wege der Association und durch Aussendung von Emissären, theils
durch Verbreitung populär gehaltener Tendenzschriften, durch Anlegung von
Lesebibliotheken, die mit politischen Tractätchen angefüllt wurden, und durch
eine in Nordschleswig gegründete Unterrichtsanstalt, die höhere Bauernschule
in Rötting, welche nach ihren Statuten vorzugsweise die Politik ins Auge
faßte. Besonders suchte diese Partei die dänischen Ständeversammlungen in
ihrem Sinne zu leiten und um die Person des Regenten eine Camarillci zu
bilden, welche unausgesetzt bemüht sein sollte, denselben durch Einflüsterungen
zu Verletzungen der staatsrechtlichen Stellung der Herzogthümer zu bestimmen.
Einer spätern Zeit wird es vorbehalten sein, Enthüllungen in dieser Hinsicht
zu erhalten, durch welche auf die erste Anregung zu dem bekannten Antrage
von AlgreewUsslng und die mit dem Offenen, Briefe in Verbindung stehenden
Vorgänge ein nicht eben vorteilhaftes Licht fallen möchte.

Hier habe ich mich auf ein kurzes Referat über diejenigen Angriffe zu
beschränken, welche darauf berechnet waren, das geistige Leben der Herzog¬
thümer in seiner Wurzel vernichtend zu treffen.

Als das geeignetste Mittel, einen derartigen Einfluß auf Schleswig-Hol¬
stein zu gewinnen, mußte vor allem der Plan erscheinen, die Verwaltung des
Kirchen- und Schulwesens in dem Königreiche und in den Herzogthümer» einer
gemeinsamen Behörde unterzuordnen. War dies erreicht, so konnten letztere
Schlag auf Schlag an ihrer empfindlichsten Seite getroffen werden, da erfah¬
rungsmäßig in den gemeinsamen Kollegien, z. B. dem Generalcommissanats-
collegium, der Admiralität, der Finanzdeputation, der StaatSschuldendirec-
tion und der Generalpostdirection durchgängig nur Nationaldänen angestellt
wurden. ES wurde daher dieser Plan zuerst und gleichsam vorfühlend in einer
Eröffnung an die roeskilber Ständeversammlung auf die Bahn gebracht. Doch
die Dänen hatten dies Mal auf das deutsche Phlegma verkehrte Rechnung ge¬
macht. Bei der ersten Kunde eines solchen die Eigenthümlichkeiten und die


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[0151] Lebens schützen mußten. Wenn auch nur die im Nachstehenden mitgetheilten einzelnen Züge in Betracht gezogen werden, so wird der Ausspruch Bunsens, daß die systematisch gegen das geistige Leben Schleswig-Holsteins gerichteten Angriffe die Bevölkerung endlich zur Verzweiflung haben treiben müssen, als begründet erscheinen. In Dänemark hatte sich bald nach Einführung der ständischen Institutio¬ nen eine Partei gebildet, die auf die verschiedenste Weise und mit allen Mitteln dahin strebte, die Herzogthümer und vor allem Schleswig zu einer dänischen Provinz zu machen. Es wurde die Behauptung aufgestellt, die Verdeutschung von Schleswig werde methodisch betrieben, die dänische Nationalität des Volks sei grausam unterdrückt und das Land seines selbstständigen Charakters und seiner rechten Benennung — Süd^ütland — beraubt. Diese Partei wirkte 'theils im Wege der Association und durch Aussendung von Emissären, theils durch Verbreitung populär gehaltener Tendenzschriften, durch Anlegung von Lesebibliotheken, die mit politischen Tractätchen angefüllt wurden, und durch eine in Nordschleswig gegründete Unterrichtsanstalt, die höhere Bauernschule in Rötting, welche nach ihren Statuten vorzugsweise die Politik ins Auge faßte. Besonders suchte diese Partei die dänischen Ständeversammlungen in ihrem Sinne zu leiten und um die Person des Regenten eine Camarillci zu bilden, welche unausgesetzt bemüht sein sollte, denselben durch Einflüsterungen zu Verletzungen der staatsrechtlichen Stellung der Herzogthümer zu bestimmen. Einer spätern Zeit wird es vorbehalten sein, Enthüllungen in dieser Hinsicht zu erhalten, durch welche auf die erste Anregung zu dem bekannten Antrage von AlgreewUsslng und die mit dem Offenen, Briefe in Verbindung stehenden Vorgänge ein nicht eben vorteilhaftes Licht fallen möchte. Hier habe ich mich auf ein kurzes Referat über diejenigen Angriffe zu beschränken, welche darauf berechnet waren, das geistige Leben der Herzog¬ thümer in seiner Wurzel vernichtend zu treffen. Als das geeignetste Mittel, einen derartigen Einfluß auf Schleswig-Hol¬ stein zu gewinnen, mußte vor allem der Plan erscheinen, die Verwaltung des Kirchen- und Schulwesens in dem Königreiche und in den Herzogthümer» einer gemeinsamen Behörde unterzuordnen. War dies erreicht, so konnten letztere Schlag auf Schlag an ihrer empfindlichsten Seite getroffen werden, da erfah¬ rungsmäßig in den gemeinsamen Kollegien, z. B. dem Generalcommissanats- collegium, der Admiralität, der Finanzdeputation, der StaatSschuldendirec- tion und der Generalpostdirection durchgängig nur Nationaldänen angestellt wurden. ES wurde daher dieser Plan zuerst und gleichsam vorfühlend in einer Eröffnung an die roeskilber Ständeversammlung auf die Bahn gebracht. Doch die Dänen hatten dies Mal auf das deutsche Phlegma verkehrte Rechnung ge¬ macht. Bei der ersten Kunde eines solchen die Eigenthümlichkeiten und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/151>, abgerufen am 23.07.2024.