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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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solche Veränderung, insofern sie von den Vertretern des Volks angerathen
worden, zu weitern, nicht abzusehenden Folgerungen von dänischer Seite benutzt
werden könne. Die Mehrheit der Versammlung glaubte indessen dieser Gegen¬
gründe ungeachtet es als eine Forderung der natürlichen Gerechtigkeit aner¬
kennen zu müssen, daß künftighin in den Bezirken, wo die Kirchen- und
Schulsprache die dänische sei, letztere Sprache auch in den übrigen höher" An¬
gelegenheiten an die Stelle der deutschen trete. Mit einundzwanzig gegen
achtzehn Stimmen entschied sich daher die Versammlung für einen dahin be¬
züglichen Antrag, welchen durch eine Verfügung von 14. Mai-1840 entsprochen
wurde.

Bei den Verhandlungen war die ganze Versammlung weit davon ent¬
fernt, diese ganze Angelegenheit als eine Parteisache aufzufassen. Sie be¬
thätigte diese Ansicht durch die ruhige und leidenschaftslose Erörterung des
Gegenstandes, welche vortheilhaft von der Art abweicht, in welcher ähnliche
Sprachstreitigkeiten fast gleichzeitig in verschiedenen Theilen der östreichischen
Monarchie und in Belgien in den Kammern und in der Presse behandelt
wurden. In der schleswigschen Ständekammer wurde die Frage wegen Er-
theilung des Unterrichts im Deutschen in den dänischen Schulen Nordschlcs-
wigS und wegen Einführung der dänischen Gerichtssprache an denselben Aus¬
schuß verwiesen, indem die Meinung ausgesprochen wurde, daß diese Anträge
durchaus nicht im Widerspruch miteinander stünden, sondern in der Sache
selbst genau miteinander zusammenhingen und in gleichem Maße in den
Sprachverhältnissen von Nordschleswig ihre Begründung hätten.

Namentlich legte die Versammlung gegen die Annahme Verwahrung ein,
als könne die ihrerseits gezeigte Bereitwilligkeit, die Einführung der dänischen
Sprache in den Gerichten anmuthen, dahin ausgedeutet werden, daß sie
geneigt sei, eine Trennung der nördlichen Districte von Schleswig-Holstein
und eine nähere Verbindung derselben mit dem Königreiche vorzubereiten.

In dieser Weise ließ die Ständeversammlung des Herzogthums Schleswig
sich mit ebenso großer Mäßigung als weiser und schonender Berücksichtigung
der Bedürfnisse die Ordnung der Sprachverhältnisse des Landes angelegen
sein. Es ward dabei beachtet, daß der Nordschleswiger nu't den Dänen die
Sprache, mit dem Südschleswiger und dem Holsteiner alles dasjenige gemein
hat, was Verfassung in staatlicher, communäler und gesellschaftlicher Be¬
ziehung, Recht, Sitte und Gewohnheit, Handel und Verkehr Eigenthümliches
in sich tragen.

Aber grade diese Nachgiebigkeit hat die dänische Nation und leider un¬
ter steter Begünstigung von Seiten des verstorbenen Königs Christian des
Achten, zu einer Reihe von Eingriffen in die Verhältnisse des Herzogthums
verleitet, welche die Bewohner desselben als die Grundlagen ihres geistigen


solche Veränderung, insofern sie von den Vertretern des Volks angerathen
worden, zu weitern, nicht abzusehenden Folgerungen von dänischer Seite benutzt
werden könne. Die Mehrheit der Versammlung glaubte indessen dieser Gegen¬
gründe ungeachtet es als eine Forderung der natürlichen Gerechtigkeit aner¬
kennen zu müssen, daß künftighin in den Bezirken, wo die Kirchen- und
Schulsprache die dänische sei, letztere Sprache auch in den übrigen höher» An¬
gelegenheiten an die Stelle der deutschen trete. Mit einundzwanzig gegen
achtzehn Stimmen entschied sich daher die Versammlung für einen dahin be¬
züglichen Antrag, welchen durch eine Verfügung von 14. Mai-1840 entsprochen
wurde.

Bei den Verhandlungen war die ganze Versammlung weit davon ent¬
fernt, diese ganze Angelegenheit als eine Parteisache aufzufassen. Sie be¬
thätigte diese Ansicht durch die ruhige und leidenschaftslose Erörterung des
Gegenstandes, welche vortheilhaft von der Art abweicht, in welcher ähnliche
Sprachstreitigkeiten fast gleichzeitig in verschiedenen Theilen der östreichischen
Monarchie und in Belgien in den Kammern und in der Presse behandelt
wurden. In der schleswigschen Ständekammer wurde die Frage wegen Er-
theilung des Unterrichts im Deutschen in den dänischen Schulen Nordschlcs-
wigS und wegen Einführung der dänischen Gerichtssprache an denselben Aus¬
schuß verwiesen, indem die Meinung ausgesprochen wurde, daß diese Anträge
durchaus nicht im Widerspruch miteinander stünden, sondern in der Sache
selbst genau miteinander zusammenhingen und in gleichem Maße in den
Sprachverhältnissen von Nordschleswig ihre Begründung hätten.

Namentlich legte die Versammlung gegen die Annahme Verwahrung ein,
als könne die ihrerseits gezeigte Bereitwilligkeit, die Einführung der dänischen
Sprache in den Gerichten anmuthen, dahin ausgedeutet werden, daß sie
geneigt sei, eine Trennung der nördlichen Districte von Schleswig-Holstein
und eine nähere Verbindung derselben mit dem Königreiche vorzubereiten.

In dieser Weise ließ die Ständeversammlung des Herzogthums Schleswig
sich mit ebenso großer Mäßigung als weiser und schonender Berücksichtigung
der Bedürfnisse die Ordnung der Sprachverhältnisse des Landes angelegen
sein. Es ward dabei beachtet, daß der Nordschleswiger nu't den Dänen die
Sprache, mit dem Südschleswiger und dem Holsteiner alles dasjenige gemein
hat, was Verfassung in staatlicher, communäler und gesellschaftlicher Be¬
ziehung, Recht, Sitte und Gewohnheit, Handel und Verkehr Eigenthümliches
in sich tragen.

Aber grade diese Nachgiebigkeit hat die dänische Nation und leider un¬
ter steter Begünstigung von Seiten des verstorbenen Königs Christian des
Achten, zu einer Reihe von Eingriffen in die Verhältnisse des Herzogthums
verleitet, welche die Bewohner desselben als die Grundlagen ihres geistigen


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[0150] solche Veränderung, insofern sie von den Vertretern des Volks angerathen worden, zu weitern, nicht abzusehenden Folgerungen von dänischer Seite benutzt werden könne. Die Mehrheit der Versammlung glaubte indessen dieser Gegen¬ gründe ungeachtet es als eine Forderung der natürlichen Gerechtigkeit aner¬ kennen zu müssen, daß künftighin in den Bezirken, wo die Kirchen- und Schulsprache die dänische sei, letztere Sprache auch in den übrigen höher» An¬ gelegenheiten an die Stelle der deutschen trete. Mit einundzwanzig gegen achtzehn Stimmen entschied sich daher die Versammlung für einen dahin be¬ züglichen Antrag, welchen durch eine Verfügung von 14. Mai-1840 entsprochen wurde. Bei den Verhandlungen war die ganze Versammlung weit davon ent¬ fernt, diese ganze Angelegenheit als eine Parteisache aufzufassen. Sie be¬ thätigte diese Ansicht durch die ruhige und leidenschaftslose Erörterung des Gegenstandes, welche vortheilhaft von der Art abweicht, in welcher ähnliche Sprachstreitigkeiten fast gleichzeitig in verschiedenen Theilen der östreichischen Monarchie und in Belgien in den Kammern und in der Presse behandelt wurden. In der schleswigschen Ständekammer wurde die Frage wegen Er- theilung des Unterrichts im Deutschen in den dänischen Schulen Nordschlcs- wigS und wegen Einführung der dänischen Gerichtssprache an denselben Aus¬ schuß verwiesen, indem die Meinung ausgesprochen wurde, daß diese Anträge durchaus nicht im Widerspruch miteinander stünden, sondern in der Sache selbst genau miteinander zusammenhingen und in gleichem Maße in den Sprachverhältnissen von Nordschleswig ihre Begründung hätten. Namentlich legte die Versammlung gegen die Annahme Verwahrung ein, als könne die ihrerseits gezeigte Bereitwilligkeit, die Einführung der dänischen Sprache in den Gerichten anmuthen, dahin ausgedeutet werden, daß sie geneigt sei, eine Trennung der nördlichen Districte von Schleswig-Holstein und eine nähere Verbindung derselben mit dem Königreiche vorzubereiten. In dieser Weise ließ die Ständeversammlung des Herzogthums Schleswig sich mit ebenso großer Mäßigung als weiser und schonender Berücksichtigung der Bedürfnisse die Ordnung der Sprachverhältnisse des Landes angelegen sein. Es ward dabei beachtet, daß der Nordschleswiger nu't den Dänen die Sprache, mit dem Südschleswiger und dem Holsteiner alles dasjenige gemein hat, was Verfassung in staatlicher, communäler und gesellschaftlicher Be¬ ziehung, Recht, Sitte und Gewohnheit, Handel und Verkehr Eigenthümliches in sich tragen. Aber grade diese Nachgiebigkeit hat die dänische Nation und leider un¬ ter steter Begünstigung von Seiten des verstorbenen Königs Christian des Achten, zu einer Reihe von Eingriffen in die Verhältnisse des Herzogthums verleitet, welche die Bewohner desselben als die Grundlagen ihres geistigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/150>, abgerufen am 23.07.2024.