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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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dänische Sprache sich bis zur Elbe ausgebreitet haben würde. Aber sie täusch¬
ten sich über die Widerstandskraft der Schleswig-holsteinischen Bevölkerung und
über die Macht des ihren Maßregeln entgegenwirkenden Einflusses des süd¬
lichen Hinterlandes der Herzogthümer. Der dänischen Politik ist jene Aus¬
breitung ihrer Sprache nicht nur nicht gelungen, sondern das Deutsche hat
-grade in der Zeit nach jenen naturwidriger Maßregeln in Schleswig die
meisten Eroberungen gemacht. Wie wenig Anklang die Danisirung aber in
der Bevölkerung fand, ergibt sich aus dem auffallenden Umstände, daß in den
Districten, in denen die Kirchen- und Schulsprache bis 18ü1 deutsch war, das
Vvlksibiom aber vorwiegend dänisch ist, bei einer Vernehmung der Eingesessenen
von mehr als zehntausend Menschen nur drei (und unter diesen zwei kürzlich
eingewanderte Juden) sich sür einen erweiterten Gebrauch der dänischen Sprache
in Kirche und Schule erklärten, alle übrigen aber entschieden gegen die beab¬
sichtigte Neuerung Verwahrung einlegten. Dies war im Jahre 1847. Da¬
gegen machte sich in Nordschleswig mehr und mehr das Bedürfniß geltend,
daß in den Landschulen der dänisch redenden Bezirke Gelegenheit zur Erlernung
des Deutschen geboten werde. In mehrern Petitionen aus verschiedenen
Kirchspielen Nordschleswigs wurde dieser Wunsch bei der Ständeversammlung
von 1838 laut, und zwar motivirten ihn die Bittsteller durch die Anführung,
daß die dänisch redenden Einwohner Schleswigs in weit lebhafterem Verkehr
mir den deutsch redenden Theilen des Herzogthums und mit Holstein stünden
als mit Dänemark. Die Ständeversammlung aber erklärte sich, was Beach¬
tung verdient, einstimmig für Beachtung des Antrags, und es wurde be¬
stimmt, daß die Schullehrer verpflichtet sein sollten, denjenigen Kindern, deren
Ellern dies wünschten, außer der gewöhnlichen Schulzeit in drei Privatstunden
wöchentlich Unterricht im Deutschen zu ertheile". In mehr als 1i0 Schul-
distrieten des nördlichen Schleswig fand seitdem dieser Unterricht statt. Es
zeigt dies von dem Umfange des Bedürfnisses, da einfache Landleute ohne sehr
dringende Noth sich schwer dazu entschließen, ihre Kinder außer der regel¬
mäßige" täglichen Schulzeit von fünf Stunden noch Privatunterricht nehmen
zu lassen.

Nicht so ungetheilt war die Ansicht der Versammlung über die Frage, ob
es zweckmäßig sei, die dänische Sprache in den Gerichten statt der altherge¬
brachten deutschen einzuführen. Für die Fortdauer des bisherigen Zustandes
wurde namentlich angeführt, daß derselbe Jahrhunderte lang ohne Unzuträg¬
lichkeiten bestanden habe, daß die gesammte Gesetzgebung und Rechtsbildung
des Herzogthums Schleswig deutsch und daß der einzige Ueberrest dänischen
Rechts, das jüdische Low nur in der plattdeutschen Uebertragung gesetzlich
sanctionirt sei. Männer, welche, wie der Herzog von Augustenburg, weiter
blickten, hegten auch die durch den Erfolg bestätigte Befürchtung, daß eine


dänische Sprache sich bis zur Elbe ausgebreitet haben würde. Aber sie täusch¬
ten sich über die Widerstandskraft der Schleswig-holsteinischen Bevölkerung und
über die Macht des ihren Maßregeln entgegenwirkenden Einflusses des süd¬
lichen Hinterlandes der Herzogthümer. Der dänischen Politik ist jene Aus¬
breitung ihrer Sprache nicht nur nicht gelungen, sondern das Deutsche hat
-grade in der Zeit nach jenen naturwidriger Maßregeln in Schleswig die
meisten Eroberungen gemacht. Wie wenig Anklang die Danisirung aber in
der Bevölkerung fand, ergibt sich aus dem auffallenden Umstände, daß in den
Districten, in denen die Kirchen- und Schulsprache bis 18ü1 deutsch war, das
Vvlksibiom aber vorwiegend dänisch ist, bei einer Vernehmung der Eingesessenen
von mehr als zehntausend Menschen nur drei (und unter diesen zwei kürzlich
eingewanderte Juden) sich sür einen erweiterten Gebrauch der dänischen Sprache
in Kirche und Schule erklärten, alle übrigen aber entschieden gegen die beab¬
sichtigte Neuerung Verwahrung einlegten. Dies war im Jahre 1847. Da¬
gegen machte sich in Nordschleswig mehr und mehr das Bedürfniß geltend,
daß in den Landschulen der dänisch redenden Bezirke Gelegenheit zur Erlernung
des Deutschen geboten werde. In mehrern Petitionen aus verschiedenen
Kirchspielen Nordschleswigs wurde dieser Wunsch bei der Ständeversammlung
von 1838 laut, und zwar motivirten ihn die Bittsteller durch die Anführung,
daß die dänisch redenden Einwohner Schleswigs in weit lebhafterem Verkehr
mir den deutsch redenden Theilen des Herzogthums und mit Holstein stünden
als mit Dänemark. Die Ständeversammlung aber erklärte sich, was Beach¬
tung verdient, einstimmig für Beachtung des Antrags, und es wurde be¬
stimmt, daß die Schullehrer verpflichtet sein sollten, denjenigen Kindern, deren
Ellern dies wünschten, außer der gewöhnlichen Schulzeit in drei Privatstunden
wöchentlich Unterricht im Deutschen zu ertheile«. In mehr als 1i0 Schul-
distrieten des nördlichen Schleswig fand seitdem dieser Unterricht statt. Es
zeigt dies von dem Umfange des Bedürfnisses, da einfache Landleute ohne sehr
dringende Noth sich schwer dazu entschließen, ihre Kinder außer der regel¬
mäßige» täglichen Schulzeit von fünf Stunden noch Privatunterricht nehmen
zu lassen.

Nicht so ungetheilt war die Ansicht der Versammlung über die Frage, ob
es zweckmäßig sei, die dänische Sprache in den Gerichten statt der altherge¬
brachten deutschen einzuführen. Für die Fortdauer des bisherigen Zustandes
wurde namentlich angeführt, daß derselbe Jahrhunderte lang ohne Unzuträg¬
lichkeiten bestanden habe, daß die gesammte Gesetzgebung und Rechtsbildung
des Herzogthums Schleswig deutsch und daß der einzige Ueberrest dänischen
Rechts, das jüdische Low nur in der plattdeutschen Uebertragung gesetzlich
sanctionirt sei. Männer, welche, wie der Herzog von Augustenburg, weiter
blickten, hegten auch die durch den Erfolg bestätigte Befürchtung, daß eine


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[0149] dänische Sprache sich bis zur Elbe ausgebreitet haben würde. Aber sie täusch¬ ten sich über die Widerstandskraft der Schleswig-holsteinischen Bevölkerung und über die Macht des ihren Maßregeln entgegenwirkenden Einflusses des süd¬ lichen Hinterlandes der Herzogthümer. Der dänischen Politik ist jene Aus¬ breitung ihrer Sprache nicht nur nicht gelungen, sondern das Deutsche hat -grade in der Zeit nach jenen naturwidriger Maßregeln in Schleswig die meisten Eroberungen gemacht. Wie wenig Anklang die Danisirung aber in der Bevölkerung fand, ergibt sich aus dem auffallenden Umstände, daß in den Districten, in denen die Kirchen- und Schulsprache bis 18ü1 deutsch war, das Vvlksibiom aber vorwiegend dänisch ist, bei einer Vernehmung der Eingesessenen von mehr als zehntausend Menschen nur drei (und unter diesen zwei kürzlich eingewanderte Juden) sich sür einen erweiterten Gebrauch der dänischen Sprache in Kirche und Schule erklärten, alle übrigen aber entschieden gegen die beab¬ sichtigte Neuerung Verwahrung einlegten. Dies war im Jahre 1847. Da¬ gegen machte sich in Nordschleswig mehr und mehr das Bedürfniß geltend, daß in den Landschulen der dänisch redenden Bezirke Gelegenheit zur Erlernung des Deutschen geboten werde. In mehrern Petitionen aus verschiedenen Kirchspielen Nordschleswigs wurde dieser Wunsch bei der Ständeversammlung von 1838 laut, und zwar motivirten ihn die Bittsteller durch die Anführung, daß die dänisch redenden Einwohner Schleswigs in weit lebhafterem Verkehr mir den deutsch redenden Theilen des Herzogthums und mit Holstein stünden als mit Dänemark. Die Ständeversammlung aber erklärte sich, was Beach¬ tung verdient, einstimmig für Beachtung des Antrags, und es wurde be¬ stimmt, daß die Schullehrer verpflichtet sein sollten, denjenigen Kindern, deren Ellern dies wünschten, außer der gewöhnlichen Schulzeit in drei Privatstunden wöchentlich Unterricht im Deutschen zu ertheile«. In mehr als 1i0 Schul- distrieten des nördlichen Schleswig fand seitdem dieser Unterricht statt. Es zeigt dies von dem Umfange des Bedürfnisses, da einfache Landleute ohne sehr dringende Noth sich schwer dazu entschließen, ihre Kinder außer der regel¬ mäßige» täglichen Schulzeit von fünf Stunden noch Privatunterricht nehmen zu lassen. Nicht so ungetheilt war die Ansicht der Versammlung über die Frage, ob es zweckmäßig sei, die dänische Sprache in den Gerichten statt der altherge¬ brachten deutschen einzuführen. Für die Fortdauer des bisherigen Zustandes wurde namentlich angeführt, daß derselbe Jahrhunderte lang ohne Unzuträg¬ lichkeiten bestanden habe, daß die gesammte Gesetzgebung und Rechtsbildung des Herzogthums Schleswig deutsch und daß der einzige Ueberrest dänischen Rechts, das jüdische Low nur in der plattdeutschen Uebertragung gesetzlich sanctionirt sei. Männer, welche, wie der Herzog von Augustenburg, weiter blickten, hegten auch die durch den Erfolg bestätigte Befürchtung, daß eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/149>, abgerufen am 23.07.2024.