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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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ficht, daß die Friesen ein verdorbenes Dänisch reden und sich ebensogut zu
den Dänen, als zu den Hochdeutschen halten könnten, daß die Angeln Zeit
genug hätten, "umzulernen" (lacre om igjen), d. h. daS vergessene Dänisch sich
wieder anzueignen und daß es -- der Ausspruch eines bekannten Staats¬
manns -- "den Schleswigern auf den Rücken geschrieben werden müsse, daß
sie Dänen seien/'

Die erste praktische Kundgebung dieser Gesinnung war eine Resolution
des kopenhagener Conseils vom 2K> October -1739, in welcher gesagt wurde:
"Da Jhro Königlichen Majestät allergnädigste Intention dahin geht, die in
ziemlichen Abgang gekommene dänische Sprache in dem Herzogthum Schleswig
nach und nach wieder zu introduciren, so sollen alle Pfarrämter und Schulämter
so viel wie möglich mit Personen besetzt werden, welche der deutschen und däni¬
schen Sprache so mächtig sind, daß sie ihres Amts in beiden Sprachen warten
können." Infolge dieses Erlasses wurden 1740 die Prediger bei Flensburg,
die nicht dänisch predigen konnten oder wollten, nach andern Stellen versetzt.
Bald jedoch wurde man inne, daß die Beamten wie das Volk derartigen Ein¬
griffen in die natürliche Entwicklung der Dinge entschieden abgeneigt seien.
Man suchte daher durch einen äußern Anreiz die Unlust der Schleswiger, sich
an der kopenhagener Univeesität dänische Bildung einimpfen zu lassen, zu über¬
winden. 1758 erschien ein Rescript, welches bestimmte, "daß Slesvieenses als
rechte Dänen die Communität an der kopenhagener Universität sein reich
dotirtes Stipendium) sollten genießen können, sofern sie nicht Holsteiner, sondern
geborene Dänen sind, welche in keiner Weise anders angesehen werden müssen,
als was sie wirklich sind, nämlich Dänen, innerhalb der Grenzen des Reichs
Dänemark geboren."

Im Ganzen blieben diese Versuche ohne den gehofften Erfolg. Die für
beide Herzogthümer gemeinsamen Synoden der Geistlichen und die Geschichte
der Pröpste" Hadersleben zeigen vielmehr davon, daß grade im Norden Schles¬
wigs allen derartigen Einwirkungen kräftig cntgegengestrebt wurde, und daß
die Prediger dieses Bezirks nach wie vor fast ausnahmslos auf deutschen
Hochschulen ihre Bildung erhielten.

Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts scheinen von Seiten der
kopenhagener Behörden die Bestrebungen, Schleswigs allmälige Germani-
sirung zu stören, vollständig aufgegeben worden zu sein. Schleswig-Holstein
wurde damals officiell*) als "unsre deutschen Staaten und Provinzen" oder
"unsre deutschen Herzogthümer und deutschen Lande" bezeichnet. ES wird diese
Periode, wo die Danisirungsversuche temporär ruhten, noch jetzt in Schleswig
alö eine der glücklichsten unter den Oldenburgern betrachtet, wenn auch damals



*) Verordnung vom 29. Februar '1780 und Verordnung von AV> Januar 17<!>7.
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ficht, daß die Friesen ein verdorbenes Dänisch reden und sich ebensogut zu
den Dänen, als zu den Hochdeutschen halten könnten, daß die Angeln Zeit
genug hätten, „umzulernen" (lacre om igjen), d. h. daS vergessene Dänisch sich
wieder anzueignen und daß es — der Ausspruch eines bekannten Staats¬
manns — „den Schleswigern auf den Rücken geschrieben werden müsse, daß
sie Dänen seien/'

Die erste praktische Kundgebung dieser Gesinnung war eine Resolution
des kopenhagener Conseils vom 2K> October -1739, in welcher gesagt wurde:
„Da Jhro Königlichen Majestät allergnädigste Intention dahin geht, die in
ziemlichen Abgang gekommene dänische Sprache in dem Herzogthum Schleswig
nach und nach wieder zu introduciren, so sollen alle Pfarrämter und Schulämter
so viel wie möglich mit Personen besetzt werden, welche der deutschen und däni¬
schen Sprache so mächtig sind, daß sie ihres Amts in beiden Sprachen warten
können." Infolge dieses Erlasses wurden 1740 die Prediger bei Flensburg,
die nicht dänisch predigen konnten oder wollten, nach andern Stellen versetzt.
Bald jedoch wurde man inne, daß die Beamten wie das Volk derartigen Ein¬
griffen in die natürliche Entwicklung der Dinge entschieden abgeneigt seien.
Man suchte daher durch einen äußern Anreiz die Unlust der Schleswiger, sich
an der kopenhagener Univeesität dänische Bildung einimpfen zu lassen, zu über¬
winden. 1758 erschien ein Rescript, welches bestimmte, „daß Slesvieenses als
rechte Dänen die Communität an der kopenhagener Universität sein reich
dotirtes Stipendium) sollten genießen können, sofern sie nicht Holsteiner, sondern
geborene Dänen sind, welche in keiner Weise anders angesehen werden müssen,
als was sie wirklich sind, nämlich Dänen, innerhalb der Grenzen des Reichs
Dänemark geboren."

Im Ganzen blieben diese Versuche ohne den gehofften Erfolg. Die für
beide Herzogthümer gemeinsamen Synoden der Geistlichen und die Geschichte
der Pröpste» Hadersleben zeigen vielmehr davon, daß grade im Norden Schles¬
wigs allen derartigen Einwirkungen kräftig cntgegengestrebt wurde, und daß
die Prediger dieses Bezirks nach wie vor fast ausnahmslos auf deutschen
Hochschulen ihre Bildung erhielten.

Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts scheinen von Seiten der
kopenhagener Behörden die Bestrebungen, Schleswigs allmälige Germani-
sirung zu stören, vollständig aufgegeben worden zu sein. Schleswig-Holstein
wurde damals officiell*) als „unsre deutschen Staaten und Provinzen" oder
„unsre deutschen Herzogthümer und deutschen Lande" bezeichnet. ES wird diese
Periode, wo die Danisirungsversuche temporär ruhten, noch jetzt in Schleswig
alö eine der glücklichsten unter den Oldenburgern betrachtet, wenn auch damals



*) Verordnung vom 29. Februar '1780 und Verordnung von AV> Januar 17<!>7.
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[0147] ficht, daß die Friesen ein verdorbenes Dänisch reden und sich ebensogut zu den Dänen, als zu den Hochdeutschen halten könnten, daß die Angeln Zeit genug hätten, „umzulernen" (lacre om igjen), d. h. daS vergessene Dänisch sich wieder anzueignen und daß es — der Ausspruch eines bekannten Staats¬ manns — „den Schleswigern auf den Rücken geschrieben werden müsse, daß sie Dänen seien/' Die erste praktische Kundgebung dieser Gesinnung war eine Resolution des kopenhagener Conseils vom 2K> October -1739, in welcher gesagt wurde: „Da Jhro Königlichen Majestät allergnädigste Intention dahin geht, die in ziemlichen Abgang gekommene dänische Sprache in dem Herzogthum Schleswig nach und nach wieder zu introduciren, so sollen alle Pfarrämter und Schulämter so viel wie möglich mit Personen besetzt werden, welche der deutschen und däni¬ schen Sprache so mächtig sind, daß sie ihres Amts in beiden Sprachen warten können." Infolge dieses Erlasses wurden 1740 die Prediger bei Flensburg, die nicht dänisch predigen konnten oder wollten, nach andern Stellen versetzt. Bald jedoch wurde man inne, daß die Beamten wie das Volk derartigen Ein¬ griffen in die natürliche Entwicklung der Dinge entschieden abgeneigt seien. Man suchte daher durch einen äußern Anreiz die Unlust der Schleswiger, sich an der kopenhagener Univeesität dänische Bildung einimpfen zu lassen, zu über¬ winden. 1758 erschien ein Rescript, welches bestimmte, „daß Slesvieenses als rechte Dänen die Communität an der kopenhagener Universität sein reich dotirtes Stipendium) sollten genießen können, sofern sie nicht Holsteiner, sondern geborene Dänen sind, welche in keiner Weise anders angesehen werden müssen, als was sie wirklich sind, nämlich Dänen, innerhalb der Grenzen des Reichs Dänemark geboren." Im Ganzen blieben diese Versuche ohne den gehofften Erfolg. Die für beide Herzogthümer gemeinsamen Synoden der Geistlichen und die Geschichte der Pröpste» Hadersleben zeigen vielmehr davon, daß grade im Norden Schles¬ wigs allen derartigen Einwirkungen kräftig cntgegengestrebt wurde, und daß die Prediger dieses Bezirks nach wie vor fast ausnahmslos auf deutschen Hochschulen ihre Bildung erhielten. Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts scheinen von Seiten der kopenhagener Behörden die Bestrebungen, Schleswigs allmälige Germani- sirung zu stören, vollständig aufgegeben worden zu sein. Schleswig-Holstein wurde damals officiell*) als „unsre deutschen Staaten und Provinzen" oder „unsre deutschen Herzogthümer und deutschen Lande" bezeichnet. ES wird diese Periode, wo die Danisirungsversuche temporär ruhten, noch jetzt in Schleswig alö eine der glücklichsten unter den Oldenburgern betrachtet, wenn auch damals *) Verordnung vom 29. Februar '1780 und Verordnung von AV> Januar 17<!>7. 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/147>, abgerufen am 23.07.2024.