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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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vor und erblickten von Ferne durch den Nebel, wie durch einen Flor, feindliche
Truppen auf einer Ebene, oberhalb dem Böhmischen Städtchen Lowositz. ES
war Kaiserliche Kavallerie; denn die Infanterie bekamen wir nie zu Gesicht, da
sich dieselbe bey gedachtem Städtchen verschanzt hatte. Um 6 Uhr gierig schon
das Donnern der Artillerie sowohl aus unserm Vordertreffen, als aus den
Kaiserlichen Batterien so gewaltig an, daß die Kanonenkugeln bis zu unserm
Regiment -(das im mittlern Tressen stuhnd) durchschnurrten. Bisher hatt' ich
immer "och Hoffnung, vor einer Bataille zu entwischen; jetzt sah' ich keine
Ausflucht mehr weder vor noch hinter mir, weder zur Rechten noch zur Linken-
Wir rückten inzwischen immer vorwärts. Da fiel mir vollends aller Muth in
die Hosen; in den Bauch der Erde hätt' ich mich verkriechen mögen und eine
ähnliche Angst/ ja Todesblässe, las' man bald auf allen Gesichtern, selbst
deren, die sonst noch so viel Herzhaftigkeit gleisneten. Die geleerten Branz-
fläschgen (wie jeder Soldat eines hat) flogen untern den Kugeln durch die
Lüfte; die meisten soffen ihren kleinen Vorrath bis aus den Grund aus, denn
da hieß es: Heute braucht es Courage und Morgens vielleicht keinen Fusel
mehr! Jtzt avanzierten wir bis unter die Kanonen, wo wir mit dem ersten
Treffen abwechseln mußten. Potz Himmel! wie sausten da die Eisenbrocken ob
unsern Köpfen weg -- fuhren bald vor bald hinter uns in die Erde, daß Stein
und Rasen hoch in die Luft sprang -- bald mitten ein. und spielten uns die
Leute aus den Gliedern weg, als wenn'S Strohhalme wären. Dicht vor uns
sahen wir nichts als feindliche Kavallerie, die allerhand Bewegungen machte;
sich bald in die Länge ausdehnte, bald in einen halben Mond, dann in ein
Drey' und Viereck sich wieder zusammenzog. Nun rückte auch unsre Kavallerie
an; wir machten Lücke und liessen sie vor, auf die feindliche losgallvppieren.
Das war ein GeHagel, das knarrte und blinkerte, als sie nun einHieben! Al¬
lein kaum währte eS eine Viertelstunde, so kam unsre Reuterey, von der
Oestreichischen geschlagen, und bis nahe unter unsre Kanonen verfolgt, zurücke.
Da hatte man das Spektakeln sehen sollen: Pferde die ihren Mann im
Stegreif hängend, andere ti" ihr Gedärm der Erde nachschleppten. In¬
zwischen stunden wir noch immer im feindlichen Kanonenfeuer bis gegen
11 Uhr, ohne daß unser linker Flügel mit dem kleinen Gewehr zusammentraf,
obschon eS bereits auf dem rechten sehr hitzig zugieng. Viele meinten, wir
müßten noch auf die Kaiserlichen Schanden sturmlaufen. Mir war's schon nicht
mehr so bange, wie anfangs, obgleich die Feldschlangen Mannschaft zu beyden
Seiten neben, mir wegraffeten, und der Wallplatz bereits mit Todten und Ver¬
wundeten übersäet war -- als mir Eins ungefehr um 12 Uhr die Ordre kam,
unser Regiment, nebst zwey andern (ich glaube Bever" und Kalkstein) müßten zu¬
rückmarschieren. Nun dachten wir, es gehe dem Lager zu und alle Gefahr sey
vorbey. Wir eilten darum mit muntern Schritten die gaben Weinberge hin-


vor und erblickten von Ferne durch den Nebel, wie durch einen Flor, feindliche
Truppen auf einer Ebene, oberhalb dem Böhmischen Städtchen Lowositz. ES
war Kaiserliche Kavallerie; denn die Infanterie bekamen wir nie zu Gesicht, da
sich dieselbe bey gedachtem Städtchen verschanzt hatte. Um 6 Uhr gierig schon
das Donnern der Artillerie sowohl aus unserm Vordertreffen, als aus den
Kaiserlichen Batterien so gewaltig an, daß die Kanonenkugeln bis zu unserm
Regiment -(das im mittlern Tressen stuhnd) durchschnurrten. Bisher hatt' ich
immer »och Hoffnung, vor einer Bataille zu entwischen; jetzt sah' ich keine
Ausflucht mehr weder vor noch hinter mir, weder zur Rechten noch zur Linken-
Wir rückten inzwischen immer vorwärts. Da fiel mir vollends aller Muth in
die Hosen; in den Bauch der Erde hätt' ich mich verkriechen mögen und eine
ähnliche Angst/ ja Todesblässe, las' man bald auf allen Gesichtern, selbst
deren, die sonst noch so viel Herzhaftigkeit gleisneten. Die geleerten Branz-
fläschgen (wie jeder Soldat eines hat) flogen untern den Kugeln durch die
Lüfte; die meisten soffen ihren kleinen Vorrath bis aus den Grund aus, denn
da hieß es: Heute braucht es Courage und Morgens vielleicht keinen Fusel
mehr! Jtzt avanzierten wir bis unter die Kanonen, wo wir mit dem ersten
Treffen abwechseln mußten. Potz Himmel! wie sausten da die Eisenbrocken ob
unsern Köpfen weg — fuhren bald vor bald hinter uns in die Erde, daß Stein
und Rasen hoch in die Luft sprang — bald mitten ein. und spielten uns die
Leute aus den Gliedern weg, als wenn'S Strohhalme wären. Dicht vor uns
sahen wir nichts als feindliche Kavallerie, die allerhand Bewegungen machte;
sich bald in die Länge ausdehnte, bald in einen halben Mond, dann in ein
Drey' und Viereck sich wieder zusammenzog. Nun rückte auch unsre Kavallerie
an; wir machten Lücke und liessen sie vor, auf die feindliche losgallvppieren.
Das war ein GeHagel, das knarrte und blinkerte, als sie nun einHieben! Al¬
lein kaum währte eS eine Viertelstunde, so kam unsre Reuterey, von der
Oestreichischen geschlagen, und bis nahe unter unsre Kanonen verfolgt, zurücke.
Da hatte man das Spektakeln sehen sollen: Pferde die ihren Mann im
Stegreif hängend, andere ti« ihr Gedärm der Erde nachschleppten. In¬
zwischen stunden wir noch immer im feindlichen Kanonenfeuer bis gegen
11 Uhr, ohne daß unser linker Flügel mit dem kleinen Gewehr zusammentraf,
obschon eS bereits auf dem rechten sehr hitzig zugieng. Viele meinten, wir
müßten noch auf die Kaiserlichen Schanden sturmlaufen. Mir war's schon nicht
mehr so bange, wie anfangs, obgleich die Feldschlangen Mannschaft zu beyden
Seiten neben, mir wegraffeten, und der Wallplatz bereits mit Todten und Ver¬
wundeten übersäet war — als mir Eins ungefehr um 12 Uhr die Ordre kam,
unser Regiment, nebst zwey andern (ich glaube Bever» und Kalkstein) müßten zu¬
rückmarschieren. Nun dachten wir, es gehe dem Lager zu und alle Gefahr sey
vorbey. Wir eilten darum mit muntern Schritten die gaben Weinberge hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/117>, abgerufen am 23.07.2024.