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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Bis Hieher hat der Herr geholfen! Diese Worte waren der erste Tert unsers
Feldpredigers bey Pjrna. O ja! dacht' ich: DaS hat er und wird ferner
helfen -- und zwar hoffentlich mir in mein Vaterland -- denn was gehen
mich eure Kriege an? >

Mittlerweile hatten wir alle Morgen die gemessene Ordre erhalten, scharf
zu laden; dieses veranlaßte unter den ältern Soldaten immer ein Gerede:
"Heute giebt's was! Heut setzt's gewiß was ab"! Dann schwitzten wir
Jungen freilich an allen Fingern, wenn wir irgend bey einem Gebüsch oder
Gehölz vorbeymarschierten und uns verfaßt halten mußten. Da spitzte jeder
stillschweigend die Ohren, envartete einen feurigen Hagel und seinen Tod, und
sah, sobald man wieder ins Freye kam, sich rechts und links um, wie er am
schicklichsten entwischen konnte; denn wir hatten immer feindliche Küraßierö,
Dragoner und Soldaten zu beyden Seiten. --

Endlich den 22. Septbr.'war Allarm geschlagen, und erhielten wir Ordre
aufzubrechen. Augenblicklich war alles in Bewegung; in etlichen Minuten
el" stundenweites Lager -- wie die allergrößte Stadt -- zerstört, aufgepackt,
und Allons, Marsch! Jtzt zogen wir ins Thal hinab, schlugen bey Pirna
eine Schiffbrücke, und formierten oberhalb dem Städtchen, dem Sächsischen
Lager en Front, eine Gasse, wie zum Spißruthenlaufen, deren eines End
bis zum Pirnaer-Thor gieng, und durch welche nun die ganze Sächsische
Armee zu vieren hoch spatzieren, vorher aber das Gewehr aölegcn, und --
man kann sich's einbilden -- die ganze lange Straße durch Schimpf- und
Stichelreden genug anhören mußten. Einige giengen traurig mit gesenktem
Gesicht daher, andre trotzig und' wild, und noch andre mit einem Lächeln, daS
den Preußischen Spottvögeln gern nichts schuldig bleiben wollte. Weiter
wußten ich, und so viele Tausend andre, nichts von den Umständen der eigent¬
lichen Uebergabe dieses großen Heers. -- An dem nämlichen Tage marschierten
wir noch ein Stück Wegs fort, und schlugen jetzt unser Lager bey Lilien-
stein auf.

Bey diesen Anlässen wurden wir oft von den Kaiserlichen Panduren atta-
quirt, oder es kam sonst aus einem Gebüsch ein Karabinerhagel auf uns
los, so daß mancher todt auf der Stelle blieb und noch mehrere blessirt wur¬
den. Wenn denn aber unsre Artilleristen nur etliche Kanonen gegen das Ge¬
büsch richteten, so flog der Feind über Hals und Kopf davon. Dieser Plunder
hat mich nie erschreckt; ich wäre sein bald gewohnt worden, und dacht' ich oft:
Pah! wenn's nur denweg hergeht, ist's so übel nicht, -- "

Früh Morgens am 1. Oktober mußten wir uns rangiren und durch ein
enges Thälchen gegen dem großen Thal hinuntermarschieren. Vor dem dicken
Nebel konnten wir nicht weit sehen. Als wir aber vollends in die Plaine
hinunterkamen und zur großen Armee stiessen, rückten wir in drei Treffen weiter


Bis Hieher hat der Herr geholfen! Diese Worte waren der erste Tert unsers
Feldpredigers bey Pjrna. O ja! dacht' ich: DaS hat er und wird ferner
helfen — und zwar hoffentlich mir in mein Vaterland — denn was gehen
mich eure Kriege an? >

Mittlerweile hatten wir alle Morgen die gemessene Ordre erhalten, scharf
zu laden; dieses veranlaßte unter den ältern Soldaten immer ein Gerede:
„Heute giebt's was! Heut setzt's gewiß was ab"! Dann schwitzten wir
Jungen freilich an allen Fingern, wenn wir irgend bey einem Gebüsch oder
Gehölz vorbeymarschierten und uns verfaßt halten mußten. Da spitzte jeder
stillschweigend die Ohren, envartete einen feurigen Hagel und seinen Tod, und
sah, sobald man wieder ins Freye kam, sich rechts und links um, wie er am
schicklichsten entwischen konnte; denn wir hatten immer feindliche Küraßierö,
Dragoner und Soldaten zu beyden Seiten. —

Endlich den 22. Septbr.'war Allarm geschlagen, und erhielten wir Ordre
aufzubrechen. Augenblicklich war alles in Bewegung; in etlichen Minuten
el» stundenweites Lager — wie die allergrößte Stadt — zerstört, aufgepackt,
und Allons, Marsch! Jtzt zogen wir ins Thal hinab, schlugen bey Pirna
eine Schiffbrücke, und formierten oberhalb dem Städtchen, dem Sächsischen
Lager en Front, eine Gasse, wie zum Spißruthenlaufen, deren eines End
bis zum Pirnaer-Thor gieng, und durch welche nun die ganze Sächsische
Armee zu vieren hoch spatzieren, vorher aber das Gewehr aölegcn, und —
man kann sich's einbilden — die ganze lange Straße durch Schimpf- und
Stichelreden genug anhören mußten. Einige giengen traurig mit gesenktem
Gesicht daher, andre trotzig und' wild, und noch andre mit einem Lächeln, daS
den Preußischen Spottvögeln gern nichts schuldig bleiben wollte. Weiter
wußten ich, und so viele Tausend andre, nichts von den Umständen der eigent¬
lichen Uebergabe dieses großen Heers. — An dem nämlichen Tage marschierten
wir noch ein Stück Wegs fort, und schlugen jetzt unser Lager bey Lilien-
stein auf.

Bey diesen Anlässen wurden wir oft von den Kaiserlichen Panduren atta-
quirt, oder es kam sonst aus einem Gebüsch ein Karabinerhagel auf uns
los, so daß mancher todt auf der Stelle blieb und noch mehrere blessirt wur¬
den. Wenn denn aber unsre Artilleristen nur etliche Kanonen gegen das Ge¬
büsch richteten, so flog der Feind über Hals und Kopf davon. Dieser Plunder
hat mich nie erschreckt; ich wäre sein bald gewohnt worden, und dacht' ich oft:
Pah! wenn's nur denweg hergeht, ist's so übel nicht, — »

Früh Morgens am 1. Oktober mußten wir uns rangiren und durch ein
enges Thälchen gegen dem großen Thal hinuntermarschieren. Vor dem dicken
Nebel konnten wir nicht weit sehen. Als wir aber vollends in die Plaine
hinunterkamen und zur großen Armee stiessen, rückten wir in drei Treffen weiter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/116>, abgerufen am 23.07.2024.