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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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schöne Livree und sein ganzes lustiges Leben nichts als ein Betrug war, der
mit ihm gespielt worden ist. Sein Herr ist ein Werbeofstzier, er selbst ein
Preußischer Recrut. Von hier an soll er selbst seine Schicksale erzählen:

"Es war den 8. Aprill, da wir zu Berlin einmarschierten, und ich vergebens
nach meinem Herrn fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, schon acht Tage
vor uns dort angelangt war -- als Labrot mich in die Krausenstraße in
Friedrichsstadt transportirte, mir ein Quartier anwies, und mich baun kurz
mit den Worten verließ: "Da, Mußier! bleib Er, bis auf fernere Ordre"!
Der Henker! dacht' ich, was soll das? Ist ja nicht menai ein Wirthshaus.
Wie ich so staunte, kam ein Soldat, Christian Zittemann, und nahm mich mit
sich auf seine Stube, wo sich schon zwey andere Martissöhne befanden. Nun
gieng's an ein Wundern und Ausfragen: Wer ich sey, woher ich komme und
dergleichen. Noch konnt' ich ihre Sprache nicht recht verstehen. Ich antwortete
tur^: Ich komme aus der Schweiz, und sey Sr. Excellenz, des Herrn Lieute¬
nant MarkoniS, Laquai: Die Sergeanten hätten mich hierher gewiesen; ich
möchte aber lieber wissen, ob mein Herr schon in Berlin angekommen sey, und
wo er wohne. Hier fiengen die Kerls ein Gelächter an, dazu ich hätte wal-
lten mögen; und keiner wollte das geringste von einer solchen Excellenz wissen.
Mittlerweile trug man eine stockdicke Erbsekost auf. Ich aß mit wenigem
Appetit davon. Wir waren kaum fertig, als ein alter hagerer Kerl ins
Zimmer trat, dem ich doch bald ansah, daß er mehr als Gemeiner seyn müsse
Es war ein Feldweibel. Er hatte eine Soldatenmontur auf dem Arm, die
er über den Tisch ausspreitete, ein Sechsgroschenstück dazu legte, und sagte:
"Das ist vor dich, mein Sohn! Gleich werd ich dir noch ein Commißbrodt
bringen". "Was? vor mich", versetzte ich: "Von wem, wozu"? "Ey! Deine
Montirung und Traktament, Bursche! Was gilts da Fragens? Bist ja ein
Nekrute". "Wie, was? Rekrute"? erwiedert ich: "Behüte Gott! da ist mir
nie kein Sinn daran kommen. Nein! in meinem Leben nicht. MarkoniS Be¬
dienter bin ich. So hab ich gedungen und änderst nicht. Da wird mir kein
Mensch anders sagen können"! "Und ich sag' dir, du bist Soldat, Kerl! Ich
steh' dir dafür. Da hilft itzt alles nichts". Ich. Ach! wenn nur mein Herr
Markoni da wäre. Er. Den wirst du sobald nicht zu sehen kriegen. Wirst
doch lieber wollen unsers Königs Diener seyn, als seines Lieutenants? --
Damit gieng er weg. "Um Gottes willen, Herr Zittemann"! fuhr ich fort:
"Was soll das werden"? "Nichts, Herr"! antwortete dieser, "als daß Er,
wie ich und die andern Herren da, Soldat, und wir folglich alle Brüder sind;
und daß Ihm alles Widersetzen nichts hilft, als daß man Ihn auf Wasser
und Brodt nach der Hauptwache führt, kreutzweis schließt, und Ihn fuchtelt,
daß ihm die Rippen krachen, bis Er content ist"! Ich. Das wär' beym Sacker
unverschämt, gottlos! Er. Glaub er mir's auf mein Wort, änderst ist's nicht,


schöne Livree und sein ganzes lustiges Leben nichts als ein Betrug war, der
mit ihm gespielt worden ist. Sein Herr ist ein Werbeofstzier, er selbst ein
Preußischer Recrut. Von hier an soll er selbst seine Schicksale erzählen:

„Es war den 8. Aprill, da wir zu Berlin einmarschierten, und ich vergebens
nach meinem Herrn fragte, der doch, wie ich nachwerts erfuhr, schon acht Tage
vor uns dort angelangt war — als Labrot mich in die Krausenstraße in
Friedrichsstadt transportirte, mir ein Quartier anwies, und mich baun kurz
mit den Worten verließ: „Da, Mußier! bleib Er, bis auf fernere Ordre"!
Der Henker! dacht' ich, was soll das? Ist ja nicht menai ein Wirthshaus.
Wie ich so staunte, kam ein Soldat, Christian Zittemann, und nahm mich mit
sich auf seine Stube, wo sich schon zwey andere Martissöhne befanden. Nun
gieng's an ein Wundern und Ausfragen: Wer ich sey, woher ich komme und
dergleichen. Noch konnt' ich ihre Sprache nicht recht verstehen. Ich antwortete
tur^: Ich komme aus der Schweiz, und sey Sr. Excellenz, des Herrn Lieute¬
nant MarkoniS, Laquai: Die Sergeanten hätten mich hierher gewiesen; ich
möchte aber lieber wissen, ob mein Herr schon in Berlin angekommen sey, und
wo er wohne. Hier fiengen die Kerls ein Gelächter an, dazu ich hätte wal-
lten mögen; und keiner wollte das geringste von einer solchen Excellenz wissen.
Mittlerweile trug man eine stockdicke Erbsekost auf. Ich aß mit wenigem
Appetit davon. Wir waren kaum fertig, als ein alter hagerer Kerl ins
Zimmer trat, dem ich doch bald ansah, daß er mehr als Gemeiner seyn müsse
Es war ein Feldweibel. Er hatte eine Soldatenmontur auf dem Arm, die
er über den Tisch ausspreitete, ein Sechsgroschenstück dazu legte, und sagte:
„Das ist vor dich, mein Sohn! Gleich werd ich dir noch ein Commißbrodt
bringen". „Was? vor mich", versetzte ich: „Von wem, wozu"? „Ey! Deine
Montirung und Traktament, Bursche! Was gilts da Fragens? Bist ja ein
Nekrute". „Wie, was? Rekrute"? erwiedert ich: „Behüte Gott! da ist mir
nie kein Sinn daran kommen. Nein! in meinem Leben nicht. MarkoniS Be¬
dienter bin ich. So hab ich gedungen und änderst nicht. Da wird mir kein
Mensch anders sagen können"! „Und ich sag' dir, du bist Soldat, Kerl! Ich
steh' dir dafür. Da hilft itzt alles nichts". Ich. Ach! wenn nur mein Herr
Markoni da wäre. Er. Den wirst du sobald nicht zu sehen kriegen. Wirst
doch lieber wollen unsers Königs Diener seyn, als seines Lieutenants? —
Damit gieng er weg. „Um Gottes willen, Herr Zittemann"! fuhr ich fort:
„Was soll das werden"? „Nichts, Herr"! antwortete dieser, „als daß Er,
wie ich und die andern Herren da, Soldat, und wir folglich alle Brüder sind;
und daß Ihm alles Widersetzen nichts hilft, als daß man Ihn auf Wasser
und Brodt nach der Hauptwache führt, kreutzweis schließt, und Ihn fuchtelt,
daß ihm die Rippen krachen, bis Er content ist"! Ich. Das wär' beym Sacker
unverschämt, gottlos! Er. Glaub er mir's auf mein Wort, änderst ist's nicht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/111>, abgerufen am 23.07.2024.