Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.es wäre aber eine Thorheit, deshalb zu der mittelalterlichen Bauart zurückzu¬ Durchaus würdig reiht sich an dieses schöne Buch die Kunstgeschichte von es wäre aber eine Thorheit, deshalb zu der mittelalterlichen Bauart zurückzu¬ Durchaus würdig reiht sich an dieses schöne Buch die Kunstgeschichte von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101096"/> <p xml:id="ID_281" prev="#ID_280"> es wäre aber eine Thorheit, deshalb zu der mittelalterlichen Bauart zurückzu¬<lb/> greifen, die unsern Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten durchweg widerspricht.<lb/> Es fehlt gar nicht am guten Willen, in den neuen Stil Geschmack und, Zier^<lb/> lichkeit zu bringen, aber man ist rathlos darüber, wie es geschehen sott, und<lb/> würde daher für jeden Fingerzeig sehr dankbar sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_282" next="#ID_283"> Durchaus würdig reiht sich an dieses schöne Buch die Kunstgeschichte von<lb/> Springer, wenn auch das bei weitem größere Gebiet, welches derselbe behan¬<lb/> delt, eine gedrängtere und farblosere Darstellung nothwendig macht. Wenn<lb/> bei dem vorigen Buch die Vertheilung der Zeitalter wenigstens bis zu einem<lb/> gewissen Grad durch den Stoff bedingt war, so würde man hier, wo die<lb/> Sculptur und Malerei mit aufgenommen ist, doch bedenklich sein, ob es zweck¬<lb/> mäßig ist, die Kunst d<!s Alterthums und des Mittelalters in 220, die neuere<lb/> Kunst in 120 Seiten zu behandeln. Es scheint in der That, daß der Ver¬<lb/> fasser zuletzt zu sehr dem buchhändlerischen Bedürfniß Rechnung getragen d. h. zu<lb/> hastig und abgerissen erzählt hat. Eigentlich schließt die Geschichte schon mit<lb/> dem Ende des -17. Jahrhunderts. Von der neuesten Kunst, namentlich der<lb/> Malerei, begnügt sich der Verfasser damit, folgendes zu sagen: „Läßt man<lb/> das Auge nur bei den Spitzen der modernen Kunst weilen, dann erscheint<lb/> jeder Zweifel an dem kräftigen Aufschwünge der gegenwärtigen Malerei thöricht,<lb/> beobachtet man aber das Kunsttreiben in den zahlreichen, untergeordneten<lb/> Kunstkreisen, wie dort die leichtfertige Charge den Stil ersetzt und den ge¬<lb/> sunden Formen- und Farbensinn verdrängt, anderwärts wieder eine inhaltlose,<lb/> blos äußerlich glänzende Technik als höchstes Ziel geschaut wird, noch ander¬<lb/> wärts wieder das Ungeschick im Handwerke hinter einer vorgeblichen Gedanken¬<lb/> tiefe sich birgt und die Malerei aus ihrer natürlichen Stellung verjagt wird,<lb/> um mit der Wissenschaft zu concurriren, wie vollends im wirklichen Volksleben,<lb/> im Kreise der Mode und des KunsthcmdwerkeS noch überall der barocke Stil<lb/> deS 17. und 18. Jahrhunderts herrscht, so erscheint die Zukunft der Kunst<lb/> keineswegs vollkommen sichergestellt." — Es liegt in diesen Bemerkungen viel<lb/> Richtiges; aber betreffen sie denn wirklich blos unsre Zeit; ist in der sogenann¬<lb/> ten guten alten Zeit nicht zuweilen auch schlecht gemalt? Man darf nur im<lb/> alten berliner Museum von einem Ende zum andern wandeln, um sich zu<lb/> überzeugen, daß zwei Drittel dieser Schätze geradezu schlecht ist. Sind denn<lb/> die Maler und Bildhauer des 19. Jahrhunderts, die Rauch, Thorwaldsen,<lb/> Gallait, Horace Vernet, Paul Delaroche, Cornelius, Kaulbach, Lessing u. s. w.<lb/> so unbedeutend, daß man sich gar nicht die Mühe geben darf, in einer Kunst-<lb/> geschichte auch nur ihren Namen zu erwähnen? Eine Geschichte der Baukunst<lb/> mag allenfalls mit dem 17. Jahrhundert abschließen, denn was darauf folgt,<lb/> hat wenigstens noch keinen bestimmten Ausgangspunkt, noch keine organische<lb/> Geschichte; aber von einer Geschichte der Malerei und der Sculptur ist es ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
es wäre aber eine Thorheit, deshalb zu der mittelalterlichen Bauart zurückzu¬
greifen, die unsern Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten durchweg widerspricht.
Es fehlt gar nicht am guten Willen, in den neuen Stil Geschmack und, Zier^
lichkeit zu bringen, aber man ist rathlos darüber, wie es geschehen sott, und
würde daher für jeden Fingerzeig sehr dankbar sein.
Durchaus würdig reiht sich an dieses schöne Buch die Kunstgeschichte von
Springer, wenn auch das bei weitem größere Gebiet, welches derselbe behan¬
delt, eine gedrängtere und farblosere Darstellung nothwendig macht. Wenn
bei dem vorigen Buch die Vertheilung der Zeitalter wenigstens bis zu einem
gewissen Grad durch den Stoff bedingt war, so würde man hier, wo die
Sculptur und Malerei mit aufgenommen ist, doch bedenklich sein, ob es zweck¬
mäßig ist, die Kunst d<!s Alterthums und des Mittelalters in 220, die neuere
Kunst in 120 Seiten zu behandeln. Es scheint in der That, daß der Ver¬
fasser zuletzt zu sehr dem buchhändlerischen Bedürfniß Rechnung getragen d. h. zu
hastig und abgerissen erzählt hat. Eigentlich schließt die Geschichte schon mit
dem Ende des -17. Jahrhunderts. Von der neuesten Kunst, namentlich der
Malerei, begnügt sich der Verfasser damit, folgendes zu sagen: „Läßt man
das Auge nur bei den Spitzen der modernen Kunst weilen, dann erscheint
jeder Zweifel an dem kräftigen Aufschwünge der gegenwärtigen Malerei thöricht,
beobachtet man aber das Kunsttreiben in den zahlreichen, untergeordneten
Kunstkreisen, wie dort die leichtfertige Charge den Stil ersetzt und den ge¬
sunden Formen- und Farbensinn verdrängt, anderwärts wieder eine inhaltlose,
blos äußerlich glänzende Technik als höchstes Ziel geschaut wird, noch ander¬
wärts wieder das Ungeschick im Handwerke hinter einer vorgeblichen Gedanken¬
tiefe sich birgt und die Malerei aus ihrer natürlichen Stellung verjagt wird,
um mit der Wissenschaft zu concurriren, wie vollends im wirklichen Volksleben,
im Kreise der Mode und des KunsthcmdwerkeS noch überall der barocke Stil
deS 17. und 18. Jahrhunderts herrscht, so erscheint die Zukunft der Kunst
keineswegs vollkommen sichergestellt." — Es liegt in diesen Bemerkungen viel
Richtiges; aber betreffen sie denn wirklich blos unsre Zeit; ist in der sogenann¬
ten guten alten Zeit nicht zuweilen auch schlecht gemalt? Man darf nur im
alten berliner Museum von einem Ende zum andern wandeln, um sich zu
überzeugen, daß zwei Drittel dieser Schätze geradezu schlecht ist. Sind denn
die Maler und Bildhauer des 19. Jahrhunderts, die Rauch, Thorwaldsen,
Gallait, Horace Vernet, Paul Delaroche, Cornelius, Kaulbach, Lessing u. s. w.
so unbedeutend, daß man sich gar nicht die Mühe geben darf, in einer Kunst-
geschichte auch nur ihren Namen zu erwähnen? Eine Geschichte der Baukunst
mag allenfalls mit dem 17. Jahrhundert abschließen, denn was darauf folgt,
hat wenigstens noch keinen bestimmten Ausgangspunkt, noch keine organische
Geschichte; aber von einer Geschichte der Malerei und der Sculptur ist es ein
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