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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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von der Brustwehr (Bankett, Geschützbank) her vertheidigt wird, so bleibt nichts
übrig, als eine Sternschanze zu erbauen, von welcher jedermann eine an¬
nähernde Vorstellung hat und über die ich nur bemerke, daß sie sich aus ein-
und ausgehenden Stücken zusammensetzt, von denen erstere im 'besten Falle
9et Grad groß sind, letztere aber mindestens 60 Grad zählen müssen.

Fleschen, ohne oder mit Flanken, Lünetten, Redouten und Stern¬
schanzen sind die vier Hauptcombinationen, in denen sich die Fcldbefesti-
gungskunst ergeht. Wen dies in Erstaunen setzt, der möge erwägen, daß sich
eine große Mannigfaltigkeit der Formen erreichen läßt, jenachdem man die
offnen Werke in dieser oder jener Weise zusammenstellt oder durch Zwischen-
linien verbindet. Noch überraschender indeß dürfte es sein, daß auch die große
oder permanente Befestigungskunst, vulgär Festungsbaukunst genannt, keine
andern Formen kennt. Letzteres hier anzumerken erscheint um so nothwendiger,
als damit allein die Rechtfertigung für die ziemlich weit ausholende Einleitung
gegeben' werden dürfte.

Verständigen wir uns hier zunächst über den Zweck der Festungsbau-
kunst im Gegensatz zur Feldbefestigungskunst. Letztere hatte, wie oben
entwickelt, die Aufgabe, Stellungen, in denen eine Mindermacht den Kampf
gegen eine Uebermacht anzunehmen vermag, dermaßen durch Kunstmittel
zu verstärken, daß entweder die Dauer des Widerstandes dadurch auf
längere Zeit als es ohne Dazwischenkunft des Ingenieurs der Fall ge¬
wesen sein würde, gesichert, oder selbst ein Umschlagen der Gefechtsverhält¬
nisse d. b. der Uebergang der Vertheidigung zur Offensive und infolge dessen
letztlich der Sieg vorbereitet wird. Da nun ein Heer oder Corps, welches
es unternimmt, einem andern im Felde operirend entgegenzutreten, selbstredend,
wenn auch schwächer wie dieses letztere, dennoch in einem gewissen Verhält¬
niß der Stärke zu ihm stehen muß, was nicht allzu geringfügig sein darf, wenn
nicht die Hoffnung des operativen Widerstandes schwinden soll, so handelt es
sich für die Fcldbefestiguugskunst nur darum, der Vertheidigung in der von ihr
eingenommenen Position einen gewissen begrenzten Kraftzuwachs zu verschaffen,
zu dessen Herstellung die oben erwähnten Mittel eben ausreichend sind. Die
Bedingungen, zwischen denen sie sich zu bewegen hat, sind mithin die Position
oder das Terrain selbst, die' eignen Streitmittel und die feindlichen oder im
Besondern die Differenz der beiden letztern. Auf den kürzesten Ausdruck gebracht
heißt das: die Fcldbefcstigungskunst ermöglicht einen relativen Widerstand. Dem
gegenüber ist die Aufgabe der permanenten Fortification die Ermöglichung der
absoluten. Es wird schwer fallen, eine Position in jedweder Gegend deS Kriegs-
theaters zu finden, in der die Feldbefestigsungskunst eine Armee gegen mehr als
die doppelte Uebermacht sicher zu stellen vermag. Im äußersten Falle würde
der Feind, weil er ausreichende Streitkräfte zur Verfügung bat, sie mit einem


von der Brustwehr (Bankett, Geschützbank) her vertheidigt wird, so bleibt nichts
übrig, als eine Sternschanze zu erbauen, von welcher jedermann eine an¬
nähernde Vorstellung hat und über die ich nur bemerke, daß sie sich aus ein-
und ausgehenden Stücken zusammensetzt, von denen erstere im 'besten Falle
9et Grad groß sind, letztere aber mindestens 60 Grad zählen müssen.

Fleschen, ohne oder mit Flanken, Lünetten, Redouten und Stern¬
schanzen sind die vier Hauptcombinationen, in denen sich die Fcldbefesti-
gungskunst ergeht. Wen dies in Erstaunen setzt, der möge erwägen, daß sich
eine große Mannigfaltigkeit der Formen erreichen läßt, jenachdem man die
offnen Werke in dieser oder jener Weise zusammenstellt oder durch Zwischen-
linien verbindet. Noch überraschender indeß dürfte es sein, daß auch die große
oder permanente Befestigungskunst, vulgär Festungsbaukunst genannt, keine
andern Formen kennt. Letzteres hier anzumerken erscheint um so nothwendiger,
als damit allein die Rechtfertigung für die ziemlich weit ausholende Einleitung
gegeben' werden dürfte.

Verständigen wir uns hier zunächst über den Zweck der Festungsbau-
kunst im Gegensatz zur Feldbefestigungskunst. Letztere hatte, wie oben
entwickelt, die Aufgabe, Stellungen, in denen eine Mindermacht den Kampf
gegen eine Uebermacht anzunehmen vermag, dermaßen durch Kunstmittel
zu verstärken, daß entweder die Dauer des Widerstandes dadurch auf
längere Zeit als es ohne Dazwischenkunft des Ingenieurs der Fall ge¬
wesen sein würde, gesichert, oder selbst ein Umschlagen der Gefechtsverhält¬
nisse d. b. der Uebergang der Vertheidigung zur Offensive und infolge dessen
letztlich der Sieg vorbereitet wird. Da nun ein Heer oder Corps, welches
es unternimmt, einem andern im Felde operirend entgegenzutreten, selbstredend,
wenn auch schwächer wie dieses letztere, dennoch in einem gewissen Verhält¬
niß der Stärke zu ihm stehen muß, was nicht allzu geringfügig sein darf, wenn
nicht die Hoffnung des operativen Widerstandes schwinden soll, so handelt es
sich für die Fcldbefestiguugskunst nur darum, der Vertheidigung in der von ihr
eingenommenen Position einen gewissen begrenzten Kraftzuwachs zu verschaffen,
zu dessen Herstellung die oben erwähnten Mittel eben ausreichend sind. Die
Bedingungen, zwischen denen sie sich zu bewegen hat, sind mithin die Position
oder das Terrain selbst, die' eignen Streitmittel und die feindlichen oder im
Besondern die Differenz der beiden letztern. Auf den kürzesten Ausdruck gebracht
heißt das: die Fcldbefcstigungskunst ermöglicht einen relativen Widerstand. Dem
gegenüber ist die Aufgabe der permanenten Fortification die Ermöglichung der
absoluten. Es wird schwer fallen, eine Position in jedweder Gegend deS Kriegs-
theaters zu finden, in der die Feldbefestigsungskunst eine Armee gegen mehr als
die doppelte Uebermacht sicher zu stellen vermag. Im äußersten Falle würde
der Feind, weil er ausreichende Streitkräfte zur Verfügung bat, sie mit einem


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[0068] von der Brustwehr (Bankett, Geschützbank) her vertheidigt wird, so bleibt nichts übrig, als eine Sternschanze zu erbauen, von welcher jedermann eine an¬ nähernde Vorstellung hat und über die ich nur bemerke, daß sie sich aus ein- und ausgehenden Stücken zusammensetzt, von denen erstere im 'besten Falle 9et Grad groß sind, letztere aber mindestens 60 Grad zählen müssen. Fleschen, ohne oder mit Flanken, Lünetten, Redouten und Stern¬ schanzen sind die vier Hauptcombinationen, in denen sich die Fcldbefesti- gungskunst ergeht. Wen dies in Erstaunen setzt, der möge erwägen, daß sich eine große Mannigfaltigkeit der Formen erreichen läßt, jenachdem man die offnen Werke in dieser oder jener Weise zusammenstellt oder durch Zwischen- linien verbindet. Noch überraschender indeß dürfte es sein, daß auch die große oder permanente Befestigungskunst, vulgär Festungsbaukunst genannt, keine andern Formen kennt. Letzteres hier anzumerken erscheint um so nothwendiger, als damit allein die Rechtfertigung für die ziemlich weit ausholende Einleitung gegeben' werden dürfte. Verständigen wir uns hier zunächst über den Zweck der Festungsbau- kunst im Gegensatz zur Feldbefestigungskunst. Letztere hatte, wie oben entwickelt, die Aufgabe, Stellungen, in denen eine Mindermacht den Kampf gegen eine Uebermacht anzunehmen vermag, dermaßen durch Kunstmittel zu verstärken, daß entweder die Dauer des Widerstandes dadurch auf längere Zeit als es ohne Dazwischenkunft des Ingenieurs der Fall ge¬ wesen sein würde, gesichert, oder selbst ein Umschlagen der Gefechtsverhält¬ nisse d. b. der Uebergang der Vertheidigung zur Offensive und infolge dessen letztlich der Sieg vorbereitet wird. Da nun ein Heer oder Corps, welches es unternimmt, einem andern im Felde operirend entgegenzutreten, selbstredend, wenn auch schwächer wie dieses letztere, dennoch in einem gewissen Verhält¬ niß der Stärke zu ihm stehen muß, was nicht allzu geringfügig sein darf, wenn nicht die Hoffnung des operativen Widerstandes schwinden soll, so handelt es sich für die Fcldbefestiguugskunst nur darum, der Vertheidigung in der von ihr eingenommenen Position einen gewissen begrenzten Kraftzuwachs zu verschaffen, zu dessen Herstellung die oben erwähnten Mittel eben ausreichend sind. Die Bedingungen, zwischen denen sie sich zu bewegen hat, sind mithin die Position oder das Terrain selbst, die' eignen Streitmittel und die feindlichen oder im Besondern die Differenz der beiden letztern. Auf den kürzesten Ausdruck gebracht heißt das: die Fcldbefcstigungskunst ermöglicht einen relativen Widerstand. Dem gegenüber ist die Aufgabe der permanenten Fortification die Ermöglichung der absoluten. Es wird schwer fallen, eine Position in jedweder Gegend deS Kriegs- theaters zu finden, in der die Feldbefestigsungskunst eine Armee gegen mehr als die doppelte Uebermacht sicher zu stellen vermag. Im äußersten Falle würde der Feind, weil er ausreichende Streitkräfte zur Verfügung bat, sie mit einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/68>, abgerufen am 22.07.2024.