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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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im Laufe dieses Tages seinen Einzug halten werde. Im Nu gewann alles
einen festlichen Anstrich, die geschmückten Kirchen glänzten im Scheine un¬
zähliger Kerzen, lange Fahnen wallten überall von den Balkonen und in der
nach dem Markte führenden Straße erhoben sich grüne, mit Blumen, ge¬
schmückte Triumphbogen. Aber mitten in den freudigen Jubel der guten
Bürger, nächste Nacht wieder unter dem väterlichen Schutze der Bajonette
schlafen zu können, fielen plötzlich wie ein lähmender Donnerschlag die lang¬
gezogenen dumpfen Töne des Kuhhorns, das von fern herüberschallte. Bald
klangen die Straßen wieder vom Gestampf der Pferde und dem Klirren der
Waffen und unter dem zur Feier der Wiederkehr gesetzlicher Ordnung er¬
bauten Bogen erschien der Vortrab der Mvrochucos. In langem Zuge zu
zwei nebeneinander umritten sie, etwa 3 bis 4000 Mann stark, die Plaza und
stellten sich rings um dieselbe auf. Die Spitze bildeten sechs Kuhhornträger, denen
der Caudillo mit seinen Häuptlingen und dann die übrige Reiterei folgte, alle
auf den kleinen, aber unverwüstlichen Pferden der Puna, mit langen Lanzen
und zuweilen einem verrosteten Säbel oder einer Flinte ohne Schloß. Dann
kamen diejenigen, die ein Pferd weder besaßen, noch hatten auftreiben können,
zu Fuß, eine höchst buntscheckige Sammlung aller möglichen Waffengattungen
aufzeigend, die bei den letzten mit einem knorrigen Knüppel etwas drastisch
schloß.

Mit starrem Entsetzen schauten die Ayacuchaner auf die zerrissenen Pon¬
chos und die finsteren Jndianerphysiognomien, welche die Möglichkeit der ihnen
zugeschriebenen Greuelthaten grade nicht Lügen straften und mehre warfen sich
eiligst in die Sättel, um die Ankunft der nachrückenden regulären Truppen zu
beschleunigen. Dennoch wäre es wol zu keinen Gewaltthätigkeiten gekommen
ohne die Amerikaner, von denen sich zwei mit unvorsichtiger Neugier etwas zu
nahe an den Jndianerhaufen drängten. Ihre ansehnlichen, starken Pferde er¬
regten die Aufmerksamkeit des Häuptlings und seine Geberden ließen es den
Amerikanern rathsam finden, sich zu entfernen. Ehe sie jedoch noch ihre Woh¬
nung erreichten, kam ihnen eine Abtheilung Morochucos mit hochgeschwun¬
genem Lasso nachgesprengt und die Verfolgten hatten eben noch Zeit sich vom
Pferde zu werfen und zu ihrer Hofthür hineinzuschlüpfen, um den über ihren
Köpfen wirbelnden Schlingen zu entgehen. Die Pferde blieben jedoch draußen
und die Indianer wollten sie eben fortführen, als einer von den AankeeS
einen Revolver auf sie anlegte, worauf sie die Beute wieder losließen. Aber
mittlerweile waren andre Indianer nachgeeilt, die schreiend und tobend gegen
das Hofthor drängten, während drinnen die Amerikaner sich mit den in einem
nahen Speicher lagernden Ballen Alpaca- und Vicunawolle zu verbarrikadiren
anfingen. Allem Anschein nach wäre es hier zu einer kleinen Belagerung ge¬
kommen, wenn nicht jetzt der Ruf ertönt wäre: sie kommen, sie kommen! der


Grenzboten. III. 4 8I5L. 64

im Laufe dieses Tages seinen Einzug halten werde. Im Nu gewann alles
einen festlichen Anstrich, die geschmückten Kirchen glänzten im Scheine un¬
zähliger Kerzen, lange Fahnen wallten überall von den Balkonen und in der
nach dem Markte führenden Straße erhoben sich grüne, mit Blumen, ge¬
schmückte Triumphbogen. Aber mitten in den freudigen Jubel der guten
Bürger, nächste Nacht wieder unter dem väterlichen Schutze der Bajonette
schlafen zu können, fielen plötzlich wie ein lähmender Donnerschlag die lang¬
gezogenen dumpfen Töne des Kuhhorns, das von fern herüberschallte. Bald
klangen die Straßen wieder vom Gestampf der Pferde und dem Klirren der
Waffen und unter dem zur Feier der Wiederkehr gesetzlicher Ordnung er¬
bauten Bogen erschien der Vortrab der Mvrochucos. In langem Zuge zu
zwei nebeneinander umritten sie, etwa 3 bis 4000 Mann stark, die Plaza und
stellten sich rings um dieselbe auf. Die Spitze bildeten sechs Kuhhornträger, denen
der Caudillo mit seinen Häuptlingen und dann die übrige Reiterei folgte, alle
auf den kleinen, aber unverwüstlichen Pferden der Puna, mit langen Lanzen
und zuweilen einem verrosteten Säbel oder einer Flinte ohne Schloß. Dann
kamen diejenigen, die ein Pferd weder besaßen, noch hatten auftreiben können,
zu Fuß, eine höchst buntscheckige Sammlung aller möglichen Waffengattungen
aufzeigend, die bei den letzten mit einem knorrigen Knüppel etwas drastisch
schloß.

Mit starrem Entsetzen schauten die Ayacuchaner auf die zerrissenen Pon¬
chos und die finsteren Jndianerphysiognomien, welche die Möglichkeit der ihnen
zugeschriebenen Greuelthaten grade nicht Lügen straften und mehre warfen sich
eiligst in die Sättel, um die Ankunft der nachrückenden regulären Truppen zu
beschleunigen. Dennoch wäre es wol zu keinen Gewaltthätigkeiten gekommen
ohne die Amerikaner, von denen sich zwei mit unvorsichtiger Neugier etwas zu
nahe an den Jndianerhaufen drängten. Ihre ansehnlichen, starken Pferde er¬
regten die Aufmerksamkeit des Häuptlings und seine Geberden ließen es den
Amerikanern rathsam finden, sich zu entfernen. Ehe sie jedoch noch ihre Woh¬
nung erreichten, kam ihnen eine Abtheilung Morochucos mit hochgeschwun¬
genem Lasso nachgesprengt und die Verfolgten hatten eben noch Zeit sich vom
Pferde zu werfen und zu ihrer Hofthür hineinzuschlüpfen, um den über ihren
Köpfen wirbelnden Schlingen zu entgehen. Die Pferde blieben jedoch draußen
und die Indianer wollten sie eben fortführen, als einer von den AankeeS
einen Revolver auf sie anlegte, worauf sie die Beute wieder losließen. Aber
mittlerweile waren andre Indianer nachgeeilt, die schreiend und tobend gegen
das Hofthor drängten, während drinnen die Amerikaner sich mit den in einem
nahen Speicher lagernden Ballen Alpaca- und Vicunawolle zu verbarrikadiren
anfingen. Allem Anschein nach wäre es hier zu einer kleinen Belagerung ge¬
kommen, wenn nicht jetzt der Ruf ertönt wäre: sie kommen, sie kommen! der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/513>, abgerufen am 22.07.2024.