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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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hat. In der ersteren hat ohne Zweifel das Bajonett der Zuaven und Hoch¬
länder entschieden, bei Balaklava ercellirte, wenn auch in übel dirigirter Attake,
die britische Reiterei; endlich hat bei Jnkerman die Minivbüchse den Ausschlag
gegeben. Es blieb nun noch übrig, daß die Artillerie sich verherrlichte. Diese
Rolle war den wackern französischen Batterien beschieden, die der Oberst Forgeot
commandirte.

Neben der französischen Artillerie hat sich auch die sardinische an dem
denkwürdigen Tage große Verdienste erworben. Erstere war^, die etwas rück¬
wärts gestellte Reserveartillerie (12 Geschütze d. h. zwei Batterien der Garde)
eingerechnet, mit 42 Geschützen vertreten. Die Sardinier hatten, wenn ich
recht unterrichtet bin, nur 24 Stück. Hierzu kam noch die Mitwirkung einer
türkischen und einer englischen Batterie. Man wird daher nicht weit abirren,
wenn man die ganze Artilleriemacht der Verbündeten, die am Kampfe theil¬
nahm, aus 80 Geschütze veranschlagt. Diese verhälnißmäßig geringe Zahl
von Feuerschlünden, welcher die Russen mehr als das Doppelte entgegenstell¬
ten, hat die Aufgabe des Tages auf sich genommen und glänzend gelöst. Das
Handgemenge hat sozusagen nur die Consequenzen des Sieges festgestellt,
den die Batterien entschieden. Nach dieser Abschweifung, um den Charakter
der Schlacht festzustellen, komme ich auf deren Verlauf zurück. Man kann
den letzteren als einen Versuch bezeichnen, im Wege des Ueberfalls mit einer
ganzen Armee ein Hinderniß (die Tschernaja) zu überschreiten, wobei man über¬
rascht und von dem angegriffenen Theil schließlich in die ursprüngliche Position
zurückgeworfen wird. Die eigentliche Krisis deS Tages drängte sich in den
Raum der Augenblicke zusammen, wo die Russen die Brücke von Traktir im
Sturmschritt und mit lautem Hurrah überschritten, um sich der rückgclegenen
Hügel und damit einer Position zu bemächtigen, welche später den Zugang
zu dem Plateau möglicherweise erleichtert hätte. Aus den inzwischen zu Ihrer
Kenntniß gekommenen anderweitigen Berichten werden Sie ersehen haben, daß
der Moment gefahrdrohend genug war, und daS Lager der Franzosen im
eigentlichen Sinne des Wortes überfallen wurde. Den beiden französischen
Regimentern No. 30 und No. 97 gebührt das Verdienst, den Feind auf der
entscheidungsvollen Stelle zuerst ausgehalten zu haben. Nach ihnen scheinen
sich die Zuaven am ehesten gesammelt zu haben, und gleich darauf die In¬
fanterieregimente! No. 6 und No. 73. Da der Feind bis dahin nicht mehr
wie etwa 10,000 Mann über den Fluß zu werfen im Stande gewesen war,
so entschied sich die Frage über das Gelingen oder Mißlingen seines Versuchs
in dem Augenblick, >vo jene vier Regimenter und die Zuaven in die Action
eingriffen. Von da ab war dem Gegner Hall geboten, und die Kräfte, welche
später eintreten, wirkten eher als rückdrückendes Gegengewicht, als daß sie noch
nöthig gewesen wären, die eigentliche Vertheidigung zu stützen.


hat. In der ersteren hat ohne Zweifel das Bajonett der Zuaven und Hoch¬
länder entschieden, bei Balaklava ercellirte, wenn auch in übel dirigirter Attake,
die britische Reiterei; endlich hat bei Jnkerman die Minivbüchse den Ausschlag
gegeben. Es blieb nun noch übrig, daß die Artillerie sich verherrlichte. Diese
Rolle war den wackern französischen Batterien beschieden, die der Oberst Forgeot
commandirte.

Neben der französischen Artillerie hat sich auch die sardinische an dem
denkwürdigen Tage große Verdienste erworben. Erstere war^, die etwas rück¬
wärts gestellte Reserveartillerie (12 Geschütze d. h. zwei Batterien der Garde)
eingerechnet, mit 42 Geschützen vertreten. Die Sardinier hatten, wenn ich
recht unterrichtet bin, nur 24 Stück. Hierzu kam noch die Mitwirkung einer
türkischen und einer englischen Batterie. Man wird daher nicht weit abirren,
wenn man die ganze Artilleriemacht der Verbündeten, die am Kampfe theil¬
nahm, aus 80 Geschütze veranschlagt. Diese verhälnißmäßig geringe Zahl
von Feuerschlünden, welcher die Russen mehr als das Doppelte entgegenstell¬
ten, hat die Aufgabe des Tages auf sich genommen und glänzend gelöst. Das
Handgemenge hat sozusagen nur die Consequenzen des Sieges festgestellt,
den die Batterien entschieden. Nach dieser Abschweifung, um den Charakter
der Schlacht festzustellen, komme ich auf deren Verlauf zurück. Man kann
den letzteren als einen Versuch bezeichnen, im Wege des Ueberfalls mit einer
ganzen Armee ein Hinderniß (die Tschernaja) zu überschreiten, wobei man über¬
rascht und von dem angegriffenen Theil schließlich in die ursprüngliche Position
zurückgeworfen wird. Die eigentliche Krisis deS Tages drängte sich in den
Raum der Augenblicke zusammen, wo die Russen die Brücke von Traktir im
Sturmschritt und mit lautem Hurrah überschritten, um sich der rückgclegenen
Hügel und damit einer Position zu bemächtigen, welche später den Zugang
zu dem Plateau möglicherweise erleichtert hätte. Aus den inzwischen zu Ihrer
Kenntniß gekommenen anderweitigen Berichten werden Sie ersehen haben, daß
der Moment gefahrdrohend genug war, und daS Lager der Franzosen im
eigentlichen Sinne des Wortes überfallen wurde. Den beiden französischen
Regimentern No. 30 und No. 97 gebührt das Verdienst, den Feind auf der
entscheidungsvollen Stelle zuerst ausgehalten zu haben. Nach ihnen scheinen
sich die Zuaven am ehesten gesammelt zu haben, und gleich darauf die In¬
fanterieregimente! No. 6 und No. 73. Da der Feind bis dahin nicht mehr
wie etwa 10,000 Mann über den Fluß zu werfen im Stande gewesen war,
so entschied sich die Frage über das Gelingen oder Mißlingen seines Versuchs
in dem Augenblick, >vo jene vier Regimenter und die Zuaven in die Action
eingriffen. Von da ab war dem Gegner Hall geboten, und die Kräfte, welche
später eintreten, wirkten eher als rückdrückendes Gegengewicht, als daß sie noch
nöthig gewesen wären, die eigentliche Vertheidigung zu stützen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/438>, abgerufen am 22.07.2024.