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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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einen Baum hangt und zieht die Schuhe aus, wenn er nicht schon barfuß ist,
alle aber halten sich dicht beisammen, denn wehe dem, der dem Löwen allein
entgegentritt, denn äußerst selten gelingt es selbst aus größter Nähe den
Löwen durch eine einzige Kugel auf der Stelle zu tödten, und tödtlich ver¬
wundet ist er am gefährlichsten. Ist der Löwe noch unverwundet und er stößt
auf einen einzelnen Jäger, so geschieht es wol, daß er ihn als ein Hinder¬
niß seiner Flucht blos niederwirft, und der niedergeworfene mit ein paar
Klauenritzen davon kommt. Fühlt aber das Thier die tödtliche Kugel im Leibe,
so packt er den ersten besten, den er noch fassen kann, mit aller Macht, zieht
ihn unter sich, nimmt das Gesicht des Unglücklichen vor sich, und scheint wie
die Katze mit der Maus sich an seiner Todesangst zu weiden. Während seine
Klauen mit Wonne durch das weiche Fleisch des Opfers sich ziehen, ruhen
seine Augen blitzend auf den Augen des Menschen, der durch diesen Blick ge¬
bannt weder zu schreien noch zu jammern wagt. Von Zeit zu Zeit streicht
der Löwe seine große rauhe Zunge über das Gesicht des Sterbenden, dann
zieht er die Lippen zurück wie die Katze und zeigt alle Zähne. Die muthig¬
sten von den Verwandten des unglücklichen Jägers haben sich unterdessen ge¬
sammelt und rücken in geschlossener Reihe, den Finger am Drücker, gegen den
Löwen vor, denn sie schießen nur aus unmittelbarster Nähe, da es sich kein
Araber verzeihen würde, wenn seine Kugel zugleich den sterbenden Verwandten
träfe.

Fühlt der Löwe allmälig seine letzte Kraft schwinden, so zermalmt er
noch mit seinen Zähnen den Kopf des Mannes, den er unter sich hat, in dem
Augenblick, wo er das Rohr des Gewehres zu seinem Ohre sich senken sieht
und erwartet dann mit geschlossenen Augen den Tod. Hat er aber noch einige
Kraft übrig, so versucht er wol noch einen Sprung und verwundet dabei noch
einen Jäger schwer oder gar tödtlich. Daraus läßt sich ersehen, wie noth¬
wendig es für die Jäger, ist in geschlossener Ordnung zu bleiben; denn wenn
der Löwe sie so herankommen sieht, tritt er in majestätischer Haltung ihnen
entgegen, als hoffe er durch sUn bloßes Erscheinen sie in Schrecken zu setzen
und zur Flucht zu bewegen.

Gelingt ihm dies aber nicht, so geht er unter dumpfgrollenden Drohungen
20 bis 30 Schritt vor den auf ihn gerichteten Gewehren hin und in diesem
Augenblick läßt der älteste der Jäger alle gleichzeitig feuern, worauf alle das
Gewehr wegwerfen und sich mit Pistolen und Aatagan bewaffnen, mit denen
sie, wenn der Löwe zusammenstürzt, ehe er sich wieder aufrichten kann, über
ihn herfallen und auf ihn um die Wette schießen und stechen, bis er todt ist,
wobei sie aber immer noch einige Stücke Fleisch in den Klauen des vererdenden
Thieres lassen müssen. Nun sammelt man die Todten und Verwundeten und
schickt zwei Mann in den nächsten Duar, um Maulthiere zum Fortschaffen der


einen Baum hangt und zieht die Schuhe aus, wenn er nicht schon barfuß ist,
alle aber halten sich dicht beisammen, denn wehe dem, der dem Löwen allein
entgegentritt, denn äußerst selten gelingt es selbst aus größter Nähe den
Löwen durch eine einzige Kugel auf der Stelle zu tödten, und tödtlich ver¬
wundet ist er am gefährlichsten. Ist der Löwe noch unverwundet und er stößt
auf einen einzelnen Jäger, so geschieht es wol, daß er ihn als ein Hinder¬
niß seiner Flucht blos niederwirft, und der niedergeworfene mit ein paar
Klauenritzen davon kommt. Fühlt aber das Thier die tödtliche Kugel im Leibe,
so packt er den ersten besten, den er noch fassen kann, mit aller Macht, zieht
ihn unter sich, nimmt das Gesicht des Unglücklichen vor sich, und scheint wie
die Katze mit der Maus sich an seiner Todesangst zu weiden. Während seine
Klauen mit Wonne durch das weiche Fleisch des Opfers sich ziehen, ruhen
seine Augen blitzend auf den Augen des Menschen, der durch diesen Blick ge¬
bannt weder zu schreien noch zu jammern wagt. Von Zeit zu Zeit streicht
der Löwe seine große rauhe Zunge über das Gesicht des Sterbenden, dann
zieht er die Lippen zurück wie die Katze und zeigt alle Zähne. Die muthig¬
sten von den Verwandten des unglücklichen Jägers haben sich unterdessen ge¬
sammelt und rücken in geschlossener Reihe, den Finger am Drücker, gegen den
Löwen vor, denn sie schießen nur aus unmittelbarster Nähe, da es sich kein
Araber verzeihen würde, wenn seine Kugel zugleich den sterbenden Verwandten
träfe.

Fühlt der Löwe allmälig seine letzte Kraft schwinden, so zermalmt er
noch mit seinen Zähnen den Kopf des Mannes, den er unter sich hat, in dem
Augenblick, wo er das Rohr des Gewehres zu seinem Ohre sich senken sieht
und erwartet dann mit geschlossenen Augen den Tod. Hat er aber noch einige
Kraft übrig, so versucht er wol noch einen Sprung und verwundet dabei noch
einen Jäger schwer oder gar tödtlich. Daraus läßt sich ersehen, wie noth¬
wendig es für die Jäger, ist in geschlossener Ordnung zu bleiben; denn wenn
der Löwe sie so herankommen sieht, tritt er in majestätischer Haltung ihnen
entgegen, als hoffe er durch sUn bloßes Erscheinen sie in Schrecken zu setzen
und zur Flucht zu bewegen.

Gelingt ihm dies aber nicht, so geht er unter dumpfgrollenden Drohungen
20 bis 30 Schritt vor den auf ihn gerichteten Gewehren hin und in diesem
Augenblick läßt der älteste der Jäger alle gleichzeitig feuern, worauf alle das
Gewehr wegwerfen und sich mit Pistolen und Aatagan bewaffnen, mit denen
sie, wenn der Löwe zusammenstürzt, ehe er sich wieder aufrichten kann, über
ihn herfallen und auf ihn um die Wette schießen und stechen, bis er todt ist,
wobei sie aber immer noch einige Stücke Fleisch in den Klauen des vererdenden
Thieres lassen müssen. Nun sammelt man die Todten und Verwundeten und
schickt zwei Mann in den nächsten Duar, um Maulthiere zum Fortschaffen der


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[0424] einen Baum hangt und zieht die Schuhe aus, wenn er nicht schon barfuß ist, alle aber halten sich dicht beisammen, denn wehe dem, der dem Löwen allein entgegentritt, denn äußerst selten gelingt es selbst aus größter Nähe den Löwen durch eine einzige Kugel auf der Stelle zu tödten, und tödtlich ver¬ wundet ist er am gefährlichsten. Ist der Löwe noch unverwundet und er stößt auf einen einzelnen Jäger, so geschieht es wol, daß er ihn als ein Hinder¬ niß seiner Flucht blos niederwirft, und der niedergeworfene mit ein paar Klauenritzen davon kommt. Fühlt aber das Thier die tödtliche Kugel im Leibe, so packt er den ersten besten, den er noch fassen kann, mit aller Macht, zieht ihn unter sich, nimmt das Gesicht des Unglücklichen vor sich, und scheint wie die Katze mit der Maus sich an seiner Todesangst zu weiden. Während seine Klauen mit Wonne durch das weiche Fleisch des Opfers sich ziehen, ruhen seine Augen blitzend auf den Augen des Menschen, der durch diesen Blick ge¬ bannt weder zu schreien noch zu jammern wagt. Von Zeit zu Zeit streicht der Löwe seine große rauhe Zunge über das Gesicht des Sterbenden, dann zieht er die Lippen zurück wie die Katze und zeigt alle Zähne. Die muthig¬ sten von den Verwandten des unglücklichen Jägers haben sich unterdessen ge¬ sammelt und rücken in geschlossener Reihe, den Finger am Drücker, gegen den Löwen vor, denn sie schießen nur aus unmittelbarster Nähe, da es sich kein Araber verzeihen würde, wenn seine Kugel zugleich den sterbenden Verwandten träfe. Fühlt der Löwe allmälig seine letzte Kraft schwinden, so zermalmt er noch mit seinen Zähnen den Kopf des Mannes, den er unter sich hat, in dem Augenblick, wo er das Rohr des Gewehres zu seinem Ohre sich senken sieht und erwartet dann mit geschlossenen Augen den Tod. Hat er aber noch einige Kraft übrig, so versucht er wol noch einen Sprung und verwundet dabei noch einen Jäger schwer oder gar tödtlich. Daraus läßt sich ersehen, wie noth¬ wendig es für die Jäger, ist in geschlossener Ordnung zu bleiben; denn wenn der Löwe sie so herankommen sieht, tritt er in majestätischer Haltung ihnen entgegen, als hoffe er durch sUn bloßes Erscheinen sie in Schrecken zu setzen und zur Flucht zu bewegen. Gelingt ihm dies aber nicht, so geht er unter dumpfgrollenden Drohungen 20 bis 30 Schritt vor den auf ihn gerichteten Gewehren hin und in diesem Augenblick läßt der älteste der Jäger alle gleichzeitig feuern, worauf alle das Gewehr wegwerfen und sich mit Pistolen und Aatagan bewaffnen, mit denen sie, wenn der Löwe zusammenstürzt, ehe er sich wieder aufrichten kann, über ihn herfallen und auf ihn um die Wette schießen und stechen, bis er todt ist, wobei sie aber immer noch einige Stücke Fleisch in den Klauen des vererdenden Thieres lassen müssen. Nun sammelt man die Todten und Verwundeten und schickt zwei Mann in den nächsten Duar, um Maulthiere zum Fortschaffen der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/424>, abgerufen am 23.12.2024.