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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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der General den mehrstündigen Aufenthalt, welchen die Ueberschaffnng seines Ge¬
päcks auf ein anderes Schiff ("Indus") veranlaßte, um ans Laud zu treten und
mit dem hiesigen Platzcommandanten, General Larchcy, eine kurze Besprechung zu
halten. Der Sultan Abdul Medschid erschien kurz darnach in Tophaue und lud die
beiden französischen Generale ein, in seinen Köschk (Kiosk, Pavillon) einzutreten,
wo er ihnen eine halbstündige Audienz ertheilte. -- Sie wollen mir gestatten, über
die vielfachen Gerüchte mit Schweigen hinwegzugehen, die rücksichtlich der Gründe,
welche der Abreise Canrvberts unterliegen, verbreitet sind. Es dürfte, wenige
Personen ausgenommen, die mit dem General in Berührung kamen, kaum irgend-
jemand in der hiesigen Hauptstadt von dem wahren Zusammenhang unterrich¬
tet sein.

Außer dem ehemaligen Generalissimus der französischen Armee kehrte noch
General Sir Richard England in diesen Tagen ans Tannen nach seiner Heimath
zurück. Muthmaßlich ist UnWohlbefinden das Motiv seiner Abreise. Wenn ehestens
der alte ergraute Sir Collin Campbell sich einschiffen sollte, würde kaum ein General
bei der englischen Krimarmee anwesend sein, der den Feldzug von Anfang an mit¬
gemacht.

Nach dem heute erschienenen Journal de Constantinople verlange" Krankheiten
aller Art, nach wie vor, in dem alliirten Lager viele Opfer. Außer der Cholera,
von der eS heißt, daß sie etwas nachgelassen, wüthet auch der Skorbut, und zwar
schreibt man seinen Ausbruch dem Mangel an frischen Lebensmitteln zu.
'

Aus Kars sind hier durchaus keine Nachrichten eingelaufen. Dagegen er¬
fährt man, daß in Erzerum die Reservearmee sich bereits zu sammeln beginnt.
Ob Omer Pascha das Kommando über dieselbe übernehmen wird, ist allem An¬
schein nach noch nicht entschieden. Einstweilen wohnt der Serdar noch in Arnaut-
koj und stattet dem Kriegsminister fleißig Besuche in den Amtssälcn des Seras-
kierats ab.

Die letzten Tage waren arm an irgendwie belangreichen
Ereignissen. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht, daß die vorgestern erfolgte Ueber¬
gabe des Bathordcns an den Serdar Ekräm Omer Pascha als die große Begeben¬
heit der Woche angesehen wird und beinahe ausschließlich die Aufmerksamkeit und
das Juteresse in Anspruch nahm. Der erwähnte Act war von dem britischen Ge¬
sandten zum Gegenstand einer besonderen Feierlichkeit im größeren Stil gemacht
worden, indem der osmanische Generalissimus behufs der Empfangnahme persönlich
in das englische Palais eingeladen wurde. Er erschien daselbst mit großem Gefolge,
und kehrte später in demselben feierlichen Aufzuge durch Pera zurück. Ich kann
nicht umhin, Sie bei dieser Gelegenheit auf das durchaus unterschiedliche Benehmen
aufmerksam zu machen, welches die beiden der Pforte verbündeten Regierungen
gegen deren Oberfeldherrn seither inne hielten. England nahm ihn von Anfang
an als einen ergebenen Freund und Anhänger seiner Politik und hielt mit Sorg-
samkeit und unausgesetzt daraus, daß die Beziehungen zwischen der wichtigsten und
einflußreichsten Persönlichkeit des osmanischen Reiches, als die man unbedingt
Omer Pascha bezeichnen kann, und der britischen Negierung, keinen Augenblick unter¬
brochen blieben. Zu dem Ende bediente sich Lord Stratford eines außcrordent-


30 *

der General den mehrstündigen Aufenthalt, welchen die Ueberschaffnng seines Ge¬
päcks auf ein anderes Schiff („Indus") veranlaßte, um ans Laud zu treten und
mit dem hiesigen Platzcommandanten, General Larchcy, eine kurze Besprechung zu
halten. Der Sultan Abdul Medschid erschien kurz darnach in Tophaue und lud die
beiden französischen Generale ein, in seinen Köschk (Kiosk, Pavillon) einzutreten,
wo er ihnen eine halbstündige Audienz ertheilte. — Sie wollen mir gestatten, über
die vielfachen Gerüchte mit Schweigen hinwegzugehen, die rücksichtlich der Gründe,
welche der Abreise Canrvberts unterliegen, verbreitet sind. Es dürfte, wenige
Personen ausgenommen, die mit dem General in Berührung kamen, kaum irgend-
jemand in der hiesigen Hauptstadt von dem wahren Zusammenhang unterrich¬
tet sein.

Außer dem ehemaligen Generalissimus der französischen Armee kehrte noch
General Sir Richard England in diesen Tagen ans Tannen nach seiner Heimath
zurück. Muthmaßlich ist UnWohlbefinden das Motiv seiner Abreise. Wenn ehestens
der alte ergraute Sir Collin Campbell sich einschiffen sollte, würde kaum ein General
bei der englischen Krimarmee anwesend sein, der den Feldzug von Anfang an mit¬
gemacht.

Nach dem heute erschienenen Journal de Constantinople verlange» Krankheiten
aller Art, nach wie vor, in dem alliirten Lager viele Opfer. Außer der Cholera,
von der eS heißt, daß sie etwas nachgelassen, wüthet auch der Skorbut, und zwar
schreibt man seinen Ausbruch dem Mangel an frischen Lebensmitteln zu.
'

Aus Kars sind hier durchaus keine Nachrichten eingelaufen. Dagegen er¬
fährt man, daß in Erzerum die Reservearmee sich bereits zu sammeln beginnt.
Ob Omer Pascha das Kommando über dieselbe übernehmen wird, ist allem An¬
schein nach noch nicht entschieden. Einstweilen wohnt der Serdar noch in Arnaut-
koj und stattet dem Kriegsminister fleißig Besuche in den Amtssälcn des Seras-
kierats ab.

Die letzten Tage waren arm an irgendwie belangreichen
Ereignissen. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht, daß die vorgestern erfolgte Ueber¬
gabe des Bathordcns an den Serdar Ekräm Omer Pascha als die große Begeben¬
heit der Woche angesehen wird und beinahe ausschließlich die Aufmerksamkeit und
das Juteresse in Anspruch nahm. Der erwähnte Act war von dem britischen Ge¬
sandten zum Gegenstand einer besonderen Feierlichkeit im größeren Stil gemacht
worden, indem der osmanische Generalissimus behufs der Empfangnahme persönlich
in das englische Palais eingeladen wurde. Er erschien daselbst mit großem Gefolge,
und kehrte später in demselben feierlichen Aufzuge durch Pera zurück. Ich kann
nicht umhin, Sie bei dieser Gelegenheit auf das durchaus unterschiedliche Benehmen
aufmerksam zu machen, welches die beiden der Pforte verbündeten Regierungen
gegen deren Oberfeldherrn seither inne hielten. England nahm ihn von Anfang
an als einen ergebenen Freund und Anhänger seiner Politik und hielt mit Sorg-
samkeit und unausgesetzt daraus, daß die Beziehungen zwischen der wichtigsten und
einflußreichsten Persönlichkeit des osmanischen Reiches, als die man unbedingt
Omer Pascha bezeichnen kann, und der britischen Negierung, keinen Augenblick unter¬
brochen blieben. Zu dem Ende bediente sich Lord Stratford eines außcrordent-


30 *
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/403>, abgerufen am 22.07.2024.