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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Leichen dieser Fanatiker begraben" schreibt er am 13. August 1863 aus dem
Bivouak Ain Meran. "Niemand ist in diese Höhlen hinabgestiegen, niemand
.... Wer weiß, daß dort unten 300 Räuber liegen, die keine Franzosen
mehr hinschlachten? In einem vertraulichen Bericht habe ich dem Marschall
alles erzählt, einfach, ohne schauerliche Poesie oder Bilder. . . " Und einige
Zeilen weiter fährt er sort: "Bruder, ich bin wie wenige Menschen gut aus
Neigung und aus Charakter. Vom 8. bis zum 12. war ich krank, aber
mein Gewissen macht mir keine Vorwürfe. Ich habe meine Pflicht als Be¬
fehlshaber gethan und morgen würde ich von neuem anfangen, aber Afrika
fängt mich an anzuekeln ..." Das war die berühmte Beduinenräucherei,
die in ganz Europa soviel Aufsehen machte und so gerechten Abscheu erweckte.
Se. Arnaud weiß sich jedoch mit der Nothwendigkeit zu trösten und er geht
über so entsetzliche Ereignisse mit derselben Leichtigkeit hinweg, wie über die
Kalamitäten und Beschwerden, die ihn selbst auf seinen Kriegszügen treffen.
In den schlimmsten Lagen, mitten in den größten Entbehrungen, findet er
noch ein pikantes Wort, einen manchmal frivolen Scherz, der die Stimmung
oder Umgebung auf das treffendste zeichnet: "Welches Land, Brüder, so herr¬
lich bis Hieher! Gegenwärtig ist alles Greuel und Entbehrung (es war auf
dem Marsch nach Konstantine), nächstens werden wir einen ganzen Tag kein
Wasser haben. DaS ist das Schrecklichste von der Welt. Aber -- am Ende
-- wenn der liebe Gott neutral bleibt sind die Kabylen verloren."
"Wir wären in Orleansville beinah verbrannt;" schrieb er im October 1816,
"hätte der Wind seine gewöhnliche Richtung gehabt, so wären unsere Pro¬
viantvorräthe und vielleicht unsere Häuser draufgegcingen, aber Gott blies
Nordwind ... und es ist uns gelungen, alles zu retten, außer ein paar
hundert Centner Gerste . . ." "Wir stecken im Wasser bis über die Ohren,"
schreibt er ein ander Mal am 3. April 18i2, aus dem Bivouak. "Kaum hatten
wir die Beni-Menad und die Beni-Menasses erreicht, so kam die Sündflut
über uns. Mahomet hat offenbar die Woche ...." "Wir haben
Wüstentrüffeln gegessen (Tagüin 13. Mai 1861), die vortrefflich sind. Es ist
eine rundliche Knolle von ausgezeichnetem Geschmack. Die Araber besitzen,
um sie aufzufinden, einen sah wein e in se in et ..." "Dein Brief kam grade
zur rechten Zeit, um mir einen sehr langen, sehr ermüdenden und siroccoschwülen
Tag vergessen zu machen (im Mai 1830), und dazu mußte ich noch einen
Schwanz von 10--I2,gg0 Schafen hinter mir herziehen ... eine Meile
Hammelkeulen .. . meine Razzia ist vortrefflich gelungen ..." In Fonduck
(am 27. August 18A8) ladet er den Scheik eines befreundeten Beduinenstammes
zum Frühstück. "Ich habe ihm seine Gastfreundschaft reichlich vergolten,"
schreibt der Hauptmann Se. Arnaud, "ich habe ihn guttatim benebelt, denn
er wollte Wein nur tropfenweise trinken, aber er hat soviel Tropfen getrunken,


Leichen dieser Fanatiker begraben" schreibt er am 13. August 1863 aus dem
Bivouak Ain Meran. „Niemand ist in diese Höhlen hinabgestiegen, niemand
.... Wer weiß, daß dort unten 300 Räuber liegen, die keine Franzosen
mehr hinschlachten? In einem vertraulichen Bericht habe ich dem Marschall
alles erzählt, einfach, ohne schauerliche Poesie oder Bilder. . . " Und einige
Zeilen weiter fährt er sort: „Bruder, ich bin wie wenige Menschen gut aus
Neigung und aus Charakter. Vom 8. bis zum 12. war ich krank, aber
mein Gewissen macht mir keine Vorwürfe. Ich habe meine Pflicht als Be¬
fehlshaber gethan und morgen würde ich von neuem anfangen, aber Afrika
fängt mich an anzuekeln ..." Das war die berühmte Beduinenräucherei,
die in ganz Europa soviel Aufsehen machte und so gerechten Abscheu erweckte.
Se. Arnaud weiß sich jedoch mit der Nothwendigkeit zu trösten und er geht
über so entsetzliche Ereignisse mit derselben Leichtigkeit hinweg, wie über die
Kalamitäten und Beschwerden, die ihn selbst auf seinen Kriegszügen treffen.
In den schlimmsten Lagen, mitten in den größten Entbehrungen, findet er
noch ein pikantes Wort, einen manchmal frivolen Scherz, der die Stimmung
oder Umgebung auf das treffendste zeichnet: „Welches Land, Brüder, so herr¬
lich bis Hieher! Gegenwärtig ist alles Greuel und Entbehrung (es war auf
dem Marsch nach Konstantine), nächstens werden wir einen ganzen Tag kein
Wasser haben. DaS ist das Schrecklichste von der Welt. Aber — am Ende
— wenn der liebe Gott neutral bleibt sind die Kabylen verloren."
„Wir wären in Orleansville beinah verbrannt;" schrieb er im October 1816,
„hätte der Wind seine gewöhnliche Richtung gehabt, so wären unsere Pro¬
viantvorräthe und vielleicht unsere Häuser draufgegcingen, aber Gott blies
Nordwind ... und es ist uns gelungen, alles zu retten, außer ein paar
hundert Centner Gerste . . ." „Wir stecken im Wasser bis über die Ohren,"
schreibt er ein ander Mal am 3. April 18i2, aus dem Bivouak. „Kaum hatten
wir die Beni-Menad und die Beni-Menasses erreicht, so kam die Sündflut
über uns. Mahomet hat offenbar die Woche ...." „Wir haben
Wüstentrüffeln gegessen (Tagüin 13. Mai 1861), die vortrefflich sind. Es ist
eine rundliche Knolle von ausgezeichnetem Geschmack. Die Araber besitzen,
um sie aufzufinden, einen sah wein e in se in et ..." „Dein Brief kam grade
zur rechten Zeit, um mir einen sehr langen, sehr ermüdenden und siroccoschwülen
Tag vergessen zu machen (im Mai 1830), und dazu mußte ich noch einen
Schwanz von 10—I2,gg0 Schafen hinter mir herziehen ... eine Meile
Hammelkeulen .. . meine Razzia ist vortrefflich gelungen ..." In Fonduck
(am 27. August 18A8) ladet er den Scheik eines befreundeten Beduinenstammes
zum Frühstück. „Ich habe ihm seine Gastfreundschaft reichlich vergolten,"
schreibt der Hauptmann Se. Arnaud, „ich habe ihn guttatim benebelt, denn
er wollte Wein nur tropfenweise trinken, aber er hat soviel Tropfen getrunken,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/389>, abgerufen am 22.07.2024.