Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne zu fragen was seine Ursache und was sein Ziel sei. Ihn reizt darin
nur die gewaltige Gemüthsbewegung, der Ruhm und die Aussicht auf Avance-
mein; die Gefahr und der Lärm der Schlachten ist für ihn die Mutter der Be¬
geisterung. "Wie hättest du mich am 8. umarmt" schreibt er seinem Bruder
aus Blidah im October 18-i-I, "als ich mein Bataillon mit Blut und mit Beute
vom Feinde bedeckt in seine Stellung zurückführte, ich selbst mit blutender
Hand, zerbrochenen Pistol und die Klinge meines Säbels bis über die Hälfte
von Blut geröthet! Das sind schöne Augenblicke, Bruder; man vergißt sie
niemals und sie bringen viele Schmerzen, viele Sorgen in Vergessenheit."
"In welchen Rausch versetzt der Sieg, Bruder (von Ueb Foddah im Februar
-1843); die glückliche Liebe tritt vor diesen Empfindungen in den Schatten."
Dieses Schwelgen in der Aufregung des Krieges, diese Leidenschaft für den
Ruhm tritt allerwärts an das Tageslicht. "Wenn ich Zeit hätte, Dir zu
schreiben (aus Bon" im September -1837), so könnte ich Dir schöne Sachen
erzählen, denn ich habe ein prächtiges Schauspiel vor Augen: 10,000 Mann
im Zeltlager um Bona, ein zahlloser Generalstab, unermeßliches Kriegs¬
material. .. Diese ganze Armee setzt sich ungefähr den 23. in Bewegung und
marschirt aus Konstantine.. . man wird sich schlagen wie sich gehört. -- Ich
selbst, ich lebe, ich athme, ich bin in meinem Element. Der Bivouak, der Marsch
und das Gefecht sind alle für mich eine Freude. Ich muntre meine Soldaten
auf, ich bereite sie vor, ich unterrichte sie und ich glaube, daß ich ihnen
etwas in meinem Knopfloch zu danken haben werde." Eine ganz
ähnliche Aeußerung, nur etwas anders ausgedrückt, findet sich 20 Jahre später,
als der Marschall Se. Arnaud im Mai -1854 in Gallipoli über die Armee
Heerschau hielt, die er zum Siege führen sollte. "Als ich durch die Glieder von
33,000 Franzosen ging, habe ich vor Freude und Stolz geweint." Der
kriegerische Drang, der heiße Durst nach Thaten spricht sich einige Wochen dar¬
nach in Varna noch ungestümer aus. "Was," ruft er aus, "wir sollen weiter nichts
thun, als die Herrschaft über das schwarze Meer behaupten und unbedeutende
Truppenbewegungen unterstützen? Sieht das nicht aus, als ob wir mit über-
einandergeschlagenen Armen stehenbleiben wollten und nicht gekommen wären,
um den Türken zu helfen? Als ich gestern auf den Höhen von Varna die
Diviston Canrobert die Revue pussiren ließ, sprang mir das Herz im Leibe
und ich hatte Lust zurufen: Vorwärts! Wohin könnte man mit solchen Trup¬
pen nicht gehen?" Manchmal ist es, als ob er seiner Bewegung, seiner Kampf¬
lust und seines Muthes nicht mehr Herr wäre; die Aussicht auf einen Zu¬
sammenstoß mit dem Feinde wirkt aus ihn berauschend wie junger Wein auf
den Kops eines unerfahrenen Trinkers; beim nahenden Kriegsgetöse zittert er
vor ungeduldiger Freude wie das Schlachtroß beim Schalle der Trompete. AIS
er in Varna schon halb im Sterben lag, und seinen Körper nur noch die


ohne zu fragen was seine Ursache und was sein Ziel sei. Ihn reizt darin
nur die gewaltige Gemüthsbewegung, der Ruhm und die Aussicht auf Avance-
mein; die Gefahr und der Lärm der Schlachten ist für ihn die Mutter der Be¬
geisterung. „Wie hättest du mich am 8. umarmt" schreibt er seinem Bruder
aus Blidah im October 18-i-I, „als ich mein Bataillon mit Blut und mit Beute
vom Feinde bedeckt in seine Stellung zurückführte, ich selbst mit blutender
Hand, zerbrochenen Pistol und die Klinge meines Säbels bis über die Hälfte
von Blut geröthet! Das sind schöne Augenblicke, Bruder; man vergißt sie
niemals und sie bringen viele Schmerzen, viele Sorgen in Vergessenheit."
„In welchen Rausch versetzt der Sieg, Bruder (von Ueb Foddah im Februar
-1843); die glückliche Liebe tritt vor diesen Empfindungen in den Schatten."
Dieses Schwelgen in der Aufregung des Krieges, diese Leidenschaft für den
Ruhm tritt allerwärts an das Tageslicht. „Wenn ich Zeit hätte, Dir zu
schreiben (aus Bon« im September -1837), so könnte ich Dir schöne Sachen
erzählen, denn ich habe ein prächtiges Schauspiel vor Augen: 10,000 Mann
im Zeltlager um Bona, ein zahlloser Generalstab, unermeßliches Kriegs¬
material. .. Diese ganze Armee setzt sich ungefähr den 23. in Bewegung und
marschirt aus Konstantine.. . man wird sich schlagen wie sich gehört. — Ich
selbst, ich lebe, ich athme, ich bin in meinem Element. Der Bivouak, der Marsch
und das Gefecht sind alle für mich eine Freude. Ich muntre meine Soldaten
auf, ich bereite sie vor, ich unterrichte sie und ich glaube, daß ich ihnen
etwas in meinem Knopfloch zu danken haben werde." Eine ganz
ähnliche Aeußerung, nur etwas anders ausgedrückt, findet sich 20 Jahre später,
als der Marschall Se. Arnaud im Mai -1854 in Gallipoli über die Armee
Heerschau hielt, die er zum Siege führen sollte. „Als ich durch die Glieder von
33,000 Franzosen ging, habe ich vor Freude und Stolz geweint." Der
kriegerische Drang, der heiße Durst nach Thaten spricht sich einige Wochen dar¬
nach in Varna noch ungestümer aus. „Was," ruft er aus, „wir sollen weiter nichts
thun, als die Herrschaft über das schwarze Meer behaupten und unbedeutende
Truppenbewegungen unterstützen? Sieht das nicht aus, als ob wir mit über-
einandergeschlagenen Armen stehenbleiben wollten und nicht gekommen wären,
um den Türken zu helfen? Als ich gestern auf den Höhen von Varna die
Diviston Canrobert die Revue pussiren ließ, sprang mir das Herz im Leibe
und ich hatte Lust zurufen: Vorwärts! Wohin könnte man mit solchen Trup¬
pen nicht gehen?" Manchmal ist es, als ob er seiner Bewegung, seiner Kampf¬
lust und seines Muthes nicht mehr Herr wäre; die Aussicht auf einen Zu¬
sammenstoß mit dem Feinde wirkt aus ihn berauschend wie junger Wein auf
den Kops eines unerfahrenen Trinkers; beim nahenden Kriegsgetöse zittert er
vor ungeduldiger Freude wie das Schlachtroß beim Schalle der Trompete. AIS
er in Varna schon halb im Sterben lag, und seinen Körper nur noch die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100306"/>
          <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124" next="#ID_1126"> ohne zu fragen was seine Ursache und was sein Ziel sei. Ihn reizt darin<lb/>
nur die gewaltige Gemüthsbewegung, der Ruhm und die Aussicht auf Avance-<lb/>
mein; die Gefahr und der Lärm der Schlachten ist für ihn die Mutter der Be¬<lb/>
geisterung. &#x201E;Wie hättest du mich am 8. umarmt" schreibt er seinem Bruder<lb/>
aus Blidah im October 18-i-I, &#x201E;als ich mein Bataillon mit Blut und mit Beute<lb/>
vom Feinde bedeckt in seine Stellung zurückführte, ich selbst mit blutender<lb/>
Hand, zerbrochenen Pistol und die Klinge meines Säbels bis über die Hälfte<lb/>
von Blut geröthet! Das sind schöne Augenblicke, Bruder; man vergißt sie<lb/>
niemals und sie bringen viele Schmerzen, viele Sorgen in Vergessenheit."<lb/>
&#x201E;In welchen Rausch versetzt der Sieg, Bruder (von Ueb Foddah im Februar<lb/>
-1843); die glückliche Liebe tritt vor diesen Empfindungen in den Schatten."<lb/>
Dieses Schwelgen in der Aufregung des Krieges, diese Leidenschaft für den<lb/>
Ruhm tritt allerwärts an das Tageslicht. &#x201E;Wenn ich Zeit hätte, Dir zu<lb/>
schreiben (aus Bon« im September -1837), so könnte ich Dir schöne Sachen<lb/>
erzählen, denn ich habe ein prächtiges Schauspiel vor Augen: 10,000 Mann<lb/>
im Zeltlager um Bona, ein zahlloser Generalstab, unermeßliches Kriegs¬<lb/>
material. .. Diese ganze Armee setzt sich ungefähr den 23. in Bewegung und<lb/>
marschirt aus Konstantine.. . man wird sich schlagen wie sich gehört. &#x2014; Ich<lb/>
selbst, ich lebe, ich athme, ich bin in meinem Element. Der Bivouak, der Marsch<lb/>
und das Gefecht sind alle für mich eine Freude. Ich muntre meine Soldaten<lb/>
auf, ich bereite sie vor, ich unterrichte sie und ich glaube, daß ich ihnen<lb/>
etwas in meinem Knopfloch zu danken haben werde." Eine ganz<lb/>
ähnliche Aeußerung, nur etwas anders ausgedrückt, findet sich 20 Jahre später,<lb/>
als der Marschall Se. Arnaud im Mai -1854 in Gallipoli über die Armee<lb/>
Heerschau hielt, die er zum Siege führen sollte. &#x201E;Als ich durch die Glieder von<lb/>
33,000 Franzosen ging, habe ich vor Freude und Stolz geweint." Der<lb/>
kriegerische Drang, der heiße Durst nach Thaten spricht sich einige Wochen dar¬<lb/>
nach in Varna noch ungestümer aus. &#x201E;Was," ruft er aus, &#x201E;wir sollen weiter nichts<lb/>
thun, als die Herrschaft über das schwarze Meer behaupten und unbedeutende<lb/>
Truppenbewegungen unterstützen? Sieht das nicht aus, als ob wir mit über-<lb/>
einandergeschlagenen Armen stehenbleiben wollten und nicht gekommen wären,<lb/>
um den Türken zu helfen? Als ich gestern auf den Höhen von Varna die<lb/>
Diviston Canrobert die Revue pussiren ließ, sprang mir das Herz im Leibe<lb/>
und ich hatte Lust zurufen: Vorwärts! Wohin könnte man mit solchen Trup¬<lb/>
pen nicht gehen?" Manchmal ist es, als ob er seiner Bewegung, seiner Kampf¬<lb/>
lust und seines Muthes nicht mehr Herr wäre; die Aussicht auf einen Zu¬<lb/>
sammenstoß mit dem Feinde wirkt aus ihn berauschend wie junger Wein auf<lb/>
den Kops eines unerfahrenen Trinkers; beim nahenden Kriegsgetöse zittert er<lb/>
vor ungeduldiger Freude wie das Schlachtroß beim Schalle der Trompete. AIS<lb/>
er in Varna schon halb im Sterben lag, und seinen Körper nur noch die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0386] ohne zu fragen was seine Ursache und was sein Ziel sei. Ihn reizt darin nur die gewaltige Gemüthsbewegung, der Ruhm und die Aussicht auf Avance- mein; die Gefahr und der Lärm der Schlachten ist für ihn die Mutter der Be¬ geisterung. „Wie hättest du mich am 8. umarmt" schreibt er seinem Bruder aus Blidah im October 18-i-I, „als ich mein Bataillon mit Blut und mit Beute vom Feinde bedeckt in seine Stellung zurückführte, ich selbst mit blutender Hand, zerbrochenen Pistol und die Klinge meines Säbels bis über die Hälfte von Blut geröthet! Das sind schöne Augenblicke, Bruder; man vergißt sie niemals und sie bringen viele Schmerzen, viele Sorgen in Vergessenheit." „In welchen Rausch versetzt der Sieg, Bruder (von Ueb Foddah im Februar -1843); die glückliche Liebe tritt vor diesen Empfindungen in den Schatten." Dieses Schwelgen in der Aufregung des Krieges, diese Leidenschaft für den Ruhm tritt allerwärts an das Tageslicht. „Wenn ich Zeit hätte, Dir zu schreiben (aus Bon« im September -1837), so könnte ich Dir schöne Sachen erzählen, denn ich habe ein prächtiges Schauspiel vor Augen: 10,000 Mann im Zeltlager um Bona, ein zahlloser Generalstab, unermeßliches Kriegs¬ material. .. Diese ganze Armee setzt sich ungefähr den 23. in Bewegung und marschirt aus Konstantine.. . man wird sich schlagen wie sich gehört. — Ich selbst, ich lebe, ich athme, ich bin in meinem Element. Der Bivouak, der Marsch und das Gefecht sind alle für mich eine Freude. Ich muntre meine Soldaten auf, ich bereite sie vor, ich unterrichte sie und ich glaube, daß ich ihnen etwas in meinem Knopfloch zu danken haben werde." Eine ganz ähnliche Aeußerung, nur etwas anders ausgedrückt, findet sich 20 Jahre später, als der Marschall Se. Arnaud im Mai -1854 in Gallipoli über die Armee Heerschau hielt, die er zum Siege führen sollte. „Als ich durch die Glieder von 33,000 Franzosen ging, habe ich vor Freude und Stolz geweint." Der kriegerische Drang, der heiße Durst nach Thaten spricht sich einige Wochen dar¬ nach in Varna noch ungestümer aus. „Was," ruft er aus, „wir sollen weiter nichts thun, als die Herrschaft über das schwarze Meer behaupten und unbedeutende Truppenbewegungen unterstützen? Sieht das nicht aus, als ob wir mit über- einandergeschlagenen Armen stehenbleiben wollten und nicht gekommen wären, um den Türken zu helfen? Als ich gestern auf den Höhen von Varna die Diviston Canrobert die Revue pussiren ließ, sprang mir das Herz im Leibe und ich hatte Lust zurufen: Vorwärts! Wohin könnte man mit solchen Trup¬ pen nicht gehen?" Manchmal ist es, als ob er seiner Bewegung, seiner Kampf¬ lust und seines Muthes nicht mehr Herr wäre; die Aussicht auf einen Zu¬ sammenstoß mit dem Feinde wirkt aus ihn berauschend wie junger Wein auf den Kops eines unerfahrenen Trinkers; beim nahenden Kriegsgetöse zittert er vor ungeduldiger Freude wie das Schlachtroß beim Schalle der Trompete. AIS er in Varna schon halb im Sterben lag, und seinen Körper nur noch die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/386
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/386>, abgerufen am 23.12.2024.