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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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wie General Pelissier das sechzigste Jahr bereits passirt hat. Aber eben jene gerühmte
Energie ließ mich erwarten, daß sie alles überwinden werde. Darin nun habe ich
mich entschieden getäuscht. Wenn nach der einen Seite den jetzigen französischen
General en chef seine im voraus ausgesprochene Meinung, daß Sebastopol durch
den directen Angriff zum Fall gebracht werden könne, in den Kreis dieser Festung
gebannt hielt, wirkte ans sein Verbleiben daselbst von der anderen Seite auch der
Umstand ein, daß ein fixirtes Hauptquartier, wie es der Commandant einer Be¬
lagerungsarmee einnimmt, einem ambulanten vorzuziehen ist, welches eine nothwendige
Konsequenz der Verlegung der Operationen ins sreie Feld sein würde.

Man wolle sich einmal recht lebhast in die Lage und in die Pflichten des Chefs
eines mobilen Opcrationsheeres auf dem Marsch hinein versetzen. Für ihn hat die
Nacht beinahe mehr Beschwerden, wie der Tag. Die Bivouacs sind von den
Truppen am späten Abend eingenommen und darnach die Vorposten ausgestellt
worden. Von diesen ans kommen die Meldungen, aus Grund welcher nun neue
Entschlüsse zu treffen sind, wol nicht vor Mitternacht ins Hauptquartier. Sie er¬
heischen eine sorgsame Kritik, Zusammenstellung, Vergleichung. zuweilen eine nach¬
trägliche Untersuchung. Die Hand des Chefs muß in Dingen der Art sehr geübt
sein, wenn er bis Tagesanbruch auf Grund der eingezogenen Nachrichten seine Dis¬
positionen getroffen hat. Es wird häufig vorkommen, daß bis einige Stunden nach
Sonnenaufgang noch nicht darüber entschieden ist, und der Ausbruch der Armee sich
bis Mittag verzögert.

General Canrobert, wiewol ein Vierziger in Jahren, ermangelte des Charak¬
ters, der moralischen Stärke, wie es scheint, um solche Pflichten aus sich zu nehmen,
und General Pelissier, ein Sechziger, ermangelt der physischen Kraft. Ein neuer
Feldherr wird nach Verlauf einer längeren oder kürzeren Zeir unfehlbar in Paris
erwählt werden müssen. Möge alsdann die Auswahl auf einen Mann fallen, bei
dem Charakter und physische Fähigkeit sich im Gleichgewicht befinden, und beide den
Anforderungen des Feldkrieges gewachsen sind.

Wer mich bei Lesung dieser Entwicklung an Blücher und Radetzki erinnern
möchte, der wolle gütigst bedenken, daß hinter jenen beiden Helden ein Generalstab
stand, der alles ans sich nahm. Sie hatten beide nur ihren Namen und ihre
äußere Persönlichkeit zu leihen während die eigentlichen Fäden der Leitung in den
Händen eines Gneisenau und Clausewitz, Haß und Schönhals ruheten.


Reiselitemtltr.

-- Die afrikanische Wüste vom Grasen D'Escayrac de
öantnre. Leipzig, Lorck. -- Ein höchst interessantes und für die Kenntniß jener
seltsamen Gegenden unentbehrliches Werk, die Frucht ernster Studien und vielseitiger
Anschauung. Mit Recht bemerkt der Herausgeber, Karl Andree, daß schon die
Persönlichkeit des Verfassers uns Theilnahme abgewinnt. "Schon als Jüngling
empfindet er Abneigung gegen das unruhige Treiben in der Hauptstadt seines Vater¬
landes, er sehnt sich von der Seine weg an den fernen Nil; und in der bunten
pariser Gesellschaft mit ihren glänzenden Nichtigkeiten empfindet er einen unwider¬
stehlichen Hang, die gelbe einförmige Wüste auszusuchen. Nachdem er sich genügend
vorbereitet hat, steuert er nach Afrika hinüber, wird ein Wanderer in der Sahara
und ein Schiffer auf dem Ocean. Wir finden, daß er eine große Energie des


wie General Pelissier das sechzigste Jahr bereits passirt hat. Aber eben jene gerühmte
Energie ließ mich erwarten, daß sie alles überwinden werde. Darin nun habe ich
mich entschieden getäuscht. Wenn nach der einen Seite den jetzigen französischen
General en chef seine im voraus ausgesprochene Meinung, daß Sebastopol durch
den directen Angriff zum Fall gebracht werden könne, in den Kreis dieser Festung
gebannt hielt, wirkte ans sein Verbleiben daselbst von der anderen Seite auch der
Umstand ein, daß ein fixirtes Hauptquartier, wie es der Commandant einer Be¬
lagerungsarmee einnimmt, einem ambulanten vorzuziehen ist, welches eine nothwendige
Konsequenz der Verlegung der Operationen ins sreie Feld sein würde.

Man wolle sich einmal recht lebhast in die Lage und in die Pflichten des Chefs
eines mobilen Opcrationsheeres auf dem Marsch hinein versetzen. Für ihn hat die
Nacht beinahe mehr Beschwerden, wie der Tag. Die Bivouacs sind von den
Truppen am späten Abend eingenommen und darnach die Vorposten ausgestellt
worden. Von diesen ans kommen die Meldungen, aus Grund welcher nun neue
Entschlüsse zu treffen sind, wol nicht vor Mitternacht ins Hauptquartier. Sie er¬
heischen eine sorgsame Kritik, Zusammenstellung, Vergleichung. zuweilen eine nach¬
trägliche Untersuchung. Die Hand des Chefs muß in Dingen der Art sehr geübt
sein, wenn er bis Tagesanbruch auf Grund der eingezogenen Nachrichten seine Dis¬
positionen getroffen hat. Es wird häufig vorkommen, daß bis einige Stunden nach
Sonnenaufgang noch nicht darüber entschieden ist, und der Ausbruch der Armee sich
bis Mittag verzögert.

General Canrobert, wiewol ein Vierziger in Jahren, ermangelte des Charak¬
ters, der moralischen Stärke, wie es scheint, um solche Pflichten aus sich zu nehmen,
und General Pelissier, ein Sechziger, ermangelt der physischen Kraft. Ein neuer
Feldherr wird nach Verlauf einer längeren oder kürzeren Zeir unfehlbar in Paris
erwählt werden müssen. Möge alsdann die Auswahl auf einen Mann fallen, bei
dem Charakter und physische Fähigkeit sich im Gleichgewicht befinden, und beide den
Anforderungen des Feldkrieges gewachsen sind.

Wer mich bei Lesung dieser Entwicklung an Blücher und Radetzki erinnern
möchte, der wolle gütigst bedenken, daß hinter jenen beiden Helden ein Generalstab
stand, der alles ans sich nahm. Sie hatten beide nur ihren Namen und ihre
äußere Persönlichkeit zu leihen während die eigentlichen Fäden der Leitung in den
Händen eines Gneisenau und Clausewitz, Haß und Schönhals ruheten.


Reiselitemtltr.

— Die afrikanische Wüste vom Grasen D'Escayrac de
öantnre. Leipzig, Lorck. — Ein höchst interessantes und für die Kenntniß jener
seltsamen Gegenden unentbehrliches Werk, die Frucht ernster Studien und vielseitiger
Anschauung. Mit Recht bemerkt der Herausgeber, Karl Andree, daß schon die
Persönlichkeit des Verfassers uns Theilnahme abgewinnt. „Schon als Jüngling
empfindet er Abneigung gegen das unruhige Treiben in der Hauptstadt seines Vater¬
landes, er sehnt sich von der Seine weg an den fernen Nil; und in der bunten
pariser Gesellschaft mit ihren glänzenden Nichtigkeiten empfindet er einen unwider¬
stehlichen Hang, die gelbe einförmige Wüste auszusuchen. Nachdem er sich genügend
vorbereitet hat, steuert er nach Afrika hinüber, wird ein Wanderer in der Sahara
und ein Schiffer auf dem Ocean. Wir finden, daß er eine große Energie des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/324>, abgerufen am 22.12.2024.