Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Südseecompagnie wurden auf immer für unfähig erklärt, im Parlament zu
sitzen und ihr Vermögen von über zwei Millionen Pfund Sterling zum Besten
derer, welche durch das Unternehmen gelitten hatten, in Beschlag genommen.
Es gehörte Walpoles ganzes finanzielles Genie dazu, um den öffentlichen Credit
wieder herzustellen.

Jene Zeit war auch Zeugin der Geburt der ersten Börsenente. Sir Henry
Furnese, ein Director der englischen Bank, war damals der Rothschild der
londoner Börse. Er war der erste, der über das ganze Festland ein System
von Nachrichtenbureaur organisirte, das ihn in den Stand setzte, früher als
alle andern und selbst früher als die Negierung Kunde von allem Wichtigen,
was in Frankreich, Holland oder Deutschland geschah, zu haben, wie ja auch
aus Rothschilds Munde im Juli -1830 Lord Aberdeen die erste Nachricht von
der Juliusrevolutivn erhielt. Aber Sir Henry Furnese begnügte sich nicht
mit den ehrlichen Vortheilen, die ihm sein Correspondentennetz gab. "Er
fabricirte Nachrichten," sagt Mr. Francis, "brachte falsche Gerüchte in Umlauf
und war der erste Erfinder der Machinationen, welche in unsern Zeiten oft so
schlimme Nachwirkungen gehabt haben. Wenn Sir Henry Furnese kaufen
wollte, so hatten seine Agenten Befehl, ein bedenkliches Gesicht zu machen,
eine geheimnißvolle Miene anzunehmen und glauben zu machen, es seien
wichtige Neuigkeiten im Anzüge; endlich schlössen sie Verkäufe ab. Alle ihre
Bewegungen wurden auf das sorgfältigste beobachtet, die Speculanten bekamen
Angst und die Course sanken um vier bis fünf Procent; Bankerottörs und
Menschen ohne Mittel versuchten die Schwindeleien der Millionäre nachzu¬
machen und oft mit demselben Erfolg."

Wol eine der ersten und eine mit vielem Aufwand von Apparat erfundene
Börsenente flog im Jahr -17-13 auf. Es war die Zeit des ersten Jacobiten-
aufstandes in Schottland und die Nachricht von der Gefangennahme des
Prätendenten mußte das Glück der Haussiers machen. Eines Tages sah man
eine mit vier Personen besetzte Kutsche in größter Eile nach dem schottischen
Seehafen Montrose zu fahren; aber ehe die Reisenden dieses Ziel erreichten,
und während sie in einer kleinen Stadt anhielten, um Erfrischungen einzuneh¬
men, wird der Wagen plötzlich von einem Zug königlicher Truppen umringt
und die Darinsitzenden werden nach einigem Widerstand verhaftet und müssen
ihre Reise, anstatt nach Montrose, südwärts nach London fortsetzen. Natürlich
verbreitete sich die Nachricht, daß der Prätendent auf einem Fluchtversuch ver¬
haftet worden und jetzt nach dem Tower unterwegs sei, mit der Schnelligkeit,
die in jener Zeit langsamer Communication überhaupt möglich war. Wir
brauchen wol nicht hinzuzusetzen, daß sämmtliche in dem Auftritt Agirende bloße
Masken waren, und daß die Komödie denen, die sie von London aus veran¬
staltet hatten, eine reiche Quelle des Gewinns erschloß. Die Baissiers nahmen


der Südseecompagnie wurden auf immer für unfähig erklärt, im Parlament zu
sitzen und ihr Vermögen von über zwei Millionen Pfund Sterling zum Besten
derer, welche durch das Unternehmen gelitten hatten, in Beschlag genommen.
Es gehörte Walpoles ganzes finanzielles Genie dazu, um den öffentlichen Credit
wieder herzustellen.

Jene Zeit war auch Zeugin der Geburt der ersten Börsenente. Sir Henry
Furnese, ein Director der englischen Bank, war damals der Rothschild der
londoner Börse. Er war der erste, der über das ganze Festland ein System
von Nachrichtenbureaur organisirte, das ihn in den Stand setzte, früher als
alle andern und selbst früher als die Negierung Kunde von allem Wichtigen,
was in Frankreich, Holland oder Deutschland geschah, zu haben, wie ja auch
aus Rothschilds Munde im Juli -1830 Lord Aberdeen die erste Nachricht von
der Juliusrevolutivn erhielt. Aber Sir Henry Furnese begnügte sich nicht
mit den ehrlichen Vortheilen, die ihm sein Correspondentennetz gab. „Er
fabricirte Nachrichten," sagt Mr. Francis, „brachte falsche Gerüchte in Umlauf
und war der erste Erfinder der Machinationen, welche in unsern Zeiten oft so
schlimme Nachwirkungen gehabt haben. Wenn Sir Henry Furnese kaufen
wollte, so hatten seine Agenten Befehl, ein bedenkliches Gesicht zu machen,
eine geheimnißvolle Miene anzunehmen und glauben zu machen, es seien
wichtige Neuigkeiten im Anzüge; endlich schlössen sie Verkäufe ab. Alle ihre
Bewegungen wurden auf das sorgfältigste beobachtet, die Speculanten bekamen
Angst und die Course sanken um vier bis fünf Procent; Bankerottörs und
Menschen ohne Mittel versuchten die Schwindeleien der Millionäre nachzu¬
machen und oft mit demselben Erfolg."

Wol eine der ersten und eine mit vielem Aufwand von Apparat erfundene
Börsenente flog im Jahr -17-13 auf. Es war die Zeit des ersten Jacobiten-
aufstandes in Schottland und die Nachricht von der Gefangennahme des
Prätendenten mußte das Glück der Haussiers machen. Eines Tages sah man
eine mit vier Personen besetzte Kutsche in größter Eile nach dem schottischen
Seehafen Montrose zu fahren; aber ehe die Reisenden dieses Ziel erreichten,
und während sie in einer kleinen Stadt anhielten, um Erfrischungen einzuneh¬
men, wird der Wagen plötzlich von einem Zug königlicher Truppen umringt
und die Darinsitzenden werden nach einigem Widerstand verhaftet und müssen
ihre Reise, anstatt nach Montrose, südwärts nach London fortsetzen. Natürlich
verbreitete sich die Nachricht, daß der Prätendent auf einem Fluchtversuch ver¬
haftet worden und jetzt nach dem Tower unterwegs sei, mit der Schnelligkeit,
die in jener Zeit langsamer Communication überhaupt möglich war. Wir
brauchen wol nicht hinzuzusetzen, daß sämmtliche in dem Auftritt Agirende bloße
Masken waren, und daß die Komödie denen, die sie von London aus veran¬
staltet hatten, eine reiche Quelle des Gewinns erschloß. Die Baissiers nahmen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100186"/>
          <p xml:id="ID_785" prev="#ID_784"> der Südseecompagnie wurden auf immer für unfähig erklärt, im Parlament zu<lb/>
sitzen und ihr Vermögen von über zwei Millionen Pfund Sterling zum Besten<lb/>
derer, welche durch das Unternehmen gelitten hatten, in Beschlag genommen.<lb/>
Es gehörte Walpoles ganzes finanzielles Genie dazu, um den öffentlichen Credit<lb/>
wieder herzustellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_786"> Jene Zeit war auch Zeugin der Geburt der ersten Börsenente. Sir Henry<lb/>
Furnese, ein Director der englischen Bank, war damals der Rothschild der<lb/>
londoner Börse. Er war der erste, der über das ganze Festland ein System<lb/>
von Nachrichtenbureaur organisirte, das ihn in den Stand setzte, früher als<lb/>
alle andern und selbst früher als die Negierung Kunde von allem Wichtigen,<lb/>
was in Frankreich, Holland oder Deutschland geschah, zu haben, wie ja auch<lb/>
aus Rothschilds Munde im Juli -1830 Lord Aberdeen die erste Nachricht von<lb/>
der Juliusrevolutivn erhielt. Aber Sir Henry Furnese begnügte sich nicht<lb/>
mit den ehrlichen Vortheilen, die ihm sein Correspondentennetz gab. &#x201E;Er<lb/>
fabricirte Nachrichten," sagt Mr. Francis, &#x201E;brachte falsche Gerüchte in Umlauf<lb/>
und war der erste Erfinder der Machinationen, welche in unsern Zeiten oft so<lb/>
schlimme Nachwirkungen gehabt haben. Wenn Sir Henry Furnese kaufen<lb/>
wollte, so hatten seine Agenten Befehl, ein bedenkliches Gesicht zu machen,<lb/>
eine geheimnißvolle Miene anzunehmen und glauben zu machen, es seien<lb/>
wichtige Neuigkeiten im Anzüge; endlich schlössen sie Verkäufe ab. Alle ihre<lb/>
Bewegungen wurden auf das sorgfältigste beobachtet, die Speculanten bekamen<lb/>
Angst und die Course sanken um vier bis fünf Procent; Bankerottörs und<lb/>
Menschen ohne Mittel versuchten die Schwindeleien der Millionäre nachzu¬<lb/>
machen und oft mit demselben Erfolg."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_787" next="#ID_788"> Wol eine der ersten und eine mit vielem Aufwand von Apparat erfundene<lb/>
Börsenente flog im Jahr -17-13 auf. Es war die Zeit des ersten Jacobiten-<lb/>
aufstandes in Schottland und die Nachricht von der Gefangennahme des<lb/>
Prätendenten mußte das Glück der Haussiers machen. Eines Tages sah man<lb/>
eine mit vier Personen besetzte Kutsche in größter Eile nach dem schottischen<lb/>
Seehafen Montrose zu fahren; aber ehe die Reisenden dieses Ziel erreichten,<lb/>
und während sie in einer kleinen Stadt anhielten, um Erfrischungen einzuneh¬<lb/>
men, wird der Wagen plötzlich von einem Zug königlicher Truppen umringt<lb/>
und die Darinsitzenden werden nach einigem Widerstand verhaftet und müssen<lb/>
ihre Reise, anstatt nach Montrose, südwärts nach London fortsetzen. Natürlich<lb/>
verbreitete sich die Nachricht, daß der Prätendent auf einem Fluchtversuch ver¬<lb/>
haftet worden und jetzt nach dem Tower unterwegs sei, mit der Schnelligkeit,<lb/>
die in jener Zeit langsamer Communication überhaupt möglich war. Wir<lb/>
brauchen wol nicht hinzuzusetzen, daß sämmtliche in dem Auftritt Agirende bloße<lb/>
Masken waren, und daß die Komödie denen, die sie von London aus veran¬<lb/>
staltet hatten, eine reiche Quelle des Gewinns erschloß. Die Baissiers nahmen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0266] der Südseecompagnie wurden auf immer für unfähig erklärt, im Parlament zu sitzen und ihr Vermögen von über zwei Millionen Pfund Sterling zum Besten derer, welche durch das Unternehmen gelitten hatten, in Beschlag genommen. Es gehörte Walpoles ganzes finanzielles Genie dazu, um den öffentlichen Credit wieder herzustellen. Jene Zeit war auch Zeugin der Geburt der ersten Börsenente. Sir Henry Furnese, ein Director der englischen Bank, war damals der Rothschild der londoner Börse. Er war der erste, der über das ganze Festland ein System von Nachrichtenbureaur organisirte, das ihn in den Stand setzte, früher als alle andern und selbst früher als die Negierung Kunde von allem Wichtigen, was in Frankreich, Holland oder Deutschland geschah, zu haben, wie ja auch aus Rothschilds Munde im Juli -1830 Lord Aberdeen die erste Nachricht von der Juliusrevolutivn erhielt. Aber Sir Henry Furnese begnügte sich nicht mit den ehrlichen Vortheilen, die ihm sein Correspondentennetz gab. „Er fabricirte Nachrichten," sagt Mr. Francis, „brachte falsche Gerüchte in Umlauf und war der erste Erfinder der Machinationen, welche in unsern Zeiten oft so schlimme Nachwirkungen gehabt haben. Wenn Sir Henry Furnese kaufen wollte, so hatten seine Agenten Befehl, ein bedenkliches Gesicht zu machen, eine geheimnißvolle Miene anzunehmen und glauben zu machen, es seien wichtige Neuigkeiten im Anzüge; endlich schlössen sie Verkäufe ab. Alle ihre Bewegungen wurden auf das sorgfältigste beobachtet, die Speculanten bekamen Angst und die Course sanken um vier bis fünf Procent; Bankerottörs und Menschen ohne Mittel versuchten die Schwindeleien der Millionäre nachzu¬ machen und oft mit demselben Erfolg." Wol eine der ersten und eine mit vielem Aufwand von Apparat erfundene Börsenente flog im Jahr -17-13 auf. Es war die Zeit des ersten Jacobiten- aufstandes in Schottland und die Nachricht von der Gefangennahme des Prätendenten mußte das Glück der Haussiers machen. Eines Tages sah man eine mit vier Personen besetzte Kutsche in größter Eile nach dem schottischen Seehafen Montrose zu fahren; aber ehe die Reisenden dieses Ziel erreichten, und während sie in einer kleinen Stadt anhielten, um Erfrischungen einzuneh¬ men, wird der Wagen plötzlich von einem Zug königlicher Truppen umringt und die Darinsitzenden werden nach einigem Widerstand verhaftet und müssen ihre Reise, anstatt nach Montrose, südwärts nach London fortsetzen. Natürlich verbreitete sich die Nachricht, daß der Prätendent auf einem Fluchtversuch ver¬ haftet worden und jetzt nach dem Tower unterwegs sei, mit der Schnelligkeit, die in jener Zeit langsamer Communication überhaupt möglich war. Wir brauchen wol nicht hinzuzusetzen, daß sämmtliche in dem Auftritt Agirende bloße Masken waren, und daß die Komödie denen, die sie von London aus veran¬ staltet hatten, eine reiche Quelle des Gewinns erschloß. Die Baissiers nahmen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/266
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/266>, abgerufen am 22.07.2024.