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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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und fieberhaft erregten Menschenmenge angefüllt, welche vergaß , zum Essen zu
gehen, keinen andern Hunger oder Durst zu fühlen schien als nach Gold, und
sich nicht eher zerstreute, als bis mit Einbruch der Nacht eine Glocke das Zei¬
chen zum Nachhausegehen gab. Das kleinste Kämmerchen in dieser Straße
wurde zu den ausschweifendsten Preisen vermiethet. Die Schreiber sahen sich
halv außer Stande. ,die täglich wachsende Zahl der Subscribenten einzuzeich¬
nen ; und man erzählt sogar, daß ein kleiner Buckliger sich auf der Straße
öl),000 Franken damit verdiente, daß er ungeduldigen Speculanten seinen
Rücken als Schreibpult anbot. Law, der Urheber des Unternehmens, war
auf einmal zum größten Unterthanen in Europa geworden. " Ich habe ihn
nach Hofe gehen sehen," sagt Voltaire, "ehrerbietig geleitet von Herzögen,
Marschällen und Bischöfen." Und sogar Dubois, der Premierminister und der
Prinzregcnt selbst zitterten vor ihm. Wie schmählich er zusammenbrach, ist allge¬
mein bekannt. Der Staat wurde durch ihn fünfzehnhundert Millionen Schulden
los, er selbst mußte, um sein nacktes Leben zu retten, aus Frankreich entflie¬
hen; einige wenige Speculanten wurden reich, aber viele tausend unschuldige
Familien waren zu Grunde gerichtet.

Die Südseecompagnie in England begann ihre Unternehmungen im
April 1720. Im August stiegen die Actien von -130 bereits auf 1000. Die
Directoren der Compagnie eröffneten, nachdem bereits zwei Ziehungen überreich¬
licher Ertrag geliefert hatten, eine dritte und vierte Subscription, und decretir-
ten, daß von Weihnachten nächsten Jahres die Dividende nicht unter 50 Pro¬
cent sein sollte. Der glückliche Fortgang des Unternehmens rief bald noch
tausend andere Unternehmungen hervor; selbst der Thronerbe stellte sich an die
Spitze einer Waleskupfergesellschaft, obgleich alle Actienunternehmungen, die
das Parlament nicht ausdrücklich privilegirt hatte, gesetzlich verboten waren-
Erst die Drohung der gerichtlichen Verfolgung gegen die Compagnie vermochte
den Prinzen sich zurückzuziehen, nachdem er 40,000 Pfund gewonnen hatte.
Auch den Herzog von Chandos und den Grafen von Westmoreland sah man
als Directoren, an der Spitze von Schwindelunternehmungen figuriren, und
bald überzeugte sich auch das große Publicum, daß Speculiren, leichter sei, als
Arbeiten. "Chance Ulley," berichtet Lord Mahon in seiner Geschichte Englands,
"wurde seit dem utrechter Frieden eine, neue Ausgabe der Straße Quinccimpoir.
Die Häuser selbst wurden so gedrängt voll, daß man Tische mit Schreiber"
auf die Straße setzen mußte. In diesem bunten Gewühl sah man , alle Stände,
alle Gewerbe und alle Parteien untereinandergemengt; Hochkirchenleute und
Dissenters, Whigs und Tories,, Landedelleute und Makler. Ein heißer Zungen¬
kampf herrschte in diesem zweiten Babel. -- Neue Reports, neue Zeichnungen,
neue Uebertragungen flogen von Mund zu Mund, und Damenstimmen (denn
selbst viele Damen speculirten an der Börse) erhoben sich gellend und uner-


und fieberhaft erregten Menschenmenge angefüllt, welche vergaß , zum Essen zu
gehen, keinen andern Hunger oder Durst zu fühlen schien als nach Gold, und
sich nicht eher zerstreute, als bis mit Einbruch der Nacht eine Glocke das Zei¬
chen zum Nachhausegehen gab. Das kleinste Kämmerchen in dieser Straße
wurde zu den ausschweifendsten Preisen vermiethet. Die Schreiber sahen sich
halv außer Stande. ,die täglich wachsende Zahl der Subscribenten einzuzeich¬
nen ; und man erzählt sogar, daß ein kleiner Buckliger sich auf der Straße
öl),000 Franken damit verdiente, daß er ungeduldigen Speculanten seinen
Rücken als Schreibpult anbot. Law, der Urheber des Unternehmens, war
auf einmal zum größten Unterthanen in Europa geworden. „ Ich habe ihn
nach Hofe gehen sehen," sagt Voltaire, „ehrerbietig geleitet von Herzögen,
Marschällen und Bischöfen." Und sogar Dubois, der Premierminister und der
Prinzregcnt selbst zitterten vor ihm. Wie schmählich er zusammenbrach, ist allge¬
mein bekannt. Der Staat wurde durch ihn fünfzehnhundert Millionen Schulden
los, er selbst mußte, um sein nacktes Leben zu retten, aus Frankreich entflie¬
hen; einige wenige Speculanten wurden reich, aber viele tausend unschuldige
Familien waren zu Grunde gerichtet.

Die Südseecompagnie in England begann ihre Unternehmungen im
April 1720. Im August stiegen die Actien von -130 bereits auf 1000. Die
Directoren der Compagnie eröffneten, nachdem bereits zwei Ziehungen überreich¬
licher Ertrag geliefert hatten, eine dritte und vierte Subscription, und decretir-
ten, daß von Weihnachten nächsten Jahres die Dividende nicht unter 50 Pro¬
cent sein sollte. Der glückliche Fortgang des Unternehmens rief bald noch
tausend andere Unternehmungen hervor; selbst der Thronerbe stellte sich an die
Spitze einer Waleskupfergesellschaft, obgleich alle Actienunternehmungen, die
das Parlament nicht ausdrücklich privilegirt hatte, gesetzlich verboten waren-
Erst die Drohung der gerichtlichen Verfolgung gegen die Compagnie vermochte
den Prinzen sich zurückzuziehen, nachdem er 40,000 Pfund gewonnen hatte.
Auch den Herzog von Chandos und den Grafen von Westmoreland sah man
als Directoren, an der Spitze von Schwindelunternehmungen figuriren, und
bald überzeugte sich auch das große Publicum, daß Speculiren, leichter sei, als
Arbeiten. „Chance Ulley," berichtet Lord Mahon in seiner Geschichte Englands,
„wurde seit dem utrechter Frieden eine, neue Ausgabe der Straße Quinccimpoir.
Die Häuser selbst wurden so gedrängt voll, daß man Tische mit Schreiber»
auf die Straße setzen mußte. In diesem bunten Gewühl sah man , alle Stände,
alle Gewerbe und alle Parteien untereinandergemengt; Hochkirchenleute und
Dissenters, Whigs und Tories,, Landedelleute und Makler. Ein heißer Zungen¬
kampf herrschte in diesem zweiten Babel. — Neue Reports, neue Zeichnungen,
neue Uebertragungen flogen von Mund zu Mund, und Damenstimmen (denn
selbst viele Damen speculirten an der Börse) erhoben sich gellend und uner-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/264>, abgerufen am 22.12.2024.