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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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der Betrüger, abgefeimter Nänkemacher, schlauer Rädelsführer, ehemaliger
Sklave und Bankrotteur, blos durch Betrug heilig geworden, ein Ketzer
ärgster Art, und der Papst vorher, Zephyrinus, sei ein "geldgieriger Schwach¬
kopf" gewesen. Zu Paris hatte man keine Lust, die Chronique scandaleuse
der Curie mit diesem neuen Stück zu bereichern, dagegen übernahm die Orfor¬
der Universität die Herausgabe, die Miller leitete, indem er wenigstens ein
Drittel der sinnentstellendsten Schreibfehler des copirenden Mönches im Drucke
berichtigte, sonst aber das Manuskript buchstäblich veröffentlichte.

Es ist begreiflich, daß dies neuentdeckte Stück Papstgeschichte, an dessen
Echtheit in der That niemand hat zweifeln können, das größte Aufsehen ge¬
macht hat. Wer hat das Werk verfaßt, wie ist es näher zu begreifen?

Die von Miller noch hingenommene Angabe des Coder selbst, Origines
sei der Verfasser, leuchtete alsbald als ganz irrig ein; nur ein römischer Geist¬
licher selbst konnte der Verfasser sein und es blieb nach allem nur die Wahl
zwischen zwei Schriftstellern dieser Zeit, einem Gegner der Montanisten, Caius,
dem auch noch viele andre Schriften antihäretischer Art zugeschrieben werden
und der ein Römer ist, und dem durch Photius und andre Griechen bekannten
Verfasser einer allgemeinen Ketzerbekämpfung, dem Hippolytus, der demnach
nicht mehr blos nach der Statue als Angehöriger Roms erscheinen würde.
Für diesen letztern haben sich die meisten erklärt, insbesondere nach Jacobi der
Ritter und Doctor Jvstas von Bunsen, der alles gelöst fand, wenn man nur
die eine Angabe festhalte, Hippolyt sei wirklich Bischof von Portus bei Rom
gewesen, als solcher habe er zu den Suburbanbischöfen von Rom gehört, als
solcher das Klagemanisest gegen die römischen Bischöfe geschleudert und mit
-allem Grund.

Ja der phantasiereiche Mann hat an das neuentdeckte Werk die weit-
greifendsten Hoffnungen geknüpft. Es soll damit die Autorität Roms, die
protestantische Orthodoxie und zugleich die ebenso unbequeme kritische Theologie
der Gegenwart gestürzt sein, -- das erste wegen jener endlich wiederentdeckten
starken Anklagen gegen zwei Päpste der römischen Kirche; das zweite, weil
der neue Kirchenvater eine Art rationaler Lehre gebe; das dritte, weil durch die
vorkommenden Citate des vierten Evangeliums in dem Munde der ältesten Irr-
lehrer (wie Valentinus und Basilides) endlich sich zeige, daß dieses Evangelium
nicht erst aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts hervorgegangen sei, wie die
Schule des Tübingers Baur beharrlich behauptet. Ja unter der Aegide dieses
neuen Heiligen soll es zu einer Art Völkerbund zwischen dem rationalen
Deutschland, das blos von der tübinger Kritik wie von.neulutherischer Un-
kritik abzulassen habe und zwischen dem orthodoxen England kommen,, welches
sich nur dem gemäßigten Nationalismus des neuen Kirchenvaters zu eröffnen
habe. So wünscht und hofft der praktische Staatsmann Bunsen.


der Betrüger, abgefeimter Nänkemacher, schlauer Rädelsführer, ehemaliger
Sklave und Bankrotteur, blos durch Betrug heilig geworden, ein Ketzer
ärgster Art, und der Papst vorher, Zephyrinus, sei ein „geldgieriger Schwach¬
kopf" gewesen. Zu Paris hatte man keine Lust, die Chronique scandaleuse
der Curie mit diesem neuen Stück zu bereichern, dagegen übernahm die Orfor¬
der Universität die Herausgabe, die Miller leitete, indem er wenigstens ein
Drittel der sinnentstellendsten Schreibfehler des copirenden Mönches im Drucke
berichtigte, sonst aber das Manuskript buchstäblich veröffentlichte.

Es ist begreiflich, daß dies neuentdeckte Stück Papstgeschichte, an dessen
Echtheit in der That niemand hat zweifeln können, das größte Aufsehen ge¬
macht hat. Wer hat das Werk verfaßt, wie ist es näher zu begreifen?

Die von Miller noch hingenommene Angabe des Coder selbst, Origines
sei der Verfasser, leuchtete alsbald als ganz irrig ein; nur ein römischer Geist¬
licher selbst konnte der Verfasser sein und es blieb nach allem nur die Wahl
zwischen zwei Schriftstellern dieser Zeit, einem Gegner der Montanisten, Caius,
dem auch noch viele andre Schriften antihäretischer Art zugeschrieben werden
und der ein Römer ist, und dem durch Photius und andre Griechen bekannten
Verfasser einer allgemeinen Ketzerbekämpfung, dem Hippolytus, der demnach
nicht mehr blos nach der Statue als Angehöriger Roms erscheinen würde.
Für diesen letztern haben sich die meisten erklärt, insbesondere nach Jacobi der
Ritter und Doctor Jvstas von Bunsen, der alles gelöst fand, wenn man nur
die eine Angabe festhalte, Hippolyt sei wirklich Bischof von Portus bei Rom
gewesen, als solcher habe er zu den Suburbanbischöfen von Rom gehört, als
solcher das Klagemanisest gegen die römischen Bischöfe geschleudert und mit
-allem Grund.

Ja der phantasiereiche Mann hat an das neuentdeckte Werk die weit-
greifendsten Hoffnungen geknüpft. Es soll damit die Autorität Roms, die
protestantische Orthodoxie und zugleich die ebenso unbequeme kritische Theologie
der Gegenwart gestürzt sein, — das erste wegen jener endlich wiederentdeckten
starken Anklagen gegen zwei Päpste der römischen Kirche; das zweite, weil
der neue Kirchenvater eine Art rationaler Lehre gebe; das dritte, weil durch die
vorkommenden Citate des vierten Evangeliums in dem Munde der ältesten Irr-
lehrer (wie Valentinus und Basilides) endlich sich zeige, daß dieses Evangelium
nicht erst aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts hervorgegangen sei, wie die
Schule des Tübingers Baur beharrlich behauptet. Ja unter der Aegide dieses
neuen Heiligen soll es zu einer Art Völkerbund zwischen dem rationalen
Deutschland, das blos von der tübinger Kritik wie von.neulutherischer Un-
kritik abzulassen habe und zwischen dem orthodoxen England kommen,, welches
sich nur dem gemäßigten Nationalismus des neuen Kirchenvaters zu eröffnen
habe. So wünscht und hofft der praktische Staatsmann Bunsen.


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[0256] der Betrüger, abgefeimter Nänkemacher, schlauer Rädelsführer, ehemaliger Sklave und Bankrotteur, blos durch Betrug heilig geworden, ein Ketzer ärgster Art, und der Papst vorher, Zephyrinus, sei ein „geldgieriger Schwach¬ kopf" gewesen. Zu Paris hatte man keine Lust, die Chronique scandaleuse der Curie mit diesem neuen Stück zu bereichern, dagegen übernahm die Orfor¬ der Universität die Herausgabe, die Miller leitete, indem er wenigstens ein Drittel der sinnentstellendsten Schreibfehler des copirenden Mönches im Drucke berichtigte, sonst aber das Manuskript buchstäblich veröffentlichte. Es ist begreiflich, daß dies neuentdeckte Stück Papstgeschichte, an dessen Echtheit in der That niemand hat zweifeln können, das größte Aufsehen ge¬ macht hat. Wer hat das Werk verfaßt, wie ist es näher zu begreifen? Die von Miller noch hingenommene Angabe des Coder selbst, Origines sei der Verfasser, leuchtete alsbald als ganz irrig ein; nur ein römischer Geist¬ licher selbst konnte der Verfasser sein und es blieb nach allem nur die Wahl zwischen zwei Schriftstellern dieser Zeit, einem Gegner der Montanisten, Caius, dem auch noch viele andre Schriften antihäretischer Art zugeschrieben werden und der ein Römer ist, und dem durch Photius und andre Griechen bekannten Verfasser einer allgemeinen Ketzerbekämpfung, dem Hippolytus, der demnach nicht mehr blos nach der Statue als Angehöriger Roms erscheinen würde. Für diesen letztern haben sich die meisten erklärt, insbesondere nach Jacobi der Ritter und Doctor Jvstas von Bunsen, der alles gelöst fand, wenn man nur die eine Angabe festhalte, Hippolyt sei wirklich Bischof von Portus bei Rom gewesen, als solcher habe er zu den Suburbanbischöfen von Rom gehört, als solcher das Klagemanisest gegen die römischen Bischöfe geschleudert und mit -allem Grund. Ja der phantasiereiche Mann hat an das neuentdeckte Werk die weit- greifendsten Hoffnungen geknüpft. Es soll damit die Autorität Roms, die protestantische Orthodoxie und zugleich die ebenso unbequeme kritische Theologie der Gegenwart gestürzt sein, — das erste wegen jener endlich wiederentdeckten starken Anklagen gegen zwei Päpste der römischen Kirche; das zweite, weil der neue Kirchenvater eine Art rationaler Lehre gebe; das dritte, weil durch die vorkommenden Citate des vierten Evangeliums in dem Munde der ältesten Irr- lehrer (wie Valentinus und Basilides) endlich sich zeige, daß dieses Evangelium nicht erst aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts hervorgegangen sei, wie die Schule des Tübingers Baur beharrlich behauptet. Ja unter der Aegide dieses neuen Heiligen soll es zu einer Art Völkerbund zwischen dem rationalen Deutschland, das blos von der tübinger Kritik wie von.neulutherischer Un- kritik abzulassen habe und zwischen dem orthodoxen England kommen,, welches sich nur dem gemäßigten Nationalismus des neuen Kirchenvaters zu eröffnen habe. So wünscht und hofft der praktische Staatsmann Bunsen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/256>, abgerufen am 22.12.2024.