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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Versenkung hörte man geisterhafte Kinderstimmen eine Stunde lang rufen:
"rktias veo, (Gott sei Dank!)

Das Fabelhafte läßt sich hier nun freilich mit Handen greifen. Einen
vioarius urbis gibt es erst in der nachkonstantinischen Zeit; Foltern werden
gegen Christen erst seit Decius angewendet; unter dem Claudius ist an eine
eigentliche Christenverfolgung überhaupt noch nicht zu denken. QuiriacuS
heißt nur Kyn'acus, der Kirchenmann, der Christ; Romulus heißt der Ver¬
folger, als Haupt des alten heidnischen Roms, -- von den Kinderstimmen gar
nicht zu reden. Auch sagt Döllinger selbst, der scharfsinnigste und gelehrteste
Vertreter der katholischen Partei in Deutschland, die ganze Geschichte sei eine
rohe Erfindung, wie die spätern Griechen dergleichen in Unzahl "nach derselben
Schablone" gemacht hätten.

Bemerkenswerth aber ist, daß Hippolyt in dieser Geschichte auch den
Namen Nonus oder Nonnus führt, und unter diesem Doppelnamen haben
wir eine vierte Hippolytuslegende, bei Petrus Damiani. Hier ist aber der
heilige Nonus, der auch Hippolyt heißt, aus Antiochia; er bekehrt dreißig¬
tausend Sarazenen, dann auch die heilige Pelagia, verfaßt dann mehre bibli¬
sche Commentare, begibt sich aber von seinem Bisthum und von Antiochia
hinweg nach Rom; hier begräbt er den Leichnam der heiligen Aurea, die bei
Ostia ertränkt wurde, dafür aber wird er in eine Grube bei Portus versenkt.
Auch sonst wird Hippolyt als Bischof von Antiochien angegeben und ein
griechisches Distichon läßt ihn ebenda in das Meer versenkt werden.

Es kommt aber noch ein Hippolyt vor, wieder in der Nähe von Rom,
abermals erst unter Valerian. Er lebt als Einsiedler in einer Grotte, bekehrt
die zu ihm kommenden Heiden zum Licht, und da endlich auch seine Schwester
Paulina und deren Gemahl Adrias sich taufen lassen, so wird er mit diesen
zusammen unter Geißelhieben zu Tode gemartert.

Die Verwirrung steigert sich aber, indem bei den Martyrologen noch ein
besonderer Presbyter Hippolytuö von Antiochia hinzutritt, der zu den
Novatianern gehört, jedoch vor dem Tode noch zur Kirche bekehrt wird, ganz
wie der Greis des Prudentius; endlich noch ein Bischof der Araber, Hippolyt
von Bostra, ohne daß von diesem mehr erzählt würde, als daß er in der Zeit der
übrigen heiligen Hippolyte gegen Mitte des dritten Jahrhunderts gelebt habe.

Soweit reicht die eigentliche Martyrologie über Hippolyt, wie gesagt nur
den Grundzügen nach, da der mit Laurentius und der mit Aurea verknüpfte
Heilige dieses Namens in den mannigfaltigsten Verstonen geviertheilt oder ver¬
senkt wird.

Schaut man, um sich aus diesem Legendenlabyrinth herauszufinden, nach
der sonstigen Kirchenkunde über Hippolyt, so tritt auch da das Verschieden¬
artigste auf. ,


Versenkung hörte man geisterhafte Kinderstimmen eine Stunde lang rufen:
«rktias veo, (Gott sei Dank!)

Das Fabelhafte läßt sich hier nun freilich mit Handen greifen. Einen
vioarius urbis gibt es erst in der nachkonstantinischen Zeit; Foltern werden
gegen Christen erst seit Decius angewendet; unter dem Claudius ist an eine
eigentliche Christenverfolgung überhaupt noch nicht zu denken. QuiriacuS
heißt nur Kyn'acus, der Kirchenmann, der Christ; Romulus heißt der Ver¬
folger, als Haupt des alten heidnischen Roms, — von den Kinderstimmen gar
nicht zu reden. Auch sagt Döllinger selbst, der scharfsinnigste und gelehrteste
Vertreter der katholischen Partei in Deutschland, die ganze Geschichte sei eine
rohe Erfindung, wie die spätern Griechen dergleichen in Unzahl „nach derselben
Schablone" gemacht hätten.

Bemerkenswerth aber ist, daß Hippolyt in dieser Geschichte auch den
Namen Nonus oder Nonnus führt, und unter diesem Doppelnamen haben
wir eine vierte Hippolytuslegende, bei Petrus Damiani. Hier ist aber der
heilige Nonus, der auch Hippolyt heißt, aus Antiochia; er bekehrt dreißig¬
tausend Sarazenen, dann auch die heilige Pelagia, verfaßt dann mehre bibli¬
sche Commentare, begibt sich aber von seinem Bisthum und von Antiochia
hinweg nach Rom; hier begräbt er den Leichnam der heiligen Aurea, die bei
Ostia ertränkt wurde, dafür aber wird er in eine Grube bei Portus versenkt.
Auch sonst wird Hippolyt als Bischof von Antiochien angegeben und ein
griechisches Distichon läßt ihn ebenda in das Meer versenkt werden.

Es kommt aber noch ein Hippolyt vor, wieder in der Nähe von Rom,
abermals erst unter Valerian. Er lebt als Einsiedler in einer Grotte, bekehrt
die zu ihm kommenden Heiden zum Licht, und da endlich auch seine Schwester
Paulina und deren Gemahl Adrias sich taufen lassen, so wird er mit diesen
zusammen unter Geißelhieben zu Tode gemartert.

Die Verwirrung steigert sich aber, indem bei den Martyrologen noch ein
besonderer Presbyter Hippolytuö von Antiochia hinzutritt, der zu den
Novatianern gehört, jedoch vor dem Tode noch zur Kirche bekehrt wird, ganz
wie der Greis des Prudentius; endlich noch ein Bischof der Araber, Hippolyt
von Bostra, ohne daß von diesem mehr erzählt würde, als daß er in der Zeit der
übrigen heiligen Hippolyte gegen Mitte des dritten Jahrhunderts gelebt habe.

Soweit reicht die eigentliche Martyrologie über Hippolyt, wie gesagt nur
den Grundzügen nach, da der mit Laurentius und der mit Aurea verknüpfte
Heilige dieses Namens in den mannigfaltigsten Verstonen geviertheilt oder ver¬
senkt wird.

Schaut man, um sich aus diesem Legendenlabyrinth herauszufinden, nach
der sonstigen Kirchenkunde über Hippolyt, so tritt auch da das Verschieden¬
artigste auf. ,


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[0252] Versenkung hörte man geisterhafte Kinderstimmen eine Stunde lang rufen: «rktias veo, (Gott sei Dank!) Das Fabelhafte läßt sich hier nun freilich mit Handen greifen. Einen vioarius urbis gibt es erst in der nachkonstantinischen Zeit; Foltern werden gegen Christen erst seit Decius angewendet; unter dem Claudius ist an eine eigentliche Christenverfolgung überhaupt noch nicht zu denken. QuiriacuS heißt nur Kyn'acus, der Kirchenmann, der Christ; Romulus heißt der Ver¬ folger, als Haupt des alten heidnischen Roms, — von den Kinderstimmen gar nicht zu reden. Auch sagt Döllinger selbst, der scharfsinnigste und gelehrteste Vertreter der katholischen Partei in Deutschland, die ganze Geschichte sei eine rohe Erfindung, wie die spätern Griechen dergleichen in Unzahl „nach derselben Schablone" gemacht hätten. Bemerkenswerth aber ist, daß Hippolyt in dieser Geschichte auch den Namen Nonus oder Nonnus führt, und unter diesem Doppelnamen haben wir eine vierte Hippolytuslegende, bei Petrus Damiani. Hier ist aber der heilige Nonus, der auch Hippolyt heißt, aus Antiochia; er bekehrt dreißig¬ tausend Sarazenen, dann auch die heilige Pelagia, verfaßt dann mehre bibli¬ sche Commentare, begibt sich aber von seinem Bisthum und von Antiochia hinweg nach Rom; hier begräbt er den Leichnam der heiligen Aurea, die bei Ostia ertränkt wurde, dafür aber wird er in eine Grube bei Portus versenkt. Auch sonst wird Hippolyt als Bischof von Antiochien angegeben und ein griechisches Distichon läßt ihn ebenda in das Meer versenkt werden. Es kommt aber noch ein Hippolyt vor, wieder in der Nähe von Rom, abermals erst unter Valerian. Er lebt als Einsiedler in einer Grotte, bekehrt die zu ihm kommenden Heiden zum Licht, und da endlich auch seine Schwester Paulina und deren Gemahl Adrias sich taufen lassen, so wird er mit diesen zusammen unter Geißelhieben zu Tode gemartert. Die Verwirrung steigert sich aber, indem bei den Martyrologen noch ein besonderer Presbyter Hippolytuö von Antiochia hinzutritt, der zu den Novatianern gehört, jedoch vor dem Tode noch zur Kirche bekehrt wird, ganz wie der Greis des Prudentius; endlich noch ein Bischof der Araber, Hippolyt von Bostra, ohne daß von diesem mehr erzählt würde, als daß er in der Zeit der übrigen heiligen Hippolyte gegen Mitte des dritten Jahrhunderts gelebt habe. Soweit reicht die eigentliche Martyrologie über Hippolyt, wie gesagt nur den Grundzügen nach, da der mit Laurentius und der mit Aurea verknüpfte Heilige dieses Namens in den mannigfaltigsten Verstonen geviertheilt oder ver¬ senkt wird. Schaut man, um sich aus diesem Legendenlabyrinth herauszufinden, nach der sonstigen Kirchenkunde über Hippolyt, so tritt auch da das Verschieden¬ artigste auf. ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/252>, abgerufen am 22.07.2024.